2014-03-05 15:39:32

In diesem Restaurant dürfen auch Erwachsene essen


„Nach 21 Uhr sind hier keine Kinder mehr willkommen“: Dieses Schild hängt seit sieben Jahren an einem Restaurant in Bagnolo di Mella, Provinz Brescia, Norditalien. Die Tatsache, dass die Gourmet-Pizzeria „Sirani“ (eine Pizza mit sizilianischen Krebsen = 36 Euro) und überhaupt eine wachsende Anzahl schicker Restaurants in Norditalien etwas gegen Familien haben, schaffte es unlängst auch in die TV-Hauptnachrichten. Nicht ganz so intensiv wird hingegen über das Restaurant „Dal Barba“ in Villa Lagarina (zu deutsch „Lagertaldorf“) in der Provinz Trient, ebenfalls Norditalien, berichtet: Dort sind Kinder die Hauptpersonen. Kinder mit Behinderungen, um genau zu sein.


„Die Organisation des Restaurants ist sehr eigentümlich“, erklärt Rachele Gottardi von der Genossenschaft „La Ruota“, zu deutsch „Das Rad“. „Die Kinder machen dort alles – autistische Kinder, blinde Kinder, Kinder mit Down-Syndrom und vielen anderen Arten von Behinderung. Jeder sucht sich selbst seine Rolle aus, die, die am besten zu ihm passt. Der eine macht am liebsten den Cameriere, also den Kellner; andere sorgen gerne für den Abwasch, oder sie rühren den Teig an und kochen. Wir haben auch einen kleinen Lern-Bauernhof, da legen wir gerade einen Garten an, um eine Art Bauernladen aufzuziehen. Und außerdem denken wir darüber nach, ob wir uns nicht Bienen zulegen sollen, damit wir unseren eigenen Honig machen...“


1989 wurde „La Ruota“ gegründet. Das Ziel: Menschen mit Behinderungen, vor allem Kindern und ihren Familien, eine konkrete Hilfe geben. Indem sie selbst etwas machen können, Zutrauen zu sich selbst und anderen fassen dadurch. Vor ein paar Monaten konnte „La Ruota“ das Restaurant „Dal Barba“ übernehmen, jetzt arbeiten dort 25 Kinder und Jugendliche. Und natürlich sind ihnen auch Altersgenossen willkommen. Und Familien.


„Wir sehen, dass es wichtig ist, nicht nur ein barrierenfreies Restaurant zu haben, so dass also jemand im Rollstuhl problemlos herumfahren kann, sondern überhaupt ein Restaurant für alle. Auch Familien mit einem behinderten Kind können zu uns kommen, denn wir haben auch ein paar Fachkräfte, und seit neuestem gibt es innen im Restaurant auch einen Parcours für Blinde.“


Der Innenraum des Restaurants hat nichts Deprimierendes an sich: rote Fußbodenfliesen, lange Tischreihen, draußen ein Hof, ein kleines Gärtchen. An sieben Abenden in der Woche ist das „Barba“ geöffnet. Die Kinder kommen gerne, sie sind glücklich hier, sagt Rachele Gottardi. Sie decken die Tische, sie kochen und spülen, manche machen auch mal einen Abend lang Musik.


„Wir hoffen, dass wir den Kindern die Aussicht auf einen künftigen Arbeitsplatz geben. Wir sehen, dass die Sozialisierung das Entscheidende ist. Unsere Kinder merken, dass sie etwas tun können, dass sie etwas zu bieten haben. Dass man ihnen sagt: ‚Bravo, das hast du gut gemacht’, erhöht ihr Selbstbewusstsein.“


Frau Gottardi glaubt, dass das „Barba“ ein gutes Restaurant ist. Wobei sie ihre eigene Definition hat von „gut“: „Ein sehr gutes Restaurant – weil es alle Kinder ans Arbeiten bringt!“

(rv 05.03.2014 sk)








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