2014-03-04 14:46:08

Vatikansprecher: So habe ich die Wahl von Franziskus erlebt


Bis vor einem Jahr kannten sie sich nicht: der heutige Papst Franziskus und sein Sprecher Federico Lombardi. Dabei sind beide Jesuiten. In einem Interview mit der Nachrichtenagentur Zenit erzählte Pater Lombardi, wie er den Amtsverzicht Benedikts XVI. und die Wahl Bergoglios zum römischen Bischof erlebt hat. Lombardi leitet den Vatikanischen Pressesaal und Radio Vatikan. Hier lesen Sie Auszüge aus dem Gespräch in unserer eigenen Übersetzung.

Vor einem Jahr schien die Lage katastrophal: Skandale, ob echte oder erfundene, wurden von den Medien mit einer Aggressivität berichtet, die ihresgleichen suchte...

Lombardi: „Die Medien sind nicht immer imstande, bestimmte Sachlagen objektiv zu bewerten. Manchmal wurde eine emotionale Atmosphäre geschürt, in der nur die negativen Aspekte betont wurden. Rund um die Kirche wurde ein Klima des Negativen geschaffen. Ein Teil des Pontifikats von Benedikt XVI. ist von belastenden Angelegenheiten geprägt worden. Die Vorwürfe des sexuellen Missbrauchs durch Kleriker hat mehr als einen Schatten über die Kirche geworfen... Dann waren da die internen Fragen, die zu einem Nachrichtenleck geführt haben – und das verschärfte noch das negative Bild des Vatikans in überproportionaler Weise. Ich will die Irrtümer und falschen Dinge nicht leugnen, aber da wurde verallgemeinernd ein Schatten des Verdachts über die Institutionen und Personen, die mit absoluter Treue dem Papst und der Kirche gedient haben, geworfen...“

Mit welchen Gefühlen haben Sie die Nachricht gehört, dass es Paolo Gabriele war, der den Papst (in der „Vatileaks“-Affäre) verraten hatte?

Lombardi: „Paolo Gabriele ... hat auf schwerwiegende Weise das Vertrauen des Papstes verraten. Ich gebe über sein Benehmen keinerlei persönliches Urteil ab...“

In diesem Zeitraum haben die Medien den Vatikan scharf kritisiert und erklärt, er habe viele Kommunikationsfehler begangen. Was halten Sie von diesen Kritiken?

Lombardi: „Die Tatsache, dass Paolo Gabriele Hunderte von Dokumenten an einen Journalisten weitergegeben hat, hat nichts mit der Fähigkeit des Vatikans zur Kommunikation zu tun! Es gibt Probleme und Handlungen dieser Art, die keinerlei Kommunikation weniger schwerwiegend machen kann. Natürlich kann man sich immer verbessern, darum ist ja im Staatssekretariat die Figur eines Kommunikationsberaters in der Person von Greg Burke aufgetaucht... Mit Greg im Staatssekretariat bin ich ruhiger, und außerdem habe ich eine Person, die die amerikanischen Medien gut kennt.“

Für den 11. Februar 2013 hatte Papst Benedikt XVI. ein Konsistorium zusammengerufen. Keiner sah voraus, was dort geschehen würde. Wie haben Sie die Nachricht vom Amtsverzicht Benedikts XVI. erlebt?

Lombardi: „Ich wiederhole es oft, auch wenn es meine Gesprächspartner jedesmal wundert, dass das für mich gar nicht so eine erschütternde oder überraschende Sache war! Nicht weil man mir das etwa schon vor dem 11. Februar gesagt hätte, sondern weil man, wenn man Benedikt XVI. von nahem erlebte, sich klar darüber wurde, dass er über seine abnehmenden Kräfte am Nachdenken war. Es lag im Bereich des Möglichen, dass er zu dieser Entscheidung kommen würde... Ich habe diesen Moment mit einer gewissen Nüchternheit erlebt und versucht, die Motive für den Amtsverzicht gut zu erklären: Sie finden sich meiner Meinung nach alle auf dem Blatt, das Benedikt XVI. während des Konsistoriums verlesen hat.“

Ab 12.30 Uhr an diesem 11. Februar standen sie im Kreuzfeuer der Fragen von Hunderten von Journalisten aus aller Welt. Außerdem war das eine Situation ohne Präzedenzfall, neuartig. Wie haben Sie diese Lage gemeistert? ... Wer waren Ihre Ansprechpartner an der Kurie?

Lombardi: „Die meiste Arbeit in dieser Zeit bestand darin, ständig Quellen zu finden, um auf die Fragen, die die Journalisten mir stellten, antworten zu können. Bis zum 28. Februar gab es den Staatssekretär, dann hat Kardinal Tarcisio Bertone die Rolle des Camerlengo übernommen. Andere Gesprächspartner waren: der Dekan des Kardinalskollegiums, der Substitut des Staatssekretariats, der Sekretär des Governatorats, die Gendarmerie, die Präfektur des Päpstlichen Hauses... Oft musste ich den Journalisten sagen: Darauf kann ich jetzt nicht antworten, ich werde dir aber morgen antworten, und dann musste ich nach den richtigen Personen für die Antwort suchen...“

Wie bewerten Sie die Arbeit der Medien vor dem Konklave, die viele Kardinäle als „papabili“ unter die Lupe genommen haben?

Lombardi: „Im Vatikanischen Pressesaal treffe ich viele Journalisten mit unterschiedlichen Haltungen. Es gibt sehr ernsthafte, objektive Personen, die nach der Wahrheit suchen, dann gibt es auch welche voller Vorurteile und vielleicht mit einer kritischen und negativen Einstellung gegenüber der Kirche; einige von ihnen nutzen die Informationen, um die Kirche zu diskreditieren. Ich leiste allen gegenüber meinen Beitrag..., danach hat dann jeder Einzelne die Verantwortung für das, was er schreibt.“

Welchen Eindruck machte auf Sie die Wahl des einzigen Jesuiten im Konklave zum Papst? Kannten Sie ihn?

Lombardi: „Ich kannte ihn nicht. Das einzige Mal, bei dem ich die Gelegenheit hatte, ihn zu treffen, war die Generalkongregation der Jesuiten, bei der Hans-Peter Kolvenbach zum General gewählt wurde; er war damals argentinischer und ich war italienischer Vertreter. Aber wir haben damals noch nicht einmal miteinander gesprochen. Dann wurde Pater Bergoglio Bischof und nahm nicht mehr aktiv am Leben der Gesellschaft Jesu teil.“

Wie viel an der Art und Weise, wie sich Papst Franziskus verhält, ist charakteristisch für die Ausbildung und Tradition der Gesellschaft Jesu?

Lombardi: „Als Jesuit finde ich in Papst Franziskus die ganze Dimension des geistlichen Charakters und der Art, Dinge anzugehen, wie sie auch die Gemeinschaft auszeichnen. In den Santa-Marta-Predigten zum Beispiel, wo der Bezug auf das Evangelium immer an die direkte Umsetzung im Leben gekoppelt ist. Dieses Vorgehen erinnert mich sehr an die Geistlichen Exerzitien des heiligen Ignatius... Ein anderer charakteristischer Aspekt ist die Einfachheit der Lebensführung. Der Papst führt ein karges Leben ohne Äußerlichkeit und Triumphalismen, das finde ich als Jesuit sehr vertraut.“

Die Wahl von Franziskus hat die Sicht der Medien auf das Papsttum radikal verändert. Wo liegt das Geheimnis seiner Effizienz und Fähigkeit, mit den Menschen zu kommunizieren, was dann auch die Medien für ihn einnimmt?

Lombardi: „Es gab eine Änderung in der Sprache, die nicht nur die Worte betrifft, sondern auch die Gesten und die Verhaltensweisen. Papst Franziskus gelingt es, an das Herz der Menschen zu rühren und in gewisser Weise Distanz und Barrieren zu überwinden. Herzstück dieser neuen Sprache ist die Verkündigung der Liebe Gottes zu allen... während vorher in den Medien das Vorurteil verbreitet war, dass die Kirche immer nur Nein sagt und den Leuten nicht nahe wäre...“

Welche Art von Problem bedeutet es für Sie als Leiter des Vatikanischen Pressesaals, wenn ein Papst oft spontan redet ... und privat mit so vielen Leuten am Telefon redet?

Lombardi: „Das schafft ähnliche Probleme, wie sie auch die Gendarmerie hat, wenn der Papst im Kontakt zu den Leuten stehen will und einen kugelsicheren Wagen verweigert. Wir stehen im Dienst des Papstes, wir lernen seinen Stil, seine Art zu sein und zu kommunizieren. Ich muss verstehen, wie ich zu seiner Kommunikation beitragen kann...“

Was würden Sie den Journalisten raten, um die Kommunikation zu verbessern, vor allem was den Papst, die Kurie und die Kirche im allgemeinen betrifft?

Lombardi: „Das, was den Journalisten oft fehlt, ist, die Intention der Mission der Kirche und des Papstes zu begreifen. Oft werden Ereignisse anhand von Lesarten gedeutet, die nichts mit der Realität der Kirche zu tun haben, etwa politischen oder ökonomischen... Im Kampf der Kirche gegen Missbrauch zum Beispiel sehen viele nur eine Art und Weise, sich gegen Angriffe zu verteidigen. In Wirklichkeit handelt es sich dabei um einen Prozess, um Kohärenz mit dem Evangelium, innere Erneuerung, Reinigung zu finden.“

Viele Journalisten sehen auch die Kurienreform nur als eine Erneuerung politischer Natur...

Lombardi: „Dem Papst ist es gelungen, begreiflich zu machen, dass es die Kirche gibt, um den Menschen zu sagen: Ihr werdet geliebt. Von daher ist die Reform der Kurie etwas Zweitrangiges. Sie dient der Kirche, um die Botschaft des Evangeliums nicht nur im Vatikan, sondern in den Bistümern und an der Peripherie besser zu verkündigen. Die zentralen Strukturen existieren nicht, um (andere) zu beherrschen, sondern um zu dienen und zu helfen. Darauf zielt die Reform.“

(rv/zenit 04.03.2014 sk)








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