Algerien beginnt sich wieder für seine alte christliche Geschichte zu interessieren.
Das beobachtet Kardinal Jean-Louis Tauran, der Präsident des Päpstlichen Rates für
den Interreligiösen Dialog. Tauran hält sich in diesen Tagen auf Bitte von Papst Franziskus
in Algerien auf, um als dessen Stellvertreter an den 100-Jahr-Feiern zur Erhebung
der Augustinuskirche zur Basilika teilzunehmen. Die Kirche steht in Annaba, dem antiken
Hippo.
„Die Christen waren hier historisch vor dem Islam beheimatet, und
das algerische Volk kennt diese Seite seiner Geschichte. Augustinus war Algerier.
Und was für einer! Er verband die beiden Ufer des Mittelmeeres. Er ist ein Denker,
ein Genie, nur wenige Menschen haben sein Format. Auf mich macht es Eindruck daran
zu denken, dass er einige der schönsten Texte der Theologie schrieb, während gleichzeitig
Hippo unter Besatzung stand. Außerdem kümmerte er sich um die Flüchtlinge und nahm
als Hirte am Alltagsleben seiner Gläubigen teil. Sein großer Beitrag ist: Es gibt
keinen Gegensatz zwischen Glauben und Vernunft.“
In Algerien bekennen sich
neun von zehn Menschen zum Islam. Der Dialog zwischen den Religionen ist lebenswichtig
für die Minderheit – und dieser Dialog kann nur im Land selbst stattfinden, betont
Kardinal Tauran.
„Der päpstliche Dialograt ermuntert und koordiniert Initiativen;
wie haben besonders Kontakte zu den Bischofskonferenzen und den Ortsbischöfen, denn
der Dialog wird nicht auf der Via della Conciliazione in Rom geführt: Dialog macht
man vor Ort. Also in Algerien, in den Pfarreien. Es ist ein Dialog des Lebens, und
der ist sehr wichtig: Zusammen leben, angesichts derselben Probleme und Sorgen, als
Gläubige. Ich denke, die Spontaneität der Beziehungen ist die Grundlage jedes Dialogs,
und der Dialog gründet sich immer auf Freundschaft. Man muss einander kennenlernen
und schätzen und ein Stück des Wegs gemeinsam gehen.“
Auch eine Botschaft
von Papst Franziskus hat Kardinal Tauran mit nach Algerien gebracht. Sie spricht
vom Dialog zwischen den Religionen – aber nicht nur.
„Es geht auch um die
Dankbarkeit der katholischen Kirche für das Verständnis und die Großzügigkeit der
Muslime, denn die algerischen Behörden haben sich auch wirtschaftlich an der Restaurierung
dieser schönen Kirche beteiligt.“
Auch eine persönliche Spende von Papst
Benedikt XVI. trug zur Deckung der Kosten bei. Die Basilika des Heiligen Augustinus
erhebt sich auf einem Hügel im äußersten Nordosten Algeriens. Sie ist im arabisch-byzantinischen
Stil errichtet und wurde 1881 geweiht. Für Kardinal Tauran ist diese Kirche ein Zeichen
dafür,
„dass die Religionen keine Gefahr sind, sondern im Gegenteil eine
Quelle des Friedens und der brüderlichen Gemeinschaft. Diese Basilika erinnert daran,
dass es keine Zukunft gibt, wenn es nicht eine geteilte Zukunft ist.“
Die
Kirche in Algerien geht auf das 2. Jahrhundert zurück und erlebte im 3. und 4. Jahrhundert
ihren Höhepunkt unter dem heiligen Augustinus, Bischof von Hippo. Das Wirken dieses
Kirchenvaters der Antike prägte das Denken des Abendlandes wesentlich. Zu Beginn des
Mittelalters verdrängte die Ausbreitung des Islams das Christentum aus dieser Region.
Erst ab dem 19. Jahrhundert kamen die Christen mit den französischen Besatzern zurück.
Viele von ihnen verließen das Land vor rund einem halben Jahrhundert mit der Gründung
des Staates Algerien und dem Abzug der ehemaligen Besatzer.