„Nach 21 Uhr sind hier keine Kinder mehr willkommen“: Dieses Schild hängt seit sieben
Jahren an einem Restaurant in Bagnolo di Mella, Provinz Brescia, Norditalien. Die
Tatsache, dass die Gourmet-Pizzeria „Sirani“ (eine Pizza mit sizilianischen Krebsen
= 36 Euro) und überhaupt eine wachsende Anzahl schicker Restaurants in Norditalien
etwas gegen Familien haben, schaffte es unlängst auch in die TV-Hauptnachrichten.
Nicht ganz so intensiv wird hingegen über das Restaurant „Dal Barba“ in Villa Lagarina
(zu deutsch „Lagertaldorf“) in der Provinz Trient, ebenfalls Norditalien, berichtet:
Dort sind Kinder die Hauptpersonen. Kinder mit Behinderungen, um genau zu sein.
„Die
Organisation des Restaurants ist sehr eigentümlich“, erklärt Rachele Gottardi von
der Genossenschaft „La Ruota“, zu deutsch „Das Rad“. „Die Kinder machen dort alles
– autistische Kinder, blinde Kinder, Kinder mit Down-Syndrom und vielen anderen Arten
von Behinderung. Jeder sucht sich selbst seine Rolle aus, die, die am besten zu ihm
passt. Der eine macht am liebsten den Cameriere, also den Kellner; andere sorgen gerne
für den Abwasch, oder sie rühren den Teig an und kochen. Wir haben auch einen kleinen
Lern-Bauernhof, da legen wir gerade einen Garten an, um eine Art Bauernladen aufzuziehen.
Und außerdem denken wir darüber nach, ob wir uns nicht Bienen zulegen sollen, damit
wir unseren eigenen Honig machen...“
1989 wurde „La Ruota“ gegründet.
Das Ziel: Menschen mit Behinderungen, vor allem Kindern und ihren Familien, eine konkrete
Hilfe geben. Indem sie selbst etwas machen können, Zutrauen zu sich selbst und anderen
fassen dadurch. Vor ein paar Monaten konnte „La Ruota“ das Restaurant „Dal Barba“
übernehmen, jetzt arbeiten dort 25 Kinder und Jugendliche. Und natürlich sind ihnen
auch Altersgenossen willkommen. Und Familien.
„Wir sehen, dass es wichtig
ist, nicht nur ein barrierenfreies Restaurant zu haben, so dass also jemand im Rollstuhl
problemlos herumfahren kann, sondern überhaupt ein Restaurant für alle. Auch Familien
mit einem behinderten Kind können zu uns kommen, denn wir haben auch ein paar Fachkräfte,
und seit neuestem gibt es innen im Restaurant auch einen Parcours für Blinde.“
Der
Innenraum des Restaurants hat nichts Deprimierendes an sich: rote Fußbodenfliesen,
lange Tischreihen, draußen ein Hof, ein kleines Gärtchen. An sieben Abenden in der
Woche ist das „Barba“ geöffnet. Die Kinder kommen gerne, sie sind glücklich hier,
sagt Rachele Gottardi. Sie decken die Tische, sie kochen und spülen, manche machen
auch mal einen Abend lang Musik.
„Wir hoffen, dass wir den Kindern
die Aussicht auf einen künftigen Arbeitsplatz geben. Wir sehen, dass die Sozialisierung
das Entscheidende ist. Unsere Kinder merken, dass sie etwas tun können, dass sie etwas
zu bieten haben. Dass man ihnen sagt: ‚Bravo, das hast du gut gemacht’, erhöht ihr
Selbstbewusstsein.“
Frau Gottardi glaubt, dass das „Barba“ ein gutes
Restaurant ist. Wobei sie ihre eigene Definition hat von „gut“: „Ein sehr gutes
Restaurant – weil es alle Kinder ans Arbeiten bringt!“