Neue Missbrauchsstudie: „Wir wollen Klarheit und Transparenz“
Die Deutsche Bischofskonferenz
gibt erneut eine Erforschung von sexuellem Missbrauch durch Kleriker in Auftrag. Bei
einer Pressekonferenz in Bonn stellte der Missbrauchsbeauftragte, der Trierer Bischof
Stephan Ackermann, das Projekt vor. Der Auftrag geht wie angekündigt an einen interdisziplinären
Forschungsverbund, dem unter anderem Mediziner, Psychiater, Sozialwissenschaftkler
und Kriminologen angehören, man wolle Sachverstand aus den verschiedensten Bereichen,
so Bischof Ackermann. Geleitet wird das Projekt von Harald Dreßling vom Zentralinstitut
für Seelische Gesundheit in Mannheim als Koordinator. Drei wesenliche Punkte wolle
man erreichen, so Bischof Ackermann:
„Erstens geht es uns um eine Erhebung
quantitativer Daten zur Auftretenshäufigkeit und zum Umgang mit sexuellen Missbrauchshandlungen
an Minderjährigen im Bereich der Deutschen Bischofskonferenz. Es soll zweitens neben
der quantitativen auch eine qualitative Analyse institutioneller Einflüsse im Sinne
einer Täter-Opfer-Institutionen-Dynamik geben, das heißt wir wollen eine vertiefte
Einsicht in das Vorgehen der Täter und über das Verhalten von Kirchenverantwortlichen
in den zurückliegenden Jahrzehnten erhalten. Und schließlich soll es drittens eine
Zusammenführung bereits vorliegender nationaler und internationaler empirischer Befunde
und Studienergebnisse mit den in unserem Projekt gewonnenen Erkenntnissen geben. Es
gibt ja eine Reihe von Ergebnissen, die schon da sind, und ich glaube, dass es interessant
ist, wenn man das miteinander vergleichen kann.“
Man wolle „Klarheit und
Transparenz“ über diese „dunkle Seite“ der Kirche - um der Opfer willen, aber auch
um der Prävention willen, so Ackermann. Am 28. August des letzten Jahres war das Projekt
von der Deutschen Bischofskonferenz ausgeschrieben worden, insgesamt drei Forschungsverbünde
mit insgesamt 22 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern hatten sich beworben. Die
Frühjahrs-Vollversammlung in Münster traf dann unlängst die Entscheidung.
„Wir
alle haben die erschütternden Fälle sexuellen Missbrauchs, die im Jahr 2010 bekannt
wurden und das Vertrauen der Öffentlichkeit in die katholische Kirche zutiefst beschädigt
haben, sehr wohl in Erinnerung. Als wir Bischöfe während der Frühjahrsvollversammlung
[2010] in Freiburg eine erste gründliche Aussprache über diese Enthüllungen führten,
haben wir in der Erklärung am Ende dieser Vollversammlung Folgendes als erstes Ziel
formuliert: Es geht darum, die Wahrheit aufzudecken. Wir wollen eine ehrliche Aufklärung,
frei von falscher Rücksichtnahme, auch wenn uns Vorfälle gemeldet werden, die schon
lange zurück liegen. Die Opfer haben ein Recht darauf.“
Der Leiter
des neuen Projektes Harald Dreßing erklärte, Ziel der auf dreieinhalb Jahre angelegten
Studie sei es, „den sexuellen Missbrauch innerhalb der katholischen Kirche sowohl
für die Betroffenen als auch für die Öffentlichkeit so transparent wie möglich aufzuarbeiten.
Im Rahmen eines modularen Projektablaufs sollen dabei nicht nur Daten aus Kirchenarchiven
ausgewertet werden, sondern es werden auch externe Datenquellen einbezogen, die eine
vergleichende Analyse mit anderen Formen des institutionellen Missbrauchs ermöglichen.“
Die Erfahrungen der Opfer sollen schon bei der Entwicklung der Forschungsinstrumente,
aber auch bei der Interpretation der Ergebnisse durch Einrichtung eines Beirats von
Anfang an miteinbezogen werden: „Dieser Beirat wird Betroffene und Wissenschaftler
sowie Vertreter der Kirche umfassen. Er soll das Projekt wissenschaftlich und ethisch
begleiten,“ so Dreßing.
Der zweite Versuch
Ein erster
Versuch der wissenschaftlichen Erforschung war im Januar 2013 gescheitert. Das vom
Kriminologischen Forschungsinstitut Niedersachsen 2011 begonnene Forschungsprojekt
sollte durch umfangreiche Aktenstudien belastbare Zahlen zum Missbrauch erbringen,
den Verlauf der Taten aus der Sicht der Opfer nachvollziehen, das Handeln der Täter
analysieren und klären, wie sich die Kirche gegenüber Tätern und Opfern verhalten
hat. Dazu sollte das KFN möglichst viele Personalakten der 27 deutschen Bistümer untersuchen.
Doch es kam zum Zerwürfnis: Das Vertrauensverhältnis sei zerrüttet, hieß es 2013 bei
der Bischofskonferenz. Man habe sich nicht auf die Untersuchungsmethoden einigen können.
Dem Projektleiter Christian Pfeiffer wurden Sprunghaftigkeit und mangelnde Seriosität
vorgeworfen. Allerdings gab es auch kirchenintern erhebliche Widerstände gegen das
Projekt. Das „Netzwerk katholischer Priester" etwa kritisierte fehlenden Datenschutz
wegen der Akteneinsicht für Pfeiffer und verwies auf den im Kirchenrecht vorgesehenen
Umgang mit Akten.
Nach dem Scheitern des ersten Versuches war sofort ein zweiter
Anlauf angekündigt worden, schon damals war ein Forscherverbund ins Auge gefasst worden.