2014-04-22 11:10:45

Wie prüft man Heiligkeit?


RealAudioMP3 Jede Selig- oder Heiligsprechungen hat einen Vorlauf von Jahren oder Jahrzehnten, wie sich auch an den Causen von Johannes XXIII. und Johannes Paul II. zeigt, die am kommenden Sonntag heilig gesprochen werden. So lange braucht es, bis die kirchenrechtlichen Verfahren durchlaufen sind, die allen Gläubigen garantieren sollen, dass ein neuer Heiliger tatsächlich heilig ist. Wie laufen diese Verfahren ab? Was macht sie so langwierig? Wie lässt sich „Heiligkeit“ überhaupt prüfen? Die katholische Kirche kennt ein genau festgelegtes Verfahren zur Selig- und Heiligsprechung. Es handelt sich um regelrechte Gerichtsverfahren, in denen auch der Nachweis eines Wunders eine Rolle spielt. Gudrun Sailer hat die Informationen zusammengestellt.

1 – Bei der Aufnahme eines Prozesses zur Seligsprechung – die der Heiligsprechung vorangeht – muss der Tod des Kandidaten oder der Kandidatin mindestens fünf Jahre zurück liegen. Diese zeitliche Pufferzone soll der objektiveren Bewertung des Falles dienen. In besonderen Fällen kann die Frist verkürzt werden, wie es etwa bei Johannes Paul II. geschah. Unabdingbar ist hingegen der „Ruf der Heiligkeit“, aber auch der „Ruf der Wundertätigkeit“. Das bedeutet, das Kirchenvolk muss überzeugt von der Heiligkeit des oder der Verstorbenen sein. Es ist niemals die Institution Kirche, die ein Verfahren zur Seligsprechung von sich aus anstrengt.

2 - Dem Ortsbischof jener Diözese, in dem der oder die Kandidatin zur Seligsprechung verstarb, kommt es zu, das Verfahren aufzunehmen. Um diesen Schritt muss der Bischof förmlich gebeten werden. Zunächst beauftragen die Betreiber der Seligsprechung – das kann die Diözese selbst sein, eine Pfarrei, ein Orden oder sonst ein Zusammenschluss von Gläubigen – einen Postulator oder eine Postulatorin. Diese Figur sammelt alle sachdienlichen Informationen über das Leben des oder der Kandidatin und bittet den Ortsbischof um die Eröffnung des Ermittlungsprozesses für die Seligsprechung.

3 - Der Heilige Stuhl muss dem Bischof dazu eine Genehmigung erteilte, das „Nihil Obstat“, wörtlich: „Nichts spricht dem entgegen“.

4 - Nun tritt das Verfahren in seine diözesane Phase. Der Bischof lässt ein Diözesantribunal für die Causa einrichten.

5 - Die Erhebungen können beginnen. Durchgeführt werden sie vom Postulator und vom so genannten Justizpromotor. Dessen Aufgabe ist es, im Gegensatz zur Arbeit des Postulators die möglichen Hindernisse einer Seligsprechung aufzudecken. Im alten Verfahren zur Selig- und Heiligsprechung, das 1983 neu geregelt wurde, hieß der entsprechende Akteur „Advocatus diaboli“; er ging als „Anwalt des Teufels“ in den rhetorischen Sprachgebrauch ein. Der Informationsprozess umfasst das Studium von Dokumenten und das Sammeln von Zeugenaussagen über den Lebenswandel und die christlichen Tugenden des oder der Kandidatin, die nun den Titel Dienerin Gottes bzw. Diener Gottes führt. Die christlichen Tugenden setzen sich aus den theologischen Tugenden - Glaube, Hoffnung und Liebe - und den Kardinaltugenden zusammen: Weisheit, Gerechtigkeit, Mäßigung und Stärke.

6 - Am Ende der diözesanen Phase gehen alle Akten nach Rom an die Selig- und Heiligsprechungskongregation, womit die vatikanische Phase des Verfahrens beginnt. Unter der Leitung eines so genannten Relators, der an der Kongregation sitzt, bereitet nun der Postulator die Positio vor. Diese Schrift weist die „heroische Ausübung der Tugenden“ durch den oder die Dienerin Gottes nach und ist somit das zentrale Dokument des Verfahrens. Neun Theologen begutachten die Positio. In dieser Phase tritt der Glaubenspromotor der Heiligsprechungskongregation in das Verfahren ein, der, ähnlich wie der Justizpromotor auf der diözesanen Ebenen des Verfahrens, mögliche Zweifel an der Heiligkeit der betreffenden Person untersucht und am Ende Schlussfolgerungen aus der gesamten Dokumentation zieht. Wenn die Mehrheit der Theologen sich positiv äußert, geht die Causa zur Beurteilung an die Kardinäle und Bischöfe, die der Kongregation für die Selig- und Heiligsprechungen angehören.

7 - Fällt das Urteil der Kardinäle und Bischöfe ihrerseits positiv aus, präsentiert der Präfekt der Kongregation das Ergebnis des ganzen Prozesses dem Papst, der nach seinem Willen seine Zustimmung erteilt und die Kongregation dazu ermächtigt, ein Dekret über die heroischen Tugenden zu verfassen. Ab diesem Punkt ist der Diener oder die Dienerin Gottes „venerabile“, das heißt verehrungswürdig.

8 - Ist der Diener oder die Dienerin Gottes nicht den Märtyrertod gestorben, braucht es zur Seligsprechung den Nachweis eines Wunder auf seine oder ihre Fürsprache. Dieses Wunder muss sich nach dem Tod ereignet haben. Den Nachweis des behaupteten Wunders erbringt ein getrenntes kirchenrechtliches Ermittlungsverfahren. Da es sich in den meisten Fällen um Heilungswunder handelt, ist der vatikanischen Kongregation für die Selig- und Heiligsprechungen eine Ärztekommission angeschlossen. Nach der Untersuchung des Wunders geben die Kardinäle und Bischöfe ihre Einschätzung darüber ab, und die Kongregation leitet sie dem Papst weiter. Dieser entscheidet frei, ob er die Seligsprechung anordnet oder nicht: Ein „Rechtsanspruch“ auf die Selig- oder Heiligsprechung bei positiv durchlaufenem Verfahren besteht nicht. Die Selig- und Heiligsprechung durch den Papst ist ein Akt, den dieser in Ausübung seines unfehlbaren Lehramtes vornimmt. Mit der Seligsprechung ist der oder die Selige zur Verehrung in einer bestimmten Ortskirche oder in einem Orden freigegeben.

9 - Zur Heiligsprechung werden die Befunde des Ermittlungsverfahrens kein zweites Mal aufgerollt. Indes verlangt die Kirche zur Heiligsprechung ein weiteres Wunder, das sich nach der Seligsprechung ereignet haben muss. Auch bei seliggesprochenen Märtyrern ist zur Heiligsprechung ein Wunder vonnöten. Wieder kann der Papst am Ende frei entscheiden, ob er die Heiligsprechung anordnet. Heilige werden in den „Kanon der Heiligen“ eingeschrieben, „kanonisiert“, wie es kirchlich heißt. Ihr Verehrung ist damit auf weltkirchlicher Ebene statthaft.

(rv 22.4.2014 gs)








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