Ein Jahr Papst Franziskus: Wie sein Lehrer den Schüler sieht
Von ihm hat der Papst
Griechisch gelernt und sich für Literatur begeistern lassen, aber dann wurde er auch
in seinem theologischen Denken Vorbild des Papstes. Pater Juan Carlos Scannone SJ
war der Lehrer von Jorge Mario Bergoglio SJ im Jesuitenkolleg in Buenos Aires. Seit
einem Jahr ist der 82jährige natürlich besonders als Experte für den Papst gefragt,
in diesen Tagen zum Beispiel als Gast in München. Unsere Kollegen vom Münchener Kirchenradio
haben ihn gefragt, was Jorge Bergoglio besonders auszeichnet.
„Er ist ein Mann,
der betet. Ich habe gehört, dass einige Mitarbeiter sagen, dass er seine Entscheidungen
im Gebet trifft“. Daneben seien es aber vor allem die Erfahrungen in den Armenvierteln
seiner ehemaligen Bischofsstadt, die den Papst bis heute prägten. „Er sagt, dass er
eine arme Kirche für die Armen wünscht. Das ist wirklich seine Meinung.“ Intensive
Begegnungen habe er aber nicht nur mit den Armen geführt so Pater Scannone. „Eine
andere Erfahrung ist seine Verbindung mit allen Religionen, besonders mit dem Judentum,
aber auch mit den Muslimen. Er hat den interreligiösen Dialog in Buenos Aires gefördert,
es ist einer der Orte auf der Welt wo es einen Dialog zwischen Christen, Juden und
Muslimen gibt.“
Den Vorwurf, Franziskus sei ein Papst der Gesten und nicht
der Theologie, weist Scannone zurück: „Ich bin nicht einverstanden. Wenn Sie die Schrift
Evangelii Gaudium lesen, werden Sie da viel Neues finden, besonders Verbindungen mit
der argentinischen ‚Theologie des Volkes’.“ Scannone lacht, denn das ist die Theologie,
die vor allem mit seinem eigenen Namen in Verbindung gebracht wird. Betont wird dort
vor allem die Wiederaufwertung der Volksfrömmigkeit und der Rolle der Laien in der
Kirche. Das hat auch Elemente der Volksspiritualität und der Volksmystik. „Eines seiner
Lieblingsworte ist das vom gläubigen Volk, vom ‚gläubigen Volk Gottes’.“
Er
erwarte sich für die nächste Zeit Fortschritte in der Reform der Kurie und in der
Kollegialität, all das – die Aufwertung der Laien und des Volkes Gottes und Ansätze
zur Reform – habe er bereits auf dem Balkon vor einem Jahr gezeigt.