Auch wenn sie nichts
verbrochen haben, werden sie in Gefängnisse gesteckt: Flüchtlinge, die auf ihre Abschiebung
warten. In der Mehrzahl der deutschen Bundesländer werden sie dabei auch gemeinsam
mit Straftätern untergebracht. An diesem Freitag wurde dem Bundesjustizministerium
ein Bericht des Nationalen Zentrums für die Verhütung von Folter – einer staatlichen
Einrichtung – übergeben, in dem Schicksale von Flüchtlingen geschildert werden, die
dieses Schicksal erleiden. Der Europäische Gerichtshof prüft nun, ob diese Praxis
gegen EU-Recht verstößt. Dieses Recht sieht nämlich ein „Trennungsgebot“ vor, d.h.
Abschiebehäftlinge und verurteilte Straftäter müssen getrennt voneinander untergebracht
werden. Konkret verhandelt werden nun drei konkrete Fälle. Heiko Habbe, Jurist beim
Jesuiten-Flüchtlingsdienst, erklärt warum es dieses Trennungsgebot gibt.
„Die
Bedingungen im Strafvollzug sind regelmäßig sehr viel schärfer, sie dürfen oft nicht
ihre eigene Kleidung tragen, müssen Anstaltskleidung tragen, dürfen kein privates
Handy besitzen. Es regiert immer die Sicherheit. Das ist bei Abschiebungsgefangenen
letztlich nicht sachgerecht, denn sie sollen ja nur da sein an dem Tag, an dem sie
abgeschoben werden sollen. Es geht also eigentlich um einen besseren Hausarrest, der
aber jetzt unter Bedingungen erfolgt, die eben sehr nah am Gefängnisalltag.“
Ein
Grund für die gemeinsame Unterbringung sind die Kosten. Laut Medienangaben ist die
Anzahl der Abschiebehäftlinge bundesweit unter 5.000 Personen, 2011 waren es noch
knapp 7.000. Eine gesonderte Unterbringung sei viel zu kostspielig, lautet das Argument.
Unterbringung ist Ländersache, so lautet das Plädoyer der Bundesregierung vor dem
Gericht in Strassburg. Habbe berichtet davon, dass während des Prozesses die Richter
sehr kritisch nachfragen. Aber nicht nur das:
„Zum anderen erleben wir -
und das ist fast noch die viel spannendere Entwicklung -, dass parallel zu diesem
Verfahren ein Bundesland nach dem anderen sich im Grunde dem europäischen Recht einordnet
und sagt: "Gut, wir hören auf, die Leute ins Gefängnis zu stecken. Wir richten entweder
eigene Abschiebungshafteinrichtungen ein." Das ist in Bayern inzwischen passiert.
"Oder wir kooperieren mit anderen Bundesländern und schicken die Leute dann in eine
spezielle Hafteinrichtung, wo bessere Bedingungen herrschen." Das macht zum Beispiel
Sachsen so, sie schicken die Leute jetzt nach Berlin.“
Eine Prognose über
den Ausgang des Prozesses wagt der Jurist nicht, er hoffe aber auf eine Entscheidung
zugunsten eines menschlicheren Vollzuges des Rechtes.
„Vor allen Dingen
hoffen wir, dass die Inhaftierung gerade von Asylsuchenden, die in andere EU-Staaten
überstellt werden sollen aufhören wird. Das sind mittlerweile bis zu 80 Prozent der
Inhaftierten. Da erschließt sich eigentlich nicht, warum jemand, der hier Schutz suchen
will, der auch ein Anliegen an die deutschen Behörden hat, warum der wochenlang inhaftiert
wird.“