2014-02-10 15:29:29

Schweiz: „Mehrheit hat nicht gegen Migranten gestimmt“


RealAudioMP3 „Land des Geldes, Land der Angst“, so titelten einige Medien die Schweizer Abstimmung zur sogenannten Masseneinwanderungsinitiative. Das Resultat war jedoch sehr knapp – mit 50,3 Prozent nahmen die Schweizer Bürger die Initiative am Sonntag an. Das sorgt nicht nur im Ausland für Aufsehen. Selbst für etliche Schweizer ist die Annahme der Masseneinwanderungsinitiative ein Schock. Das sagt im Interview mit Radio Vatikan Marianne Hochuli von Caritas Schweiz. Die Migrationsexpertin ist Leiterin des „Grundlagenbereichs“ bei der Schweizer Caritas. Schaut man sich das Ergebnis an, so sieht es so aus, als ob eine Mehrheit der Schweizer „fremdenfeindlich“ sei. Die sei aber nicht der Fall, so Hochuli. Das Interview führte Mario Galgano.

„Ich habe mich natürlich herumgehört: viele Ja-Stimmen sind nicht gegen Migrantinnen und Migranten gerichtet. Vielmehr ging es vielen darum, ein kritisches Zeichen zu setzen gegenüber dem ungeheuren wirtschaftlichen Wachstum. Viele sprechen sogar von einem ,ungesunden´ Wachstum, der nicht nachhaltig ist. Deshalb war dieses Ja auch ein Zeichen gegenüber Wirtschaftsvertretern. Da sind ganz viele unterschiedliche Stimmlagen sind zusammengekommen. Viele, die jetzt Ja gestimmt haben, sind erstaunt, dass die Initiative durchgekommen ist. Wahrscheinlich sind sie sogar sehr erschrocken darüber.“

Frau Hochuli, was bedeutet denn aus Caritas-Sicht diese Abstimmung?

„Diese Abstimmung ist wirklich ein Affront und zwar einerseits gegenüber den Migranten in der Schweiz und andererseits auch gegenüber allen Schweizerinnen und Schweizern, die sich für eine weltoffene Schweiz stark machen und sich dementsprechend engagieren. Wir denken, dass es ganz falsche Antworten sind, auf Probleme die es so gar nicht gibt, aber wie die Initiative besagen wollte.“

Aus christlicher Sicht – und natürlich auch aus katholischer Sicht – gibt es ja keine Nationalitäten. Auch Caritas Schweiz ist nicht an Nationalitäten gebunden. Wie erklären Sie sich, dass es in der Schweiz so viel Angst gegenüber Ausländern gibt?

„Ich bin nicht so ganz sicher, ob es wirklich eine solche Angst überhaupt gibt. Wenn wir genauer hinschauen, so sehen wir, dass die Zustimmung für diese Initiative ist dort am höchsten, wo es praktisch keine Ausländer gibt. In der Stadt Zürich mit 40 Prozent Ausländer-Anteil wurde diese Initiative ganz klar verworfen. Die Angst gegen Ausländer ist eine herbeigesprochene Tatsache. Was man sagen kann: seit der möglichen Personenfreizügigkeit (mit der EU, Anmerk. d. Red.) ist es so, dass es deutlicher geworden, wie Migranten unter uns leben. Sie werden stärker wahrgenommen als früher. Denn früher hatten wir Gastarbeiter geholt, die dann irgendwo hier gearbeitet haben. Nun sind Ausländer da und sind so sehr präsent im Alltag.
Eine wichtige Rolle spielen sicherlich auch die Medien: es wurde in letzter Zeit enorm viel über den sogenannten Armutstourismus berichtet. Dieser findet allerdings gar nicht statt. Wir haben schon Zahlen und die zeigen, dass es sich um ein Randphänomen handelt.“

Flüchtlinge und hilfesuchende Ausländer: wie erklären Sie sich diese Abstimmung?

„Die direkten Stimmen und Reaktionen habe ich noch nicht gehört. Uns sitzt der Schock noch sehr tief. Es ist eine Vielfalt unter den Ausländern festzustellen. Das gilt auch unter den Schweizern. Je näher, dass man zusammenlebt, desto größer ist auch das Verständnis. Wir von Caritas Schweiz erleben jedoch, dass es durchaus konkrete Diskriminierungen gegenüber Ausländern gibt. Beispielsweise ist es für Flüchtlinge in der Schweiz sehr schwierig eine Wohnung zu finden. Wir machen da Begleitungen und sehen das aus erster Hand. Eine weitere Schwierigkeit ist für viele Migranten die Suche nach einer Lehrstelle. Da versuchen wir auch einerseits mit Begleit- und Unterstützungsmaßnahmen sowie mit Informationstätigkeit und viele Integrationsmöglichkeiten anzubieten.“

(rv 10.02.2014 mg)







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