2014-02-05 09:48:27

D: Menschen beim Sterben nicht alleine lassen


RealAudioMP3 Es ist wichtig, Menschen beim Sterben nicht alleine zu lassen. Das hat der Freiburger Moraltheologe Eberhard Schockenhoff im Zusammenhang mit der aktuellen Debatte über Sterbehilfe betont. Schockenhoff gehört dem Deutschen Ethikrat an. Im Gespräch mit dem Erzbistum Freiburg gab der Theologe zu bedenken, dass Umfragen kein geeignetes Mittel seien, um eine parlamentarische Mehrheit in der Diskussion zur Sterbehilfe zu ersetzen.

„Das sind immer auch Ergebnisse, die in Abhängigkeit von den Fragestellungen erzielt werden. Aber richtig ist, dass es in der Bevölkerung sicherlich eine Mehrheit gäbe, die die ärztliche Suizidbeihilfe befürworten würde und wohl auch die aktive Tötung auf Verlangen.“

Schockenhoff wendet jedoch ein, dass die Tötung auf Verlangen die Autonomie und Freiheit der Sterbenden nicht stärken würde. Im Gegenteil würden die Sterbenden so neuen Zwängen unterworfen. Ältere und Kranke, die das Gefühl haben, anderen zur Last zu fallen, könnten sich nämlich dann fragen, ob nicht die Angehörigen insgeheim darauf warten, dass sie einen Sterbewunsch äußern.

„Dass man unter den Zwang gestellt wird, das eigene Dasein rechtfertigen zu müssen, ist etwas, was die Sterbenden weiter einschränkt, ihre Angst vermehrt und ihre Autonomie aufhebt. Das dürfen wir nicht tun: Eine Gesellschaft, die von ihrer Rechtsordnung her auf den unbedingten Respekt vor dem Leben eines jeden einzelnen Bürgers und einer jeden einzelnen Bürgerin gegründet ist, die darf die Sterbenden solchen Zwängen nicht aussetzen.“

Schockenhoff verweist auf die Erfahrung in Ländern, die per Gesetz die Tötung auf Verlangen unter zunächst engen Bedingungen erlaubt haben. Spätere Überarbeitungen hätten in solchen Fällen immer auf eine weitere Liberalisierung gezielt, gibt der Theologe zu bedenken. Beispiel Niederlande: Dort gibt es heute nicht nur die Tötung auf Verlangen des Betreffenden, sondern inzwischen auch ohne seine Einwilligung. Familienangehörige einigen sich einfach mit dem betreuenden Arzt darauf, dass „medizinische lebensbeendende Maßnahmen“ ergriffen werden, wie es dann euphemistisch heißt. In Deutschland ist man davon aber bisher noch weit entfernt:

„Die Politik hat sich bislang in Deutschland hier sehr verantwortlich gezeigt und hat an diesem Konsens festgehalten, den man so umschreiben kann: Die Zulassung der Tötung auf Verlangen ist der falsche Weg. Wir wollen durch den Aufbau von palliativmedizinischen Zentren, der palliativmedizinischen Versorgung flächendeckend in anderer Weise helfen. Die moderne Palliativmedizin kann heute in 90 Prozent aller Fälle mit ihren Standardmethoden Patienten so versorgen, dass sie nicht an andauernden unerträglichen Schmerzzuständen leiden.“

Für die restlichen zehn Prozent der Fälle gebe es außergewöhnliche Behandlungsmethoden, erklärt der Moraltheologe. Seiner Meinung nach haben heute aufgrund eines aktiven Lebensideals viele Menschen Angst vor dem Sterben oder davor, zu einem „Pflegefall“ zu werden. Dort muss man ansetzen, fordert Schockenhoff:

„Dass man Sterbende nicht alleine lässt, sondern ihnen durch mitmenschliche Solidarität nahe bleibt. Wenn Menschen davon sicher ausgehen können, dass ihnen Familie, Ärzte und Hospizbewegungen im Sterben mit medizinischem Können und menschlicher Solidarität beistehen, dann denke ich, ist die Angst vor dem künftigen Sterben müssen und der Phase vor dem Tod, leichter zu ertragen.“

Der Moraltheologe hofft, dass der bisherige Konsens in der deutschen Politik aufrecht erhalten bleibt. Sollte das Thema Sterbehilfe zur Abstimmung freigegeben werden, wünscht er sich, dass die Position zugunsten des Lebens die Oberhand behalten kann.

„Das ist nicht eine rigide Position, die Menschen am menschenwürdigen Sterben hindert, sondern im Gegenteil eine Position, die das Auseinanderfallen der Gesellschaft verhindert und die Solidarität und Fürsorge und auch medizinische Versorgung auch noch angesichts des Sterbens weiterhin jedem verlässlich in Aussicht stellt.“

(nicole stroth/erzbistum freiburg 03.02.2014 sta)








All the contents on this site are copyrighted ©.