2014-03-14 16:07:45

Nuntius in Damaskus: „Jeder Tag zählt“


RealAudioMP3 Es begann mit einem Protestmarsch in Damaskus am 15. März 2011, es folgten Demonstrationen und Kundgebungen in anderen syrischen Städten gegen die Regierung Assad, die irgendwann in Unruhen eskalierten und blutig niedergeschlagen wurden. Heute, drei Jahre später, gleicht Syrien einem Scherbenhaufen. In dem blutigen Konflikt wurden bis heute über 140.000 Menschen getötet, die Zahl der Flüchtlinge und Vertriebenen geht in die Millionen. Hilfswerke und Vertreter der Politik ziehen in diesen Tagen eine schreckliche Bilanz über einen Konflikt, der immer verfahrener scheint. Der Vatikanvertreter in Damaskus, Erzbischof Mario Zenari, sagte uns an diesem Freitagmorgen:

„Generell ist die Lage nach drei Jahren Krieg in vielerlei Hinsicht schockierend und beängstigend: die Zerstörungen, die Zahl der Opfer jeden Tag, die Zahl der Binnenflüchtlinge, die täglich steigt, die Flüchtlinge in den Anrainerstaaten, die prekäre Versorgungslage und fehlende Medizin, die zerstörten Krankenhäuser – ein schreckliches Gesamtbild.“

Auf der jüngsten Friedenskonferenz zu Syrien in Genf hatten sich die Konfliktparteien wage darauf geeinigt, zumindest Hilfsgüter passieren zu lassen. Doch auch wenn die Versorgung in einigen Gegenden des Landes angelaufen ist, könne von flächendeckenden Hilfen mitnichten die Rede sein, so Zenari. Dabei sei man von der Option, den Menschen zu helfen, nur eine Haaresbreite entfernt.

„Was alle am meisten schmerzt, ist, dass die Hilfskonvois bereitstehen, mit Lebensmitteln, Milch für Kinder, kommen aber nicht rein, weil die Lage zu gefährlich ist oder die Konfliktparteien sich nicht einigen – schrecklich, denn es fehlt nicht an Milch und Medizin für verletzte und Alte, es gibt einfach nur nicht die Möglichkeit, dieses Material zu den Menschen zu bringen. Das ist eine tragische, untragbare Situation, die man nicht akzeptieren kann.“

Insgesamt biete sich im Land ein unübersichtliches Bild: Bewaffnete Gruppen, die gegeneinander kämpfen, Islamisten, die Angst und Schrecken verbreiten, Entführungen und unklare Fronten. Und dazwischen „seltsame“ Inseln einer scheinbaren Normalität. Zenari beschreibt die Situation in Damaskus:

„In bestimmten Augenblicken, in bestimmten Gegenden, scheint die Situation normal, doch vier, fünf Kilometer von meinem Sitz entfernt gibt es zum Beispiel ein Viertel, wo die Lage sehr, sehr beängstigend ist. Auch die humanitäre Lage ist schwer, es gibt unterernährte Kinder, weil Essen und das Nötigste fehlen. In anderen Vierteln scheint dagegen alles wieder normal zu sein – starke Kontraste hier in Damaskus und in ganz Syrien. Das Gewicht der drei Jahre Krieg spürt man, vor allem ist das sehr sichtbar in Gegenden wie Homs, Aleppo, östlich der Stadt Richtung Euphrat und den Orten westlich von Aleppo, die isoliert sind und wo keine Hilfsgüter ankommen.“

Der Vatikan hat bislang keinen Einsatz gescheut, um der leidenden Zivilbevölkerung in Syrien und auch den Flüchtlingsströmen, die sich in Syriens Nachbarstaaten sammeln, Erleichterung zu verschaffen – sowohl über Hilfsnetzwerke als auch auf diplomatischem Weg. Radio Vatikan wollte vom Nuntius wissen, ob der Heilige Stuhl schon seine letzte Karte ausgespielt hat. Dazu der Erzbischof:

„Es gibt noch auf der Ebene der Internationalen Gemeinschaft noch viel zu tun. Man hofft, dass der Dialog von Genf wieder aufgenommen werden kann. Darauf haben auch die syrischen Bischöfe bei ihrer letzten Versammlung vor zwei Tagen bestanden; es braucht die Anstrengung aller, im Land selbst und auch der Internationalen Gemeinschaft, um zu einem Stopp der Gewalt zu gelangen und zu einem gerechten Friedenspakt zu kommen.“

Der Sonderbeauftragte der Vereinten Nationen, Lakhdar Brahimi, hat derweil eine dritte Verhandlungsrunde für Syrien gefordert. Dabei kritisierte er die vom Regime in Damaskus geplanten Wahlen. Diese würden jede weitere Einigung gefährden, so der UNO-Vertreter. Vom Weg des Dialogs dürfe gerade jetzt nicht abgerückt werden, erinnert Zenari, jeder Tag zähle:

„Die Situation ist immer noch sehr, sehr delikat. Es bleibt zu hoffen, dass auf beiden Seiten es einen Zusatz an gutem Willen gibt und dass die Internationalen Gemeinschaft stärker darauf drängt, dass der Weg des Dialog wieder aufgenommen wird, der begehbar ist, denn jetzt gibt es ja, wie wir wissen, einen Stillstand des Dialogs. Das darf uns nicht die Hände in den Schoß legen lassen – wir müssen diese Blockade lösen! Jeder Tag zählt, denn es gibt jeden Tag Opfer, Blutvergießen, Verletzte, Vertriebene, Flüchtlinge, Zerstörungen, die man von außen sieht. Wenn wir dann aber einmal nach innen schauen, sehen wir, wie viel Zerstörung in den Seelen angerichtet wurde, wie viel Hass und Rachsucht, die auch jeden Tag mehr werden, würde ich sagen, muss man dies stoppen und dann an den Wiederaufbau denken, mittels der Arbeit der Versöhnung derjenigen, die so tief verletzt wurden.“

(rv 14.03.2014 pr)







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