Kardinal Schönborn zu Limburg: „Entscheidung war die einzig mögliche“
„Es gibt bestehende
Regeln. Das Problem war, dass die in Limburg systematisch ausgehebelt wurden, und
zwar offensichtlich vom Bischof selber.“
So hat Kardinal Christoph Schönborn
von Wien an diesem Freitag die Entpflichtung des Limburger Bischofs Franz-Peter Tebartz-van
Elst kommentiert. Auf einer Pressekonferenz zum Abschluss der Frühjahrsvollversammlung
der österreichischen Bischöfe bekräftigte der Wiener Erzbischof:
„Ich habe
den inzwischen online gestellten Bericht der Bischofskonferenz-Untersuchungskommission
gelesen, und ich muss sagen – nachdem ich ihn für glaubwürdig halte - , dass ich die
Entscheidung für die einzig mögliche halte.“
Die Sachlage sei nunmehr klar:
Kontrollinstanzen in Limburg hätten versagt bzw. seien „ausgehebelt“ worden - was
auch schon im Fall der slowenischen Diözese Marburg zu einer Katastrophe geführt habe,
wie der Kardinal erinnerte. Der deutsche Präfekt der Glaubenskongregation, Kardinal
Gerhard Ludwig Müller, und Ex-Papstsekretär Erzbischof Georg Gänswein hatten den wegen
Verschwendungssucht kritisierten Limburger Bischof in der Vergangenheit verteidigt.
Dazu sagte Schönborn:
„Die Wortmeldungen, die den Bischof von ;Limburg gegen
Anschuldigungen zu verteidigen gesucht haben, basierten sozusagen auf der Unschuldsvermutung,
was ja ehrenwert ist. Ich glaube, die Lektüre dieses Berichtes macht es deutlich,
dass hier Fehlverhalten vorlag.“
Schönborn berichtete weiter von einem
Gespräch mit Papst Franziskus, bei dem er nach dessen Motivation gefragt habe, ihn
als im Bankwesen „nicht notorisch Kompetenten“ in das Kardinalsgremium zur Aufsicht
über Vatikanbank (IOR) zu berufen. Der Papst habe daraufhin schlicht geantwortet:
„Es genügt die Anständigkeit.“ Schönborn übersetzte dies bei der Pressekonferenz ins
Wienerische: Man brauche einen „Genierer“, um davor gefeit zu sein, „in Taschen zu
greifen, die einem nicht gehören“.
„Keine Populismen bei Europawahlen!“ Im
Blick auf die Europawahlen im Mai erteilte Kardinal Schönborn - ähnlich wie zuvor
sein Münchner Amtskollege Kardinal Reinhard Marx - jeglichen Populismen im politischen
Spektrum eine klare Absage. Populismus, egal mit welcher ideologischen Positionierung,
sei immer schon eine Versuchung der Politik und berge die Gefahr „schrecklicher Vereinfachungen“,
warnte der Kardinal. Bedauerlicherweise sei europaweit ein „Trend zur Simplifizierung“
festzustellen - für die Kirche eine „bedeutende Sorge“, so Schönborn. Einzelne populistische
Aussagen wie jene des FPÖ-Spitzenkandidaten für die EU-Wahl, Andreas Mölzer, wollte
der Kardinal dabei jedoch nicht kommentieren. Stellvertretend für die gesamte Bischofskonferenz
rief Schönborn zur Beteiligung an den Europawahlen auf:
„Das Wahlrecht der
Bürgerinnen und Bürger ist eine Möglichkeit mitzubauen am Bauplatz Europa. Deshalb
rufen wir alle Wahlbeteiligten dazu auf, sich an der Europawahl aktiv zu beteiligen
und sich darauf auch gewissenhaft vorzubereiten. Die EU ist maßgeblich von christlich
orientierten Politikern gegründet worden, sie braucht das demokratische Engagement
der Bevölkerung und der Christen.“
Österreichs Bischöfe unterstreichen
in der Abschlusserklärung ihrer Frühjahrsvollversammlung, dass die Bedeutung der europäischen
Integration als Friedensprojekt „ungebrochen aktuell“ sei. Dazu Schönborn:
„Für
viele, vor allem jüngere Menschen, scheint der Friede in Europa eine Selbstverständlichkeit
zu sein. Aber die dramatischen Ereignisse der letzten Wochen – sei es in der Ukraine
in Auseinandersetzung mit Russland, sei es der tragische Krieg in Syrien – machen
deutlich, dass der Friede keine Selbstverständlichkeit ist, auch nicht in Europa,
und dass er vielmehr eine bleibende Aufgabe bedeutet.“
Besondere Aufmerksamkeit
der Politik müsse der Bekämpfung der hohen Jugendarbeitslosigkeit in Europa wie auch
der Frage von Asyl und Migration gelten; die Verantwortung für das Leben von Flüchtlingen
müsse innerhalb Europas fair verteilt werden, so die Bischöfe weiter: „Europa wird
noch mehr Solidarität und Entschlossenheit brauchen, um weitere menschliche Tragödien
wie jene vor Lampedusa zu verhindern.“
Kirche auf Seite des ungeborenen
Lebens Weiter bekräftigte Schönborn bei der Pressekonferenz die Position
der katholischen Kirchen hinsichtlich des Lebensschutzes.
„Die katholische
Kirche weiß sich im Widerstand gegen Abtreibung und gegen aktive Sterbehilfe, aber
auch dem Schutz von Embryonen unverzichtbar verpflichtet. Papst Franziskus sagt in
seinem beeindruckenden Lehrschreiben Evangelii Gaudium ganz klar: Die Kirche ist auf
Seiten der ungeborenen Kinder. Sie sind, so sagt er wörtlich, die Schutzlosesten und
Unschuldigsten von allen, denen man heute die Menschenwürde absprechen will, um mit
ihnen machen zu können, was man will.“
In ihrer Abschlusserklärung bekunden
die Bischöfe ihre Unterstützung für die Forderung der Bürgerinitiative „Fakten helfen“
nach einer bundesweiten, jährlichen und anonymen Statistik und regelmäßigen Motiven-Erforschungen
über Schwangerschaftsabbrüche. Die Initiative ist vom überkonfessionellen Verein „Aktion
Leben“ getragen und will die vielfältigen Notlagen von Frauen erheben, öffentlich
zur Sprache bringen und die Grundlagen für konkrete Hilfe verbessern. Die Bischöfe
ersuchen alle Freunde des Lebens, diese Initiative zu unterstützen – „zum Wohl der
ungeborenen Kinder, der schwangeren Frauen und der ganzen Gesellschaft“, wie sie betonen.
„Krieg
ist kein Schicksal“ Als „Urkatastrophe des 20. Jahrhunderts“ bezeichneten
die Bischöfe den Ausbruch des Ersten Weltkrieges vor 100 Jahren. „In Wahrhaftigkeit
und Scham“ müsse man auch heute noch die massive Verstrickung in die Ideologie des
Krieges auch seitens der Kirchen und Religionsgemeinschaften eingestehen, heißt es
in einer weiteren Erklärung der Bischofskonferenz. Für den 27. Juli, den Tag vor dem
100. Jahrestag des Ausbruchs des Ersten Weltkrieges laden die Bischöfe Pfarrgemeinden,
kirchliche Gemeinschaften und Gruppen ein, der Toten zu gedenken, „für den Frieden
zu beten und darum, selbst Werkzeug des Friedens und der Versöhnung zu sein“. Bereits
am 18. Juni gedenken die Bischöfe bei ihrer nächsten Vollversammlung in Mariazell
in einem Gottesdienst der Ereignisse vor 100 Jahren.
Kampf gegen Steueroasen Angesichts
von „Österreichs Verantwortung in der Welt“ fordern die Bischöfe zusätzliche Mittel
für die bilaterale Entwicklungszusammenarbeit, eine Aufstockung des Auslandskatastrophenfonds,
den Einsatz gegen die globale Steuerflucht, die Austrocknung der Steueroasen, die
Einführung einer Finanztransaktionssteuer und die rasche Erfüllung der bereits 2013
gemachten Aufnahmezusage für Syrien-Flüchtlinge.
Pfarrgemeinderatskongress
in Mariazell Schließlich laden die österreichischen Bischöfe Pfarrgemeinderäte
aus ganz Österreich zu einem Kongress im Mai in Mariazell ein. Rund 600 Frauen und
Männer werden zum Treffen vom 29. bis 31. Mai 2014 erwartet. Es handelt sich um die
zweite derartige Zusammenkunft nach 2010, bestehend aus Wallfahrt und Kongress. Aus
jedem der 300 Dekanate in den Diözesen Österreichs werde zumindest eine Person vertreten
sein, heißt es in der Erklärung zu diesem Großereignis. Inhaltlich geht es diesmal
um die Eigenverantwortung und das Engagement der Gläubigen für Kirche und Welt aufgrund
ihrer Taufe und Firmung.
Besseres „Betriebsklima“ mit Rom Die
Frage, ob ein Jahr nach der Wahl von Papst Franziskus eine neue „Unternehmenskultur“
in der katholischen Kirche spürbar sei, bejahte Kardinal Schönborn. Bereits nach dem
jüngsten Ad-limina-Besuch der österreichischen Bischöfe in Rom – „der beste, den ich
je erlebt habe“, so Schönborn - seien die klimatischen Verbesserungen etwa im Dialog
mit den vatikanische Dikasterien ausdrücklich benannt worden. Man müsse sich nun „nicht
mehr als gemaßregelte Schulbuben empfinden“, so der Kardinal wörtlich. Dieses positive
„Betriebsklima“ sei zu einem hohen Maß Papst Franziskus zu verdanken. In allen österreichischen
Diözesen geschehe derzeit eine Orientierung am Apostolischen Schreiben „Evangelii
Gaudium“, der „Programmschrift“ des Papstes, wie Schönborn den Text nannte. Hier gebe
es hierzulande „noch viel dazuzulernen“.
Die anstehende Bischofsernennungen
in Graz-Seckau und im Militärordinariat seien noch nicht entschieden, darauf wies
der Vorsitzende der Bischofskonferenz hin. Grundsätzlich merkte Schönborn an, die
Kirche erlebe gegenwärtig einen viel besseren Modus bei Bischofsernennungen als zu
jener Zeit, als noch der Kaiser Personen auswählte. Er sei froh, dass diese Entscheidungen
heute innerhalb der Kirche fielen und nicht etwa die Bundesregierung Bischöfe aussuche.
Auf die Zukunft der Militärseelsorge in Österreich angesprochen sagte der
Kardinal, dass das Militärordinariat „sicher bestehen bleibt und wir wünschen uns
einen eigenen Militärordinarius“.
Die jüngste Änderung des ORF-Gesetzes
„ist aus Sicht der Bischofskonferenz und anderer Kirchen ein Rückschritt“, berichtete
Schönborn auf der Pressekonferenz weiter. Der Nationalrat hatte das Recht, wonach
wichtige Bereiche der Gesellschaft wie Wissenschaft und Kunst, aber auch die Kirchen
einen gesetzlichen Anspruch auf Vertretung im Stiftungsrat des ORF haben, ersatzlos
gestrichen. „Dies alles verstärkt den bisher schon sehr ausgeprägten Einfluss der
Politik auf die Zusammensetzung der ORF-Gremien“, merkte Schönborn an.
Der
Kardinal wies auf das „nicht von ungefähr“ getroffene jüngste Urteil der deutschen
Höchstrichter hin, wonach der Anteil der „staatsnahen“ Vertreter im ZDF zu hoch sei
und bei höchstens einem Drittel liegen müsste. Es bleibe abzuwarten, „ob sich nicht
auch in Österreich das Höchstgericht mit dieser Frage befassen wird müssen“, so Schönborn.
Vorerst bleibe zu „hoffen, dass die Wahlen im Publikumsrat und die Nominierungen durch
die Regierung, Parteien und Länder nicht nur dem parteipolitischen Kalkül folgen werden“.
Der Vorsitzende der Bischofskonferenz forderte eine breite Repräsentanz wichtiger
Teile der Zivilgesellschaft - und dazu gehörten unzweifelhaft auch die Kirchen - im
ORF-Stiftungsrat ein.
Kritik übte Kardinal Schönborn auch am Zustandekommen
der nun erfolgten Gesetzesänderung: „Es stimmt sehr nachdenklich, dass eine derart
wichtige Materie, die die Menschen und Institutionen in unserem Land täglich betrifft,
nicht mit der gebotenen Transparenz und demokratischen Beteiligung behandelt wurde.“
Der Verfassungsgerichtshof habe die Fax-Wahl vor der Konstituierung des ORF-Publikumrates
beeinsprucht, es sei jedoch „kein gleichwertiger Ersatz für das bisherige Wahlrecht
der Mediennutzer gefunden“ worden - auch dies für Schönborn „ein Rückschritt“.
Zudem
habe es für die davon betroffenen Institutionen keine Möglichkeit gegeben, sich im
Vorfeld der geplanten Gesetzesänderung dazu offiziell zu äußern. Schönborn: „Dies
wäre nach unserem Dafürhalten zeitlich möglich und von der Sache her geboten gewesen.“
Stattdessen sei die Neufassung des ORF-Gesetzes „in untransparenter Weise durchgezogen
worden“, kritisierte der Kardinal.