2014-02-14 09:53:59

Österreich/Belgien: Scharfe Kritik an Euthanasie für Kinder


Belgiens Abgeordnetenkammer hat am Donnerstag über die gesetzliche Freigabe von aktiver Sterbehilfe für Minderjährige abgestimmt. 86 der Abgeordneten stimmten für, 44 gegen die Vorlage, 12 Abgeordnete enthielten sich. Beobachter rechneten angesichts der Mehrheitsverhältnisse seit langem mit einer Zustimmung. Der Senat hatte das Vorhaben bereits Ende 2013 gebilligt; der Justizausschuss der Kammer schloss sich an. Belgien ist weltweit das erste Land, das für aktive Sterbehilfe keine Altersgrenze mehr vorgibt. In den Niederlanden ist bislang Tötung auf Verlangen für über 12-Jährige sowie für unheilbar kranke Neugeborene erlaubt. Die katholische Kirche hatte sich mehrfach gegen das Gesetz ausgesprochen. Lesen Sie hier eine Zusammenfassung zum Thema von kathpress.

Heftige Kritik durch katholische Kirche

Die belgischen Bischöfe warnten vor der Abstimmung erneut vor einer Banalisierung des Todes. Der Fall eines sterbewilligen Minderjährigen könnte als „normal“ erscheinen, sobald eine bestimmte Krankheit oder Behinderung erst einmal allgemein als „unannehmbar“ gelte. Bischofskonferenzen mehrerer EU-Länder, darunter die österreichische, warnten in den vergangenen Monaten mehrfach vor allen Formen aktiver Sterbehilfe - nicht zuletzt im Blick auf Belgien.

Österreichs Referatsbischof für Familien- und Lebensschutz-Fragen Klaus Küng sagte am Donnerstagabend, die Abstimmung in Brüssel sei ein unheilvolles Signal für Europa. „Heute ist ein Tag, an dem man nur tieftraurig sein kann“, so Küng wörtlich: „Belgien hat mit großer Mehrheit der Parlamentarier und unter Zustimmung der Bevölkerung ein Gesetz beschlossen, das Euthanasie für Kinder zulässt. Und zwar nicht 'über 12 Jahren' wie in Holland, sondern sogar 'unter 18 Jahren'. Und das trotz zahlloser warnender Stimmen aus dem In- und Ausland, nicht zuletzt des Europarates. Leider wird dieses Gesetz den Druck auf leidende Kinder, ihre Eltern und die Ärzte erhöhen, sich für den Tod zu entscheiden. Und der belgische Schritt wird unheilvolle Signalwirkung für Europa und die Welt haben. Ich kann nur mit Kardinal König wiederholen: ein Mensch, schon gar ein Kind, kann an der Hand, aber niemals, niemals durch die Hand eines anderen Menschen sterben.“

Die Abstimmung kann als direkte Folge des 2002 verabschiedeten Gesetzes gesehen werden. Damals beschloss die belgische Abgeordnetenkammer das „Gesetz zur Euthanasie“ für Volljährige. Demnach muss ein unheilbar kranker Patient im Vollbesitz seiner geistigen Kräfte den Wunsch zu sterben „freiwillig, überlegt und wiederholt“ geäußert haben. Zudem darf keine Hoffnung auf Linderung bestehen, und die Krankheit muss ein Weiterleben für den Kranken „körperlich oder psychisch unerträglich“ machen.

Mit der Ausweitung des Gesetzes können künftig auch Minderjährige unter diesen Umständen aktive Sterbehilfe erhalten. Der Wunsch des Kindes muss durch mehrere Experten bestätigt werden; die Eltern müssen die Entscheidung bewilligen.

Der Vorsitzende der Belgischen Bischofskonferenz, Erzbischof Andre-Joseph Leonard, kritisierte zuletzt, die geplante Gesetzeserweiterung untergrabe die „lebenswichtige Solidarität von allen Bürgern mit leidenden Menschen“. Es sei nicht nachvollziehbar, dass Minderjährige aus zivilrechtlichen Gründen weder heiraten noch ein Haus kaufen könnten, ihnen aber bei einer Entscheidung über Leben oder Tod ein entsprechendes Urteilsvermögen zugetraut werde.

Statt aktive Sterbehilfe zu erweitern, solle die Gesellschaft überlegen, wie Schwerkranke durch das öffentliche Gesundheitswesen besser aufgefangen werden könnten. Leonard hatte die Belgier für vergangenen Donnerstag zu einem Gebets- und Fastentag gegen das Gesetz aufgerufen.

Auch der Europarat sprach sich gegen Sterbehilfe für Minderjährige aus. Die Meinung, ein Leben könne lebensunwürdig werden, rüttele am Fundament jeder zivilisierten Gesellschaft, so die Begründung. Es sei ein Irrtum zu glauben, dass auch ein Kind mit klarem Bewusstsein seine Zustimmung zu Sterbehilfe geben und die komplexen Folgen einer derartigen Entscheidung verstehen könne.

Immer mehr problematische Anwendungsfälle

2012 wurde in Belgien mit 1.432 Menschen, die aktive Sterbehilfe in Anspruch nahmen, ein Rekordstand erreicht. Diese machten rund zwei Prozent aller gemeldeten Todesfälle aus. Auch in den Niederlanden zeigt die Statistik eine klare Richtung: Die Zahl der Fälle ist von 2011 bis 2012 um 13 Prozent auf 4.188 gestiegen, berichtete die zuständige Kommission.

Schlagzeilen machte Belgien, weil dort auch Menschen Tötung auf Verlangen in Anspruch nahmen, die nicht todkrank waren. So erhielt im Oktober ein transsexueller Mann Sterbehilfe, weil er mit seiner Geschlechtsumwandlung unglücklich war. Zur Jahreswende sorgte der Tod eines 45-jährigen Zwillingspärchens für heftige Diskussionen. Die beiden von Geburt an tauben Männer drohten allmählich zu erblinden. Auf Wunsch der Brüder leisteten Ärzte Sterbehilfe, obwohl die Zwillinge nicht an einer tödlichen Krankheit litten.

Ethisch problematisch zeigt sich auch die Vermischung von Euthanasie und Organspende. 2012 wurde bekannt, dass in Belgien seit 2005 neun nach Sterbehilfe verstorbenen Patienten Organe entnommen worden. Debattiert wurde, ob diese Spenden wirklich freiwillig erfolgten. Eine systematische Information der sterbewilligen Patienten über Organspende gebe es nicht, um keinen emotionalen Druck zu erzeugen, zitieren Zeitungen den Antwerpener Transplantationsmediziner Dirk Ysebaert.

Umstritten ist auch der Umgang mit Demenzkranken und ihrer Entscheidungsfähigkeit. Für Debatten sorgte etwa 2011 die Sterbehilfe für eine schwer demenzkranke Frau - ohne dass sie ihren vor Jahren formulierten Wunsch noch einmal klar zum Ausdruck bringen konnte. Nach Meinung der belgischen Bischöfe droht hier ein Dammbruch. Bei Demenzkranken und behinderten Kindern könnte es „soweit kommen, dass die Euthanasie ganz einfach die allgemeingültige Lösung würde - aus Mitleid“, warnen sie.

(kap 14.02.2014 pr)








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