2014-04-06 11:08:27

Menschen in der Zeit: Uschi Glas – Multitalent im Schauspiel und Ehrenamt


RealAudioMP3 Vorhang auf: Uschi Glas gehört zu den beliebtesten Kino- und Theaterstars in Deutschland: beste Darstellerin, Goldene Kamera, Bambi, Bundesverdienstkreuz und vieles mehr. Sie gilt als die ‚Grande Dame’ im Deutschen Film- und Fernsehfirmament. Um sich ihre Rollen auf den Leib zu schreiben, debütierte die begabte Schauspielerin auch als Drehbuchautorin. Mit durchschnittlich 10 Millionen Fernsehzuschauern in verschiedenen Sendereihen schlug sie manchmal sogar die Tagesschau. Uschi Glas ist Schirmherrin der Deutschen Hospizstiftung für Schwerkranke und Sterbende und Gründerin des karitativen Vereins ‘Brotzeit’ für bedürftige Schulkinder in Deutschland.

Frau Glas: Wenn man Ihre Biografie achtsam liest, ergibt sich, dass Sie – trotz Ihrer Ausbildung - von Natur her eher eine Autodidaktin sind. Das heißt ja auch, dass Sie sich schon früh selbst erkannt haben. Sehe ich das richtig?

„Ja, also eigentlich war da so ein Traum, ein Wunsch, ein Sich-wohl fühlen, wenn ich in der Schule meine Einakter gespielt habe, war das immer so, da hab ich mich aufgehoben gefühlt, da habe ich gedacht, dass ich auch eine Wirkung habe. Ich habe ja gemerkt: Du merkst ja, ob die Zuschauer da mitgehen oder ob sie eigentlich gar nicht zuhören. Und da habe ich früh mein Geheimnis mit mir herumgetragen, dass das eigentlich meine Berufung wäre, viel mehr als mein Beruf. Und zu guter Letzt bin ich dann doch dahin gegangen, wo ich auch hingehen wollte.”

Was haben Ihre Eltern Ihnen Gutes mitgegeben?

„Ich denke heute noch an den Satz, den mein Vater uns gesagt hat: Du musst am Abend in den Spiegel schauen können. Dass du deine Rechenschaft vor dir, vor Gott ablegen musst und sagen kannst: Habe ich mich heute einigermaßen gut benommen. Habe ich die Menschen gut behandelt? Habe ich die Leute, die mir „untergeben“ sind, mit Respekt behandelt? Und das ist für mich eigentlich heute noch ein Satz, den ich wahnsinnig gut gebrauchen kann, für mich ist es sehr, sehr wichtig, dass ich mich selber erde und dass ich mich selber kontrolliere.”

Frau Glas: Natürlich interessiert unsere Hörerinnen und Hörer ganz besonders: Welche Eigenschaften sind für Ihre Kunstrichtung eigentlich unentbehrlich? Ist es das gute Gedächtnis? Ist es die Disziplin? Ist es das Selbstbewusstsein, der Ehrgeiz, die Ausdrucksfähigkeit, die Mimik und die Gestik? Welche sind Ihrer Meinung nach die wesentlichen Ursachen für Ihrem Erfolg? Fangen wir vielleicht beim Ehrgeiz an.

„Ehrgeiz hört sich so vom Wort her für mich finde ich immer etwas negativ an. Aber auf der einen Seite muss man schon etwas wollen. Ich würde das Wort nicht so gerne benützen, weil es für mich eigentlich beinhaltet, dass ich eventuell jemand anderen benachteilige. Aber einen Willen muss man haben, dass man zum Beispiel sagt: Ich will! Ich setze mir das Ziel und dann schaue ich, wie ich das erreichen kann. Also ich glaube schon, dass man schon ein bisschen ein Ziel haben sollte und sagt: Also das würde ich gerne machen.” Das nächste was Sie gefragt haben, ist für mich glaube ich ganz wichtig. Was man haben muss und das kriegt man ja geschenkt, das ist ein Talent. Genauso wichtig daneben ist die Disziplin. Man muss, um das Talent in Bahnen zu lenken, Disziplin haben, davon bin ich hundertprozentig überzeugt.”

Um überdurchschnittlich gut zu sein, bedarf es in Ihrem Beruf aber auch der Empathie, des Sich-hinein-fühlen-Könnens in die Wesensart anderer Menschen, sozusagen in den Seelenbereich des Anderen. Wie machen Sie das?

„Ich lege mir immer eine Vita für eine Person fest, die ich spielen soll. Sagen wir mal, im Buch steht: Eine Frau im Alter von so und so, und sie hat dies und jenes Problem: Da baue ich mir für diese Frau vorher eine Vita auf, also ich denke mir: Hat sie Kinder, hat sie keine Kinder, also es kommt im Buch nicht vor, trotzdem baue ich mir das auf, sodass ich auch verstehe warum diese Frau so oder anders reagiert.”

Ich kann mir vorstellen, Frau Glas, dass man sich bei Ihrem Beruf immer wieder auf eine „innere Stimme“ berufen muss, das heißt auf eine „innere Stimme“ hören muss.

„Ich hab ganz oft in meinem Leben das Gefühl gehabt „Das mache ich, das will ich machen. Und dann aber auch des Öfteren so ein Gefühl „Weiß ich ja nicht, irgendwie, das...ach...“ Und dann kann ich das gar nicht so genau begründen, das ist einfach ein Gefühl. Also ich hab mich zu Produktionen entschieden, wo andere dann sagen: „Warum machst du denn das?“ Dann sage ich: Bitte, fragt mich jetzt nicht, ich will das jetzt machen, und ich glaube schon, dass das einfach schon so eine Schwingung ist, die dann da ist, dass man plötzlich sagt: Das passt dann jetzt, das mach ich.“

Die Schauspielerin Uschi Glas ist ja nicht weg zudenken aus der Welt des Theaters und des Films. Die meisten kennen Sie, Frau Glas, aus ihren Filmen, doch da gibt es noch eine andere Seite, Ihr soziales Engagement. Sie sind Schirmherrin der Deutschen Hospizstiftung und haben selbst eine karitative Bewegung gegründet „Brotzeit“: Sehr münchnerisch, sehr bayerisch, nennt sich dieser bundesweit agierende Verein. Sie wissen, wie sehr sich die Kirche – der Papst höchstpersönlich – immer wieder für den hohen Wert des Ehrenamtes aussprechen. Würden Sie uns bitte kurz die beiden genannten karitativen Einrichtungen, nämlich die Hospizstiftung und „Brotzeit“ erläutern?

„Brotzeit“, der Verein ist, wirklich sozusagen mein eigenes Baby, den ich mit meinem Mann und mit Freunden gegründet habe. Entstanden sind die Idee und der Gedanke aus einem Radiobericht, den ich gehört habe: Dass es in München zwischen 3.000 und 5.000 massiv hungernde Grundschulkinder gibt. Diese Nachricht hat mich so erschüttert. Ich konnte es eigentlich nicht glauben, ich habe gedacht: An dem Bericht stimmt etwas nicht, da bin ich sehr zerknirscht nach Hause gekommen, habe meinem Mann davon erzählt und er hat einfach gesagt: Uschi, weißt du was, wir recherchieren das, wir fragen einfach mal nach, wir fragen in den Grundschulen, wir schreiben alle Münchener Schulen an und fragen, ob sie das Problem haben. Dann haben uns tatsächlich 17 Schulen zurück geschrieben: Ja, wir haben dieses Problem ganz massiv. Also, lange Rede, kurzer Sinn: Dann haben wir das auf die Beine gestellt, haben Spender gefunden, haben auch viele andere gefunden, die uns da unterstützt haben. Im nächsten Moment habe ich natürlich gemerkt: Natürlich, jemand muss das ja vorbereiten, den Raum vorbereiten, das Buffet aufbauen, weil wir ein sehr reichhaltiges und gesundes Frühstück geben wollten. Und dann ist uns die Idee gekommen, und die ist heute ein ganz großer Segen für uns, für die Kinder und für die Menschen: Wir haben Senioren und Seniorinnen angefragt, ob sie bereit wären, in der Früh um halb sieben in die Schulen zu gehen und Buffets vorzubereiten. Wir verteilen 30 verschiedene Lebensmittel, also wirklich ein sehr gesundes, reichhaltiges Frühstück, und haben heute, das kann ich sagen, täglich ca. 5000 Kinder zum Frühstück in ganz Deutschland, das heißt in München, in Berlin, in Hamburg, in Leipzig, in Heilbronn und in Duisburg. Ca. 5000 Kinder. Und über 800 Senioren machen das ehrenamtlich möglich. Sie geben den Kindern eben in der Früh Brot und gleichzeitig Zeit, denn das andere Zeitprojekt heißt auch, dass wir Kinder fördern, dass wir Deutschnachhilfe geben, dass wir Mathematiknachhilfe geben, dass wir mit den Kindern spielen, dass wir den Kindern vorlesen, dass wir den Kindern einfach einen Familienersatz irgendwie geben, den sie oft zu Hause nicht haben. Die Kinder lernen Geborgenheit, die Kinder lernen „Guten Morgen“ zu sagen, die Kinder lernen, mit dem Löffel und mit der Gabel, mit dem Messer umzugehen. Weil wir uns das heute nicht vorstellen können, dass es Kinder gibt, die noch nie vor einem Teller saßen. Das ist eigentlich für uns alle, einfach toll zu sehen, wie die Kinder sich sozial anders verhalten, wie die Kinder ihre Leistungen verbessern können, weil sie eben fröhlich und satt in den Unterricht gehen.”

Frau Glas. Sie sind aber auch Schirmherrin der Deutschen Hospizstiftung für Schwerkranke und Sterbende. Würden Sie auch dazu ein paar kurze Worte sprechen?

„Ja genau, da bin ich vor vielen Jahren angefragt worden: „Frau Glas, ich kenne Sie als couragierte Frau, die ist streitbar und die Mut hat und so: Würden Sie sich eventuell für den Hospizgedanken stark machen, würden Sie dafür an die Öffentlichkeit gehen, würden Sie sich mit dem Thema ‘Wir müssen alle sterben –Wie wollen wir sterben?’ befassen wollen? Würden Sie sich mit Palliativmedizin auseinandersetzen wollen?“ Und meine Agentin hat natürlich gleich gesagt. Nein, also, Uschi bitte, das machst du nicht. Denn da fürchten sich die Leute, die Leute wollen nicht wissen, dass man stirbt und dass man sich da vorbereiten muss. Da habe ich gesagt: Gerade weil die Welle dagegen spricht und das natürlich ein schwieriges Thema ist, gerade deshalb möchte ich es anfassen. Und habe mich also damit beschäftigt und habe viele, viele Menschen dazu bekommen, dass sie, dass wir mehr Öffentlichkeit haben, dass man sagt: Was ist das denn? Was ist eine Sterbebegleitung? und Was ist eine Sterbehilfe? Wo ziehe ich den Strich? Jetzt ist ja bei uns in Deutschland die aktive Sterbehilfe wieder sehr hoch gekocht, weil in Belgien jetzt auch Kinder sozusagen Sterbehilfe erhalten können. Da muss man doch sehr wach sein, finde ich, und dafür nehme ich auch sehr gerne meinen Namen, meine Popularität, um die Menschen aufmerksam zu machen und zu sagen: Passt mal auf. Sagt nicht einfach so was, sondern denkt mal nach, wofür da Tür und Tor geöffnet werden könnte, wenn wir das zulassen.“

Nun sind neben der sehr realistischen Hilfe, die Sie leisten, auch zwei abstrakte Begriffe in diesem Gespräch gefallen, Frau Glas. Nämlich das Wort „Seele“ und das „Sterben“: Es ist eine der Grundfragen der menschlichen Existenz: Hat der Mensch eine „Seele“ und warum heißt es, dass sie „unsterblich“ sei?

„Ja, ich glaube daran, dass wirklich der Kreislauf bestehen bleibt. Ich glaube, dass die Energie, die Seele, nicht verloren gehen. Der Mensch wird zu Erde, also der Körper, aber ich glaube, dass das Leben nicht mit der Geburt beginnt und nicht mit dem Tod endet. Ich glaube, dass die Seele, dass der Mensch der geboren wird - vielleicht ist es eine Wiedergeburt - ich glaube fest, dass es nicht so sein kann, dass man auf die Welt kommt und dann ist man da und dann ist es eigentlich ganz egal, wie ich mich benehme und dann sterbe ich und dann ist alles weg: das glaube ich nicht.”

Sie sind nun nicht nur erfolgreich als Schauspielerin, sondern ebenso als Drehbuchautorin und nicht zu vergessen, als Sängerin, also alles zusammen. (Uschi Glas lacht) Film, Theater, Gesang und Literatur: das ergibt ja eine beachtenswerte Lebensbilanz. Worauf kommt es denn nun wirklich an? Welche sind denn die Voraussetzungen zu diesem Erfolg? Vorhin sprachen wir darüber: Es ist sicher das Talent, das Glück, vielleicht auch manchmal der Zufall. Disziplin oder ist es gar Gottes Fügung?

„Glück und Zufall und so, das sind alles Worte, die man gut gebrauchen kann. Aber wenn man wirklich tiefer hineindringt, dann glaube ich wirklich, dass es Gottes Wille ist. Also ich denke, zu guter Letzt ist es eine Fügung, eine göttliche.”

Was danken Sie dem Herrgott am meisten, Frau Glas?

„Ach, ich werde Ihnen sagen: dass ich gesund bin, dass ich drei gesunde Kinder habe, dass ich in einem Land leben darf, wie man weiß, es ist kein Geheimnis, ich bin 1944 geboren, das heißt, ich habe vom Krieg natürlich nichts mehr mitbekommen und mit meiner Familie leben wir in einem friedlichen Land, in einem demokratischen Land. Für mich ist vor allem das wichtigste die Gesundheit und ja, dass ich mich am Leben freuen kann, dass ich aufstehe und dass ich einen Plan haben darf und dass ich lebendig bin und neue Ideen entwickele und dafür bin ich einfach dankbar. Zum Beispiel unser „Brotzeit“-Projekt, das gibt mir so viel Energie! Das macht wahnsinnig viel Arbeit, aber es gibt mir so viel Energie und ich bin froh, dass ich – das ist auch wieder so eine Geschichte..... Wenn ichdamals diesen Radiobericht nicht gehört hätte, dann würde ich heute nicht arbeiten und würde heute nicht sagen können: Wir können jeden Tag 5000 Kinder verköstigen. Aber es war eben nicht der Zufall, sondern ich musste diesen Radiosender offenbar einschalten, ich musste offenbar in dem Moment nicht telefonieren oder irgendwas machen, sondern dieser Geschichte zuhören und ich musste von meinem Gefühl her etwas tun.”

Frau Glas, eine letzte Frage: Wie schauen Sie in die Zukunft? Zuversichtlich? Unbekümmert? Optimistisch? Ernsthaft? Illusionslos?

„Ich würde alle Worte unterstreichen, die Sie sagen. Das einzige Wort was ich wegnehmen würde, wäre ‘illusionslos’. Ich glaube, man muss irgendwie Träume haben, Wünsche haben, bei denen man vielleicht sogar weiß: ‘Das geht ja nie in Ordnung, das kann nicht sein.’ Aber ich muss wenigstens diesen positiven Gedanken losschicken dürfen und mich nicht vorher schon bremsen und sagen: ‘Das hat sowieso keinen Sinn, da mache ich mir gar keine Illusionen, das passt nie im Leben, das geht nie!’ Das würde ich weg nehmen, ich würd’ immer eher die gute Seite betrachten und sagen: ‘Mensch, vielleicht geht’s doch!’, als dass ich sage: ‘Das hat eh keinen Sinn.’

Frau Glas, sind Sie mit diesem Schluss zufrieden?

„Ja!”

Ich auch. Und danke für dieses Gespräch, Frau Glas.

(rv 06.04.2013 ap)








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