Aus Protest gegen die Schüsse auf Demonstranten stellt eine der größten Kirchen der
Ukraine die Fürbitten für die Regierung in ihren Gottesdiensten ein. Wie das ukrainisch-orthodoxe
Kirche des Kiewer Patriarchats am Donnerstagabend mitteilte, wird ab sofort stattdessen
für das Volk gebetet. Der Heilige Synod, dem Patriarch Filaret und zehn Bischöfe angehören,
begründete dies damit, dass die Regierung Aufrufe der Kirchen missachtet habe, keine
Menschen zu töten oder gegen sie Gewalt anzuwenden. Bislang gab es zu Beginn jedes
Gottesdienstes eine Fürbitte „für unsere gottbehütete Ukraine, unsere Regierung und
das Heer“. Nun wird für „unsere gottbehütete Ukraine und das ukrainische Volk“ gebetet.
Im
Unterschied zur westlichen Trennung von Staat und Kirche sieht die orthodoxe Theologie
das Verhältnis beider Größen als gegenseitige Stützung von weltlicher und geistlicher
Macht, die sogenannte „Symphonia“. Ein Verzicht auf Fürbitten für die Regierenden
ist demnach eine gewichtige politische Aussage. In der Ukraine gibt es drei orthodoxe
Kirchen, und zwar eine des Kiewer, eine des Moskauer Patriarchats sowie eine autokephale
orthodoxe Kirche. Die Kirche des Moskauer Patriarchats hat allerdings deutlich mehr
Pfarreien.
Auch die Konferenz Europäischer Kirchen, kurz Kek, ist „ernstlich
besorgt“ über die Eskalation in Kiew. Sie ruft alle ihre Mitgliedskirchen zum Gebet
auf, „damit alle Seiten in der Ukraine zum rechten Maß zurückfinden“, und „verurteilt
scharf alle Tötungen“. Der Kek gehören 115 orthodoxe, protestantische und anglikanische
Kirchen aus allen Teilen Europas an.
Bei der Gewalt auf dem Unabhängigkeitsplatz
von Kiew am Donnerstag ist auch ein Professor der Katholischen Universität der Ukraine
ums Leben gekommen. Der 28-Jährige unterrichtete Neuere Geschichte der Ukraine. Die
Universität wirft dem Staatspräsidenten vor, „zweifellos persönlich für die derzeitige
Eskalation verantwortlich“ zu sein.