Fast sah es an diesem
Donnerstagmorgen so aus, wie letztes Jahr vor dem Konklave: Kardinäle unter Regenschirmen,
die über den Petersplatz Richtung Audienzhalle gehen. Papst Franziskus hatte zu einem
„Außerordentlichen Konsistorium“ geladen, um mit den Kardinälen über das Thema Ehe
und Familie zu beraten. Zu diesem Thema hat der Vatikan kürzlich eine Umfrage unter
Katholiken in aller Welt durchgeführt, und ihm gilt auch eine Bischofssynode, die
im Herbst im Vatikan stattfinden soll. Eine neue Ehe- und Familienseelsorge anzustoßen,
gehört zu den Prioritäten von Papst Franziskus.
Donnerstag, 8.30 Uhr: Mit
einem gemeinsamen Stundengebet beginnt der erste Studientag für Franziskus und seinen
Senat. „Das Schicksal des Menschengeschlechts hängt von der Familie ab.“ Dieses Zitat
von Papst Johannes Paul II. verwendet Kardinal Angelo Sodano in einer kurzen Begrüßungsansprache;
Sodano ist Dekan des Kardinalskollegiums, eine Art Erster unter Gleichen.
„Die
Hirten der Kirche versichern Ihnen, Heiliger Vater: Es wird Ihnen bei dieser wichtigen
Herausforderung nicht an ihrer Unterstützung fehlen. Die Herren Kardinäle wollen mit
einem Blick des Glaubens und der Hoffnung diesen komplexen Moment der menschlichen
Geschichte analysieren.“
„Liebe Brüder, herzlich grüße ich euch“, sagt
dann der Papst – und heißt vor allem die fast zwanzig Kirchenmänner aus zwölf Ländern
willkommen, die er an diesem Samstag feierlich zu Kardinälen erheben wird. Sie dürfen
jetzt schon mitmachen bei den Beratungen des Konsistoriums. Insgesamt sind nach einer
Schätzung von Papstsprecher Federico Lombardi etwa 150 Kardinäle in der Aula.
„In
diesen Tagen werden wir vor allem über die Familie, die Grundzelle der menschlichen
Gesellschaft, nachdenken. Von Anfang an hat der Schöpfer seinen Segen auf Mann und
Frau gelegt, damit sie fruchtbar sind und sich auf der Erde vermehren; so stellt sich
die Familie in der Welt wie der Spiegel des dreieinen Gottes dar.“
Von
der „Schönheit der Familie und der Ehe“ spricht der Papst, fast mit einem Ratzinger`schen
Zungenschlag, von einer „so einfachen und zugleich so reichen menschlichen Wirklichkeit“.
„Wir werden die Theologie der Familie zu vertiefen suchen und die Seelsorge,
die wir in der gegenwärtigen Lage zum Einsatz bringen müssen. Tun wir es mit Tiefe
und ohne in eine ,Kasuistik´ zu fallen, denn dies würde unausweichlich das Niveau
unserer Arbeit sinken lassen.“
Die Familie werde „heute gering geschätzt,
schlecht behandelt“, fährt Franziskus fort. Es sei „an der Zeit zu erkennen, wie schön,
wahr und gut es ist, eine Familie zu bilden, heute eine Familie zu sein“; und „wie
unentbehrlich es ist für das Leben der Welt, für die Zukunft der Menschheit“.
„Es
wird von uns verlangt, den leuchtenden Plan Gottes zur Familie hervorzuheben und den
Eheleuten zu helfen, ihn mit Freude in ihrem Leben umzusetzen, indem wir sie in vielen
Schwierigkeiten begleiten.“
Einen „schönen Studien-Tag“ wünscht Papst Franziskus
noch – dann schließen sich die Türen der Synodenaula im ersten Stock der vatikanischen
Audienzhalle, da wo auch die vatikanischen Bischofssynoden stattfinden. Kardinal Walter
Kasper, der frühere Ökumene-Verantwortliche des Vatikans, hält zunächst ein zweistündiges
Grundsatzreferat zum Thema „Das Evangelium von der Familie“. „Wir müssen einen positiven
Ausgangspunkt finden“, rät Kasper, „wir müssen das Evangelium von der Familie in seiner
ganzen Schönheit wiederentdecken und verkünden.“ Es gehe darum, die Familie „von neuem
als eine Hauskirche“ und „als privilegierten Ort der Neuevangelisierung zu verstehen“;
sie sei allerdings auch ein „Prüfstein für die Seelsorge“. Damit meint Kasper wohl
auch die dornige Frage der wiederverheiraten Geschiedenen. Diese Frage ist, wie Lombardi
später vor Journalisten ausführt, „sehr präsent“ und werde „ausführlich und differenziert
behandelt“. Der Vatikansprecher beschreibt einen Spagat: Treue zur kirchlichen Lehre
einerseits, Barmherzigkeit andererseits. Es gelte, über „Rigorismus und Laxismus hinauszugehen“.
Zwei
Wortmeldungen folgen in der Synodenaula, dann kommt um 12.30 Uhr die Pause, sie dauert
bis 16.30 Uhr; Schluss ist am Donnerstag Abend um 19 Uhr. Am Freitag geht es mit einem
zweiten Studientag weiter, am Samstag findet dann die feierliche Schaffung neuer Kardinäle
statt.