Sie wollen grundlegende
Dinge wie Arbeit und haben die Nase voll von der Korruption – wütende Bürger gehen
in Bosnien-Herzegowina seit Tagen auf die Straße und schrecken offenbar auch vor drastischen
Aktionen nicht zurück. In mehreren Städten kam es zu Ausschreitungen mit zahlreichen
Verletzten, in der Hauptsadt Sarajewo setzten Demonstranten das Präsidentschaftsgebäude
in Brand. Seit dem Krieg vor knapp zwanzig Jahren hat es in dem Balkan-Staat nicht
mehr so schwere Unruhen gegeben. Azra Ibrahimovic von der Nichtregierungsorganisation
Cesvi hat sich unter die Demonstranten gemischt. Radio Vatikan erreichte sie an diesem
Samstag.
„Die Proteste sind von Leuten organisiert, die es einfach nicht
mehr schaffen, zu überleben. Die sozialen und wirtschaftlichen Bedingungen haben sie
zu diesem verzweifelten Schritt getrieben – auf die Straßen zu gehen und gegen das
Elend zu demonstrieren. Die wirtschaftliche Situation wird immer schlechter und verursacht
große soziale Not. Der Großteil der Leute auf den Straßen sind Arbeiter, denen grundlegende
Rechte vorenthalten werden: das Recht auf Arbeit, Gehalt, eine Krankenversicherung,
eine Rentenversicherung – alles Dinge, die die Familien brauchen.“
Die
Sozialproteste haben sich laut Presseberichten auf acht Städte im Land ausgeweitet,
von rund 6.000 Demonstranten ist die Rede. Die Arbeitslosigkeit in Bosnien-Herzegowina
liegt derzeit bei 46 Prozent, viele Unternehmen und traditionelle Arbeitgeber drohen
pleite zu machen, auch aufgrund ungeregelter Privatisierungen. Zwanzig Prozent der
Bürger sollen inzwischen unterhalb der Armutsgrenze leben. Da vergessen viele Menschen
schon mal die Ressentiments der Vergangenheit, so scheint es:
„Das
ist für alle Bosniaken gleich – Rechte, die nicht gewährt werden, Arbeitslosigkeit
– ob Serbe, Kroate oder Bosnier, alle befinden sich da in derselben Situation. Diese
Probleme haben uns neu vereint. Ich habe bei den Protesten gesehen, dass da gemeinsam
serbische, bosnische und kroatische Fahnen getragen wurden. Die waren alle aneinandergeknüpft
und da stand drauf: ,Darin sind wir alle gleich‘. In der Tat haben die Proteste ja
auch auf Banja Luka und fast das ganze Land übergegriffen.“
Banja Luka
liegt in der serbisch-bosnischen Republik. Die kroatisch-bosnische Regierung hat die
Demonstranten nach einer Krisensitzung zu Verhandlungen aufgefordert. Einige regionale
Regierungsvertreter hätten bereits ihren Rücktritt angekündigt, so Azra Ibrahimovic
im Interview mit Radio Vatikan.