2014-03-28 13:46:51

Kardinal Schönborn zu Limburg: „Entscheidung war die einzig mögliche“


RealAudioMP3 „Es gibt bestehende Regeln. Das Problem war, dass die in Limburg systematisch ausgehebelt wurden, und zwar offensichtlich vom Bischof selber.“

So hat Kardinal Christoph Schönborn von Wien an diesem Freitag die Entpflichtung des Limburger Bischofs Franz-Peter Tebartz-van Elst kommentiert. Auf einer Pressekonferenz zum Abschluss der Frühjahrsvollversammlung der österreichischen Bischöfe bekräftigte der Wiener Erzbischof:

„Ich habe den inzwischen online gestellten Bericht der Bischofskonferenz-Untersuchungskommission gelesen, und ich muss sagen – nachdem ich ihn für glaubwürdig halte - , dass ich die Entscheidung für die einzig mögliche halte.“

Die Sachlage sei nunmehr klar: Kontrollinstanzen in Limburg hätten versagt bzw. seien „ausgehebelt“ worden - was auch schon im Fall der slowenischen Diözese Marburg zu einer Katastrophe geführt habe, wie der Kardinal erinnerte. Der deutsche Präfekt der Glaubenskongregation, Kardinal Gerhard Ludwig Müller, und Ex-Papstsekretär Erzbischof Georg Gänswein hatten den wegen Verschwendungssucht kritisierten Limburger Bischof in der Vergangenheit verteidigt. Dazu sagte Schönborn:

„Die Wortmeldungen, die den Bischof von ;Limburg gegen Anschuldigungen zu verteidigen gesucht haben, basierten sozusagen auf der Unschuldsvermutung, was ja ehrenwert ist. Ich glaube, die Lektüre dieses Berichtes macht es deutlich, dass hier Fehlverhalten vorlag.“

Schönborn berichtete weiter von einem Gespräch mit Papst Franziskus, bei dem er nach dessen Motivation gefragt habe, ihn als im Bankwesen „nicht notorisch Kompetenten“ in das Kardinalsgremium zur Aufsicht über Vatikanbank (IOR) zu berufen. Der Papst habe daraufhin schlicht geantwortet: „Es genügt die Anständigkeit.“ Schönborn übersetzte dies bei der Pressekonferenz ins Wienerische: Man brauche einen „Genierer“, um davor gefeit zu sein, „in Taschen zu greifen, die einem nicht gehören“.


„Keine Populismen bei Europawahlen!“
Im Blick auf die Europawahlen im Mai erteilte Kardinal Schönborn - ähnlich wie zuvor sein Münchner Amtskollege Kardinal Reinhard Marx - jeglichen Populismen im politischen Spektrum eine klare Absage. Populismus, egal mit welcher ideologischen Positionierung, sei immer schon eine Versuchung der Politik und berge die Gefahr „schrecklicher Vereinfachungen“, warnte der Kardinal. Bedauerlicherweise sei europaweit ein „Trend zur Simplifizierung“ festzustellen - für die Kirche eine „bedeutende Sorge“, so Schönborn. Einzelne populistische Aussagen wie jene des FPÖ-Spitzenkandidaten für die EU-Wahl, Andreas Mölzer, wollte der Kardinal dabei jedoch nicht kommentieren. Stellvertretend für die gesamte Bischofskonferenz rief Schönborn zur Beteiligung an den Europawahlen auf:

„Das Wahlrecht der Bürgerinnen und Bürger ist eine Möglichkeit mitzubauen am Bauplatz Europa. Deshalb rufen wir alle Wahlbeteiligten dazu auf, sich an der Europawahl aktiv zu beteiligen und sich darauf auch gewissenhaft vorzubereiten. Die EU ist maßgeblich von christlich orientierten Politikern gegründet worden, sie braucht das demokratische Engagement der Bevölkerung und der Christen.“

Österreichs Bischöfe unterstreichen in der Abschlusserklärung ihrer Frühjahrsvollversammlung, dass die Bedeutung der europäischen Integration als Friedensprojekt „ungebrochen aktuell“ sei. Dazu Schönborn:

„Für viele, vor allem jüngere Menschen, scheint der Friede in Europa eine Selbstverständlichkeit zu sein. Aber die dramatischen Ereignisse der letzten Wochen – sei es in der Ukraine in Auseinandersetzung mit Russland, sei es der tragische Krieg in Syrien – machen deutlich, dass der Friede keine Selbstverständlichkeit ist, auch nicht in Europa, und dass er vielmehr eine bleibende Aufgabe bedeutet.“

Besondere Aufmerksamkeit der Politik müsse der Bekämpfung der hohen Jugendarbeitslosigkeit in Europa wie auch der Frage von Asyl und Migration gelten; die Verantwortung für das Leben von Flüchtlingen müsse innerhalb Europas fair verteilt werden, so die Bischöfe weiter: „Europa wird noch mehr Solidarität und Entschlossenheit brauchen, um weitere menschliche Tragödien wie jene vor Lampedusa zu verhindern.“


Kirche auf Seite des ungeborenen Lebens
Weiter bekräftigte Schönborn bei der Pressekonferenz die Position der katholischen Kirchen hinsichtlich des Lebensschutzes.

„Die katholische Kirche weiß sich im Widerstand gegen Abtreibung und gegen aktive Sterbehilfe, aber auch dem Schutz von Embryonen unverzichtbar verpflichtet. Papst Franziskus sagt in seinem beeindruckenden Lehrschreiben Evangelii Gaudium ganz klar: Die Kirche ist auf Seiten der ungeborenen Kinder. Sie sind, so sagt er wörtlich, die Schutzlosesten und Unschuldigsten von allen, denen man heute die Menschenwürde absprechen will, um mit ihnen machen zu können, was man will.“

In ihrer Abschlusserklärung bekunden die Bischöfe ihre Unterstützung für die Forderung der Bürgerinitiative „Fakten helfen“ nach einer bundesweiten, jährlichen und anonymen Statistik und regelmäßigen Motiven-Erforschungen über Schwangerschaftsabbrüche. Die Initiative ist vom überkonfessionellen Verein „Aktion Leben“ getragen und will die vielfältigen Notlagen von Frauen erheben, öffentlich zur Sprache bringen und die Grundlagen für konkrete Hilfe verbessern. Die Bischöfe ersuchen alle Freunde des Lebens, diese Initiative zu unterstützen – „zum Wohl der ungeborenen Kinder, der schwangeren Frauen und der ganzen Gesellschaft“, wie sie betonen.


„Krieg ist kein Schicksal“
Als „Urkatastrophe des 20. Jahrhunderts“ bezeichneten die Bischöfe den Ausbruch des Ersten Weltkrieges vor 100 Jahren. „In Wahrhaftigkeit und Scham“ müsse man auch heute noch die massive Verstrickung in die Ideologie des Krieges auch seitens der Kirchen und Religionsgemeinschaften eingestehen, heißt es in einer weiteren Erklärung der Bischofskonferenz. Für den 27. Juli, den Tag vor dem 100. Jahrestag des Ausbruchs des Ersten Weltkrieges laden die Bischöfe Pfarrgemeinden, kirchliche Gemeinschaften und Gruppen ein, der Toten zu gedenken, „für den Frieden zu beten und darum, selbst Werkzeug des Friedens und der Versöhnung zu sein“. Bereits am 18. Juni gedenken die Bischöfe bei ihrer nächsten Vollversammlung in Mariazell in einem Gottesdienst der Ereignisse vor 100 Jahren.

Kampf gegen Steueroasen
Angesichts von „Österreichs Verantwortung in der Welt“ fordern die Bischöfe zusätzliche Mittel für die bilaterale Entwicklungszusammenarbeit, eine Aufstockung des Auslandskatastrophenfonds, den Einsatz gegen die globale Steuerflucht, die Austrocknung der Steueroasen, die Einführung einer Finanztransaktionssteuer und die rasche Erfüllung der bereits 2013 gemachten Aufnahmezusage für Syrien-Flüchtlinge.

Pfarrgemeinderatskongress in Mariazell
Schließlich laden die österreichischen Bischöfe Pfarrgemeinderäte aus ganz Österreich zu einem Kongress im Mai in Mariazell ein. Rund 600 Frauen und Männer werden zum Treffen vom 29. bis 31. Mai 2014 erwartet. Es handelt sich um die zweite derartige Zusammenkunft nach 2010, bestehend aus Wallfahrt und Kongress. Aus jedem der 300 Dekanate in den Diözesen Österreichs werde zumindest eine Person vertreten sein, heißt es in der Erklärung zu diesem Großereignis. Inhaltlich geht es diesmal um die Eigenverantwortung und das Engagement der Gläubigen für Kirche und Welt aufgrund ihrer Taufe und Firmung.


Besseres „Betriebsklima“ mit Rom
Die Frage, ob ein Jahr nach der Wahl von Papst Franziskus eine neue „Unternehmenskultur“ in der katholischen Kirche spürbar sei, bejahte Kardinal Schönborn. Bereits nach dem jüngsten Ad-limina-Besuch der österreichischen Bischöfe in Rom – „der beste, den ich je erlebt habe“, so Schönborn - seien die klimatischen Verbesserungen etwa im Dialog mit den vatikanische Dikasterien ausdrücklich benannt worden. Man müsse sich nun „nicht mehr als gemaßregelte Schulbuben empfinden“, so der Kardinal wörtlich. Dieses positive „Betriebsklima“ sei zu einem hohen Maß Papst Franziskus zu verdanken. In allen österreichischen Diözesen geschehe derzeit eine Orientierung am Apostolischen Schreiben „Evangelii Gaudium“, der „Programmschrift“ des Papstes, wie Schönborn den Text nannte. Hier gebe es hierzulande „noch viel dazuzulernen“.

Die anstehende Bischofsernennungen in Graz-Seckau und im Militärordinariat seien noch nicht entschieden, darauf wies der Vorsitzende der Bischofskonferenz hin. Grundsätzlich merkte Schönborn an, die Kirche erlebe gegenwärtig einen viel besseren Modus bei Bischofsernennungen als zu jener Zeit, als noch der Kaiser Personen auswählte. Er sei froh, dass diese Entscheidungen heute innerhalb der Kirche fielen und nicht etwa die Bundesregierung Bischöfe aussuche.

Auf die Zukunft der Militärseelsorge in Österreich angesprochen sagte der Kardinal, dass das Militärordinariat „sicher bestehen bleibt und wir wünschen uns einen eigenen Militärordinarius“.


Die jüngste Änderung des ORF-Gesetzes „ist aus Sicht der Bischofskonferenz und anderer Kirchen ein Rückschritt“, berichtete Schönborn auf der Pressekonferenz weiter. Der Nationalrat hatte das Recht, wonach wichtige Bereiche der Gesellschaft wie Wissenschaft und Kunst, aber auch die Kirchen einen gesetzlichen Anspruch auf Vertretung im Stiftungsrat des ORF haben, ersatzlos gestrichen. „Dies alles verstärkt den bisher schon sehr ausgeprägten Einfluss der Politik auf die Zusammensetzung der ORF-Gremien“, merkte Schönborn an.

Der Kardinal wies auf das „nicht von ungefähr“ getroffene jüngste Urteil der deutschen Höchstrichter hin, wonach der Anteil der „staatsnahen“ Vertreter im ZDF zu hoch sei und bei höchstens einem Drittel liegen müsste. Es bleibe abzuwarten, „ob sich nicht auch in Österreich das Höchstgericht mit dieser Frage befassen wird müssen“, so Schönborn. Vorerst bleibe zu „hoffen, dass die Wahlen im Publikumsrat und die Nominierungen durch die Regierung, Parteien und Länder nicht nur dem parteipolitischen Kalkül folgen werden“. Der Vorsitzende der Bischofskonferenz forderte eine breite Repräsentanz wichtiger Teile der Zivilgesellschaft - und dazu gehörten unzweifelhaft auch die Kirchen - im ORF-Stiftungsrat ein.

Kritik übte Kardinal Schönborn auch am Zustandekommen der nun erfolgten Gesetzesänderung: „Es stimmt sehr nachdenklich, dass eine derart wichtige Materie, die die Menschen und Institutionen in unserem Land täglich betrifft, nicht mit der gebotenen Transparenz und demokratischen Beteiligung behandelt wurde.“ Der Verfassungsgerichtshof habe die Fax-Wahl vor der Konstituierung des ORF-Publikumrates beeinsprucht, es sei jedoch „kein gleichwertiger Ersatz für das bisherige Wahlrecht der Mediennutzer gefunden“ worden - auch dies für Schönborn „ein Rückschritt“.

Zudem habe es für die davon betroffenen Institutionen keine Möglichkeit gegeben, sich im Vorfeld der geplanten Gesetzesänderung dazu offiziell zu äußern. Schönborn: „Dies wäre nach unserem Dafürhalten zeitlich möglich und von der Sache her geboten gewesen.“ Stattdessen sei die Neufassung des ORF-Gesetzes „in untransparenter Weise durchgezogen worden“, kritisierte der Kardinal.


(kap 28.04.2014 pr)








All the contents on this site are copyrighted ©.