Das vor zehn Jahren eingeführte Verbot religiöser Symbole an Frankreichs Schulen hat
eine anti-muslimische Haltung im Land verstärkt. Das erklärte die französisch-kanadische
Soziologin Valérie Amiraux am Montag im Interview der Presseagentur kipa. Das Gesetz
vermittele durch das Gebot, seine Religion nur privat auszuüben, die Idee, dass man
nicht guter Bürger und gläubig zugleich sein könne. Das sei „nicht nur unverhältnismäßig,
sondern auch irreführend“. Zudem drehe sich die Debatte hauptsächlich um Muslime und
andere religiöse Minderheiten, so Amiraux. Selten sei die Rede von Kippas oder christlichen
Kreuzen. Insofern sei das Problem nicht allein das Gesetz, sondern auch die öffentliche
Debatte. „Selbst wenn wir das Gesetz ändern: Die Diskriminierung und feindliche Haltung
gegenüber Muslimen hört damit ja nicht sofort auf“, so die Soziologin.
Vor
dem Gesetz von 2004 sei Laizismus in Frankreich ein Prinzip gewesen, Politik und öffentliches
Leben zu organisieren, sagte Amiraux. Danach jedoch habe man einem Laizismus als „nationalem
Wert“ ein rechtliches Fundament gegeben: „Seit der Gesetzgebung haben wir in Frankreich
mehr und mehr die Annahme, dass sich Religion und Vernunft ausschlössen.“ Frankreich
ist verfassungsrechtlich eine laizistische Republik; Kirche und Staat werden streng
getrennt. Die Trennung wurde 1905 per Gesetz festgehalten. Am 10. Februar 2004 beschloss
das französische Parlament zusätzlich ein Verbot religiöser Symbole an Schulen. 2010
wurde das Tragen des muslimischen Ganzkörperschleiers in öffentlichen Einrichtungen
verboten.