Es ist wichtig, Menschen
beim Sterben nicht alleine zu lassen. Das hat der Freiburger Moraltheologe Eberhard
Schockenhoff im Zusammenhang mit der aktuellen Debatte über Sterbehilfe betont. Schockenhoff
gehört dem Deutschen Ethikrat an. Im Gespräch mit dem Erzbistum Freiburg gab der Theologe
zu bedenken, dass Umfragen kein geeignetes Mittel seien, um eine parlamentarische
Mehrheit in der Diskussion zur Sterbehilfe zu ersetzen.
„Das sind immer
auch Ergebnisse, die in Abhängigkeit von den Fragestellungen erzielt werden. Aber
richtig ist, dass es in der Bevölkerung sicherlich eine Mehrheit gäbe, die die ärztliche
Suizidbeihilfe befürworten würde und wohl auch die aktive Tötung auf Verlangen.“
Schockenhoff
wendet jedoch ein, dass die Tötung auf Verlangen die Autonomie und Freiheit der Sterbenden
nicht stärken würde. Im Gegenteil würden die Sterbenden so neuen Zwängen unterworfen.
Ältere und Kranke, die das Gefühl haben, anderen zur Last zu fallen, könnten sich
nämlich dann fragen, ob nicht die Angehörigen insgeheim darauf warten, dass sie einen
Sterbewunsch äußern.
„Dass man unter den Zwang gestellt wird, das eigene
Dasein rechtfertigen zu müssen, ist etwas, was die Sterbenden weiter einschränkt,
ihre Angst vermehrt und ihre Autonomie aufhebt. Das dürfen wir nicht tun: Eine Gesellschaft,
die von ihrer Rechtsordnung her auf den unbedingten Respekt vor dem Leben eines jeden
einzelnen Bürgers und einer jeden einzelnen Bürgerin gegründet ist, die darf die Sterbenden
solchen Zwängen nicht aussetzen.“
Schockenhoff verweist auf die Erfahrung
in Ländern, die per Gesetz die Tötung auf Verlangen unter zunächst engen Bedingungen
erlaubt haben. Spätere Überarbeitungen hätten in solchen Fällen immer auf eine weitere
Liberalisierung gezielt, gibt der Theologe zu bedenken. Beispiel Niederlande: Dort
gibt es heute nicht nur die Tötung auf Verlangen des Betreffenden, sondern inzwischen
auch ohne seine Einwilligung. Familienangehörige einigen sich einfach mit dem betreuenden
Arzt darauf, dass „medizinische lebensbeendende Maßnahmen“ ergriffen werden, wie es
dann euphemistisch heißt. In Deutschland ist man davon aber bisher noch weit entfernt:
„Die
Politik hat sich bislang in Deutschland hier sehr verantwortlich gezeigt und hat an
diesem Konsens festgehalten, den man so umschreiben kann: Die Zulassung der Tötung
auf Verlangen ist der falsche Weg. Wir wollen durch den Aufbau von palliativmedizinischen
Zentren, der palliativmedizinischen Versorgung flächendeckend in anderer Weise helfen.
Die moderne Palliativmedizin kann heute in 90 Prozent aller Fälle mit ihren Standardmethoden
Patienten so versorgen, dass sie nicht an andauernden unerträglichen Schmerzzuständen
leiden.“
Für die restlichen zehn Prozent der Fälle gebe es außergewöhnliche
Behandlungsmethoden, erklärt der Moraltheologe. Seiner Meinung nach haben heute aufgrund
eines aktiven Lebensideals viele Menschen Angst vor dem Sterben oder davor, zu einem
„Pflegefall“ zu werden. Dort muss man ansetzen, fordert Schockenhoff:
„Dass
man Sterbende nicht alleine lässt, sondern ihnen durch mitmenschliche Solidarität
nahe bleibt. Wenn Menschen davon sicher ausgehen können, dass ihnen Familie, Ärzte
und Hospizbewegungen im Sterben mit medizinischem Können und menschlicher Solidarität
beistehen, dann denke ich, ist die Angst vor dem künftigen Sterben müssen und der
Phase vor dem Tod, leichter zu ertragen.“
Der Moraltheologe hofft, dass
der bisherige Konsens in der deutschen Politik aufrecht erhalten bleibt. Sollte das
Thema Sterbehilfe zur Abstimmung freigegeben werden, wünscht er sich, dass die Position
zugunsten des Lebens die Oberhand behalten kann.
„Das ist nicht eine rigide
Position, die Menschen am menschenwürdigen Sterben hindert, sondern im Gegenteil eine
Position, die das Auseinanderfallen der Gesellschaft verhindert und die Solidarität
und Fürsorge und auch medizinische Versorgung auch noch angesichts des Sterbens weiterhin
jedem verlässlich in Aussicht stellt.“