Es begann mit einem
Protestmarsch in Damaskus am 15. März 2011, es folgten Demonstrationen und Kundgebungen
in anderen syrischen Städten gegen die Regierung Assad, die irgendwann in Unruhen
eskalierten und blutig niedergeschlagen wurden. Heute, drei Jahre später, gleicht
Syrien einem Scherbenhaufen. In dem blutigen Konflikt wurden bis heute über 140.000
Menschen getötet, die Zahl der Flüchtlinge und Vertriebenen geht in die Millionen.
Hilfswerke und Vertreter der Politik ziehen in diesen Tagen eine schreckliche Bilanz
über einen Konflikt, der immer verfahrener scheint. Der Vatikanvertreter in Damaskus,
Erzbischof Mario Zenari, sagte uns an diesem Freitagmorgen:
„Generell ist
die Lage nach drei Jahren Krieg in vielerlei Hinsicht schockierend und beängstigend:
die Zerstörungen, die Zahl der Opfer jeden Tag, die Zahl der Binnenflüchtlinge, die
täglich steigt, die Flüchtlinge in den Anrainerstaaten, die prekäre Versorgungslage
und fehlende Medizin, die zerstörten Krankenhäuser – ein schreckliches Gesamtbild.“
Auf
der jüngsten Friedenskonferenz zu Syrien in Genf hatten sich die Konfliktparteien
wage darauf geeinigt, zumindest Hilfsgüter passieren zu lassen. Doch auch wenn die
Versorgung in einigen Gegenden des Landes angelaufen ist, könne von flächendeckenden
Hilfen mitnichten die Rede sein, so Zenari. Dabei sei man von der Option, den Menschen
zu helfen, nur eine Haaresbreite entfernt.
„Was alle am meisten schmerzt,
ist, dass die Hilfskonvois bereitstehen, mit Lebensmitteln, Milch für Kinder, kommen
aber nicht rein, weil die Lage zu gefährlich ist oder die Konfliktparteien sich nicht
einigen – schrecklich, denn es fehlt nicht an Milch und Medizin für verletzte und
Alte, es gibt einfach nur nicht die Möglichkeit, dieses Material zu den Menschen zu
bringen. Das ist eine tragische, untragbare Situation, die man nicht akzeptieren kann.“
Insgesamt
biete sich im Land ein unübersichtliches Bild: Bewaffnete Gruppen, die gegeneinander
kämpfen, Islamisten, die Angst und Schrecken verbreiten, Entführungen und unklare
Fronten. Und dazwischen „seltsame“ Inseln einer scheinbaren Normalität. Zenari beschreibt
die Situation in Damaskus:
„In bestimmten Augenblicken, in bestimmten Gegenden,
scheint die Situation normal, doch vier, fünf Kilometer von meinem Sitz entfernt gibt
es zum Beispiel ein Viertel, wo die Lage sehr, sehr beängstigend ist. Auch die humanitäre
Lage ist schwer, es gibt unterernährte Kinder, weil Essen und das Nötigste fehlen.
In anderen Vierteln scheint dagegen alles wieder normal zu sein – starke Kontraste
hier in Damaskus und in ganz Syrien. Das Gewicht der drei Jahre Krieg spürt man, vor
allem ist das sehr sichtbar in Gegenden wie Homs, Aleppo, östlich der Stadt Richtung
Euphrat und den Orten westlich von Aleppo, die isoliert sind und wo keine Hilfsgüter
ankommen.“
Der Vatikan hat bislang keinen Einsatz gescheut, um der leidenden
Zivilbevölkerung in Syrien und auch den Flüchtlingsströmen, die sich in Syriens Nachbarstaaten
sammeln, Erleichterung zu verschaffen – sowohl über Hilfsnetzwerke als auch auf diplomatischem
Weg. Radio Vatikan wollte vom Nuntius wissen, ob der Heilige Stuhl schon seine letzte
Karte ausgespielt hat. Dazu der Erzbischof:
„Es gibt noch auf der Ebene
der Internationalen Gemeinschaft noch viel zu tun. Man hofft, dass der Dialog von
Genf wieder aufgenommen werden kann. Darauf haben auch die syrischen Bischöfe bei
ihrer letzten Versammlung vor zwei Tagen bestanden; es braucht die Anstrengung aller,
im Land selbst und auch der Internationalen Gemeinschaft, um zu einem Stopp der Gewalt
zu gelangen und zu einem gerechten Friedenspakt zu kommen.“
Der Sonderbeauftragte
der Vereinten Nationen, Lakhdar Brahimi, hat derweil eine dritte Verhandlungsrunde
für Syrien gefordert. Dabei kritisierte er die vom Regime in Damaskus geplanten Wahlen.
Diese würden jede weitere Einigung gefährden, so der UNO-Vertreter. Vom Weg des Dialogs
dürfe gerade jetzt nicht abgerückt werden, erinnert Zenari, jeder Tag zähle:
„Die
Situation ist immer noch sehr, sehr delikat. Es bleibt zu hoffen, dass auf beiden
Seiten es einen Zusatz an gutem Willen gibt und dass die Internationalen Gemeinschaft
stärker darauf drängt, dass der Weg des Dialog wieder aufgenommen wird, der begehbar
ist, denn jetzt gibt es ja, wie wir wissen, einen Stillstand des Dialogs. Das darf
uns nicht die Hände in den Schoß legen lassen – wir müssen diese Blockade lösen! Jeder
Tag zählt, denn es gibt jeden Tag Opfer, Blutvergießen, Verletzte, Vertriebene, Flüchtlinge,
Zerstörungen, die man von außen sieht. Wenn wir dann aber einmal nach innen schauen,
sehen wir, wie viel Zerstörung in den Seelen angerichtet wurde, wie viel Hass und
Rachsucht, die auch jeden Tag mehr werden, würde ich sagen, muss man dies stoppen
und dann an den Wiederaufbau denken, mittels der Arbeit der Versöhnung derjenigen,
die so tief verletzt wurden.“