Die Vereinten Nationen
beschreiben in ihrer aktuellen Presseaussendung ein wahres Massaker im Südsudan. Der
Bürgerkrieg dort scheint keine Grenzen zu kennen. In einem Spital in dem Ort Bentiu
wurden Menschen attackiert, auch Frauen und Kinder. Mehr als 200 tote Zivilisten,
über 400 Verletzte war das erschreckende Resultat eines Angriffs auf eine Moschee.
Menschen, die in einer Kirche Zuflucht gesucht hatten, wurden nach ihrer Identität
und ihrer ethnischen Zugehörigkeit gefragt und dann gezielt erschossen. Über ein Radio
verkünden die Rebellen, dass sie Frauen der anderen ethnischen Zugehörigkeit misshandeln
werden. Marina Peter, die sich seit 30 Jahren mit den Problemen des Sudans beschäftigt
und derzeit für das ökumenische Netzwerk Sudan Focal Point im Bereich der politischen
Analyse und im Kampf für die Friedens- und Menschenrechte tätig ist , hat im Gespräch
mit Radio Vatikan den Konflikt erläutert: „Das jüngste Massaker, das wir hier
in Bentiu erlebt haben, ist leider auch nicht das erste dieser Art. Seitdem dieser
Konflikt ausgebrochen ist, in der Nacht von 15. auf 16. Dezember, erleben wir immer
wieder Massaker an verschiedenen Volksgruppen. Es handelt sich hier hauptsächlich
um die Nuer und die Dinka. Die sich leider gegenseitig in einer Form umbringen, wie
es niemand für möglich gehalten hatte.“ Im Südsudan war im Dezember 2013 der
Machtkampf zwischen Präsident Salva Kiir und dem 2013 entmachteten Riek Machar eskaliert.
Die beiden Politiker gehören genau den unterschiedlichen Ethnien an, die sich bekriegen:
Riek Machar ist ein Nuer, sein Widersacher Präsident Salva Kiir gehört der Volksgruppe
der Dinka an. Die Lage ist seit Jahren angespannt. Den Ursprung für die Problematik
sieht Peter aber bereits in den Kriegen davor. „Davor war der Südsudan fast
50 Jahre gekennzeichnet vom Krieg und diese Jahre der brutalen Kriege haben tiefe
Traumata hinterlassen, die nie aufgearbeitet wurden. Es ist kein umfassender Versöhnungsprozess
eingeleitet worden. Und zusammen mit Machtspielen von Volksgruppen und Individuen
kommt es zu diesen Konflikten. Jetzt ist es so eskaliert, man könnte es mit der berühmten
Büchse der Pandora vergleichen – diese wurde jetzt geöffnet und lässt alle möglichen
Kräfte frei.“ Im Bürgerkrieg kämpfen vor allem viele junge traumatisierte Männer
ohne Zukunftsperspektiven, die sich leicht zu Milizen rekrutieren lassen oder auch
„noch offenen Rechnungen“ aus den Vorkriegen abrechnen wollen. Der einst religiöse
Konflikt von muslimischen Nord- und christlichen Südsudan sei jetzt nicht mehr religiös,
meint Peter. Ausschlaggebend sei die ethnische Herkunft. Die Rolle der Kirche sei
sehr wichtig, sie ist vor allem ein Hilfeleister und Hoffnungsträger, doch auch dort
fühlen sich die flüchtenden Sudanesen nicht mehr sicher. „Es ist eine totale Verwüstung.
Die Menschen werden umgebracht, aber gleichzeitig auch die Infrastruktur – Kliniken,
Häuser, Schulen – es wird alles zerstört. Eine Politik der verbrannten Erde. Die Folgen
sind im ganzen Land zu spüren. Wegen der anhaltenden Kriegshandlungen gibt es viele,
die flüchten. Diese sind schwer zu erreichen und jetzt kurz vor der Regenzeit wird
es noch schwieriger sein, sie zu erreichen und ihnen zu helfen. Das macht das Ganze
noch furchtbarer.“ (rv 22.4.2014 no)