Papstansprache beim Konsistorium: Gehen, aufbauen, bekennen
Die Ansprache von Papst Franziskus bei der Feier der Kardinalserhebung
„Jesus
ging voraus“ (Mk 10,32).
Auch in diesem Moment geht Jesus uns voraus. Er ist
immer vor uns. Er geht vor uns her und bahnt uns den Weg… Und das ist unsere Zuversicht
und unsere Freude: seine Jünger zu sein, bei ihm zu sein, ihm nachzugehen, ihm zu
folgen…
Als wir gemeinsam die erste heilige Messe in der Sixtinischen Kapelle
gefeiert haben, war „gehen“ das erste Wort, das der Herr uns vorgelegt hat: gehen
und dann aufbauen und bekennen.
Heute kehrt dieses Wort wieder, aber als eine
Geste, als das Handeln Jesu, das fortdauert: »Jesus ging…«. Das beeindruckt uns in
den Evangelien: Jesus wandert viel umher, und während des Weges unterweist er die
Seinen. Das ist wichtig. Jesus ist nicht gekommen, um eine Philosophie, eine Ideologie
zu lehren… sondern einen „Weg“ – einen Weg, der gemeinsam mit ihm zurückzulegen ist,
und diesen Weg erlernt man, indem man ihn beschreitet, im Gehen. Ja, liebe Mitbrüder,
das ist unsere Freude: mit Jesus zu gehen.
Doch das ist nicht einfach, ist
nicht bequem, denn der Weg, den Jesus wählt, ist der des Kreuzes. Während sie unterwegs
sind, spricht er zu seinen Jüngern über das, was mit ihm in Jerusalem geschehen wird:
Er kündigt sein Leiden, Sterben und seine Auferstehung an. Und sie sind »verwundert«
und »haben Angst«. Verwundert, sicher, denn für sie bedeutete nach Jerusalem hinaufzugehen,
am Triumph des Messias, an seinem Sieg teilzuhaben – das wird dann aus der Bitte von
Jakobus und Johannes ersichtlich. Und Angst überkommt sie vor dem, was Jesus wird
erleiden müssen und was auch sie zu leiden riskieren.
Im Unterschied zu den
Jüngern von damals wissen wir, dass Jesus gesiegt hat, und wir dürften vor dem Kreuz
keine Angst haben, im Gegenteil, im Kreuz liegt unsere Hoffnung. Und doch bleiben
auch wir immer noch im Menschlichen verhaftet, sind Sünder und der Versuchung ausgesetzt,
wie die Menschen und nicht wie Gott zu denken.
Und wenn man weltlich denkt,
was ist dann die Folge? Das Evangelium sagt: »Die zehn anderen Jünger … wurden sehr
ärgerlich über Jakobus und Johannes« (V. 41). Sie wurden sehr ärgerlich. Wenn die
Mentalität der Welt vorherrscht, kommen Rivalitäten, Neid und Parteiungen auf…
So
ist dieses Wort, das der Herr heute an uns richtet, sehr heilsam! Es reinigt uns innerlich,
wirft Licht in unser Gewissen und hilft uns, uns völlig in Einklang mit Jesus zu bringen
und dies gemeinsam zu tun – in dem Moment, in dem sich das Kardinalskollegium mit
der Aufnahme neuer Mitglieder vergrößert.
»Da rief Jesus sie zu sich« (Mk 10,42).
Das ist die andere Geste Jesu. Auf dem Weg bemerkt er, dass es nötig ist, mit den
Zwölfen zu reden; er hält an und ruft sie zu sich. Brüder, lassen wir zu, dass Jesus,
der Herr, uns zu sich ruft! Lassen wir uns von ihm zusammen-rufen. Und hören wir auf
ihn, in der Freude, gemeinsam sein Wort aufzunehmen, uns von diesem Wort und vom Heiligen
Geist belehren zu lassen, um in der Nähe des Herrn immer mehr ein Herz und eine Seele
zu werden.
Und während wir so zusammengerufen, von unserem einzigen Meister
„zu sich gerufen“ sind, sage auch ich euch, was die Kirche braucht: Sie braucht euch,
eure Mitarbeit und vor allem eure Gemeinschaft – Gemeinschaft mit mir und untereinander.
Die Kirche braucht euren Mut, das Evangelium bei jeder Gelegenheit zu verkünden –
gelegen oder ungelegen – und um Zeugnis für die Wahrheit zu geben. Die Kirche braucht
euer Gebet, für den guten Weg der Herde Christi – das Gebet (vergessen wir das nicht),
das zusammen mit der Verkündigung des Wortes die erste Aufgabe des Bischofs ist. Die
Kirche braucht eure Anteilnahme, vor allem in diesem Moment des Schmerzes und des
Leidens in so vielen Ländern der Erde. Wir wollen unsere geistliche Nähe zu den kirchlichen
Gemeinschaften und zu allen Christen, die unter Diskriminierung und Verfolgung leiden,
zum Ausdruck bringen. Wir müssen kämpfen gegen jede Diskrimination! Die Kirche braucht
unser Gebet für sie, damit sie stark im Glauben sind und auf Böses mit Gutem zu reagieren
wissen. Und dieses unser Gebet weitet sich aus auf jeden Menschen, der aufgrund seiner
religiösen Überzeugungen Unrecht erleidet.
Die Kirche braucht uns auch, damit
wir Männer des Friedens sind und Frieden stiften mit unseren Werken, unseren Wünschen,
unseren Gebeten: den Frieden stiften! Deshalb erflehen wir den Frieden und die Versöhnung
für die Völker, die in diesen Zeiten von Gewalt, vom Ausschluß und von Krieg heimgesucht
sind.
Danke, liebe Mitbrüder! Danke! Gehen wir gemeinsam dem Herrn nach und
lassen wir uns immer mehr von ihm zusammenrufen, mitten im gläubigen, heiligen Volk,
in der heiligen Mutter Kirche. Danke.