Papst würdigt geweihtes Leben: Die Predigt im Wortlaut
Papst Franziskus hat in seiner Predigt zum Festtag Mariä Lichtmess an die Bedeutung
des geweihten Lebens erinnert. Hier lesen Sie die Papstpredigt im vollen Wortlaut
in einer Arbeitsübersetzung von Mario Galgano. Einige wenige, freie gesprochene Einschübe
des Papstes fehlen in diesem Text.
Das Fest der Darstellung des Herrn, als
Jesus im Tempel vorgestellt wurde, wird allgemein auch als Fest des Zusammentreffens
bezeichnet: Das Treffen zwischen Jesus und seinem Volk. Als Maria und Josef ihr Kind
zum Tempel in Jerusalem brachten, kam es zum ersten Treffen zwischen Jesus und seinem
Volk, was durch die beiden Alten Simeon und Anna dargestellt wird.
Was ein
Treffen innerhalb der Geschichte des Volkes war, ist ein Treffen zwischen alten und
jungen Menschen: Die Jugendlichen waren Maria und Josef mit ihrem Neugeborenen; und
die Alten waren Simeon und Anna, zwei Menschen, die stets den Tempel aufsuchten.
Schauen
wir, was uns der Evangelist Lukas über sie sagt, wie er sie beschreibt. Über die Muttergottes
und den heiligen Josef wiederholt er viermal, dass sie jenes tun wollten, was das
Gesetz des Herrn vorgeschrieben hatte (vgl. Lk 2,22.23.24.27). Man sieht, ja man spürt
schon fast, wie die Eltern Jesu die Freude haben, die Gesetze Gottes zu beachten,
die Freude den Weg des Gesetzes des Herrn zu befolgen! Sie sind zwei Frischvermählte,
sie haben vor kurzem ein Kind bekommen, und sie sind beide davon geprägt, dass sie
das tun wollen, was ihnen vorgeschrieben wurde. Das ist nicht eine äußere Angelegenheit,
es geht nicht darum, dass sie sich gut fühlen möchten, nein! Es ist ein starker, tiefer
Wunsch, der voll Freude ist. Es ist das, was im Psalm geschrieben steht: „Nach deinen
Vorschriften zu leben freut mich… deine Weisung macht mich froh.“ (Ps 119,14.77)
Und
was sagt der heilige Lukas über die Alten? Er unterstreicht, dass sie vom Heiligen
Geist geleitet wurden. Über Simeon schreibt er, dass er ein gerechter und frommer
Mann war, der von Israel Trost erwartete, und dass „der Heilige Geist über ihm war“
(Lk 2,25); er fügt hinzu, dass „der Heilige Geist ihm vorausgesagt hatte“, dass er
vor seinem Tod noch Christus, den Messias, sehen werde (2,26); und schließlich, dass
er zum Tempel ginge, weil „der Geist ihn dazu bewogen hatte“ (2,27). Über Anna sagte
er hingegen, dass sie eine „Prophetin“ (2,36) gewesen sei. Diese beiden Alten waren
somit voll Leben! Sie sind voll Leben, weil sie vom Heiligen Geist getrieben waren,
folgsam waren in dem was sie das taten, in dem, was der Heilige Geist ihnen vorgab
und achtsam gegenüber seinen Anordnungen…
Und nun das Treffen zwischen der
Heiligen Familie und diesen beiden Vertretern des heiligen Volkes Gottes. Im Mittelpunkt
ist Jesus. Er ist es, der alles in Bewegung bringt, der die einen zu den anderen im
Tempel führt, dort, wo das Haus seines Vaters steht.
Es ist ein Treffen zwischen
Jugendlichen, die voller Freude über die Einhaltung des Gesetzes des Herrn sind, und
älteren Menschen, die voll Freude sind über die Handlung des Heiligen Geistes. Es
ist ein einzigartiges Treffen zwischen Observanz und Prophetie, bei der die Jugend
die der Regel treuen sind und die Alten prophetisch sind! In Wirklichkeit, wenn wir
uns das gut überlegen, wird die Observanz des Gesetzes durch denselben Geist berührt,
und die Prophetie bewegt sich auf denselben Weg, der durch das Gesetz festgelegt wird.
Wer ist denn mehr als Maria vom Heiligen Geist gefüllt? Wer sonst ist gegenüber der
Handlung des Geistes gehorsam?
Liebe Brüder und Schwestern, im Lichte dieser
Szene aus dem Evangelium blicken wir auf das geweihte Leben als ein Treffen mit Christus:
Er ist es, der zu uns kommt, geführt von Maria und Josef, und wir sind jene, die zu
ihm gehen, geführt vom Heiligen Geist. Doch im Mittelpunkt ist er. Er bewegt alles,
er führt uns zum Tempel, zur Kirche, wo wir ihn treffen, erkennen, aufnehmen und umarmen
können.
Jesus kommt uns entgegen in der Zusammenkunft in der Kirche und zwar
durch das Charisma des jeweiligen Instituts: Es ist schön, dies sich so vorzustellen,
wenn wir an unsere Berufung denken! Unser Treffen mit Christus ist durch das Charisma
eines Zeugen und einer Zeugin in der Kirche entstanden. Das erstaunt uns immer wieder
und macht uns dankbar.
Und auch im geweihten Leben lebt man dieses Treffen
zwischen der Jugend und den Alten, zwischen der Observanz (Treue zur Ordensregel)
und der Prophetie. Wir sehen sie nicht als zwei entgegen gesetzte Wirklichkeiten!
Lassen wir stattdessen den Heiligen Geist beide Seiten berühren. Das Zeichen hierfür
ist die Freude: Die Freude achtsam zu sein, die Freude eine Lebensregel zu befolgen;
und es ist die Freude vom Geist geführt zu werden, nie in Starrheit oder Geschlossenheit
zu verfallen, dafür immer offen zu bleiben für die Stimme Gottes, der spricht, öffnet
und führt…
Es tut den Alten gut, den Jungen die Weisheit weiterzureichen; und
es tut den Jungen gut, diesen Reichtum an Erfahrungen und Weisheit aufzunehmen und
weiterzutragen, um das Wohl der jeweiligen geistlichen Familien und der gesamten Kirche
zu gewährleisten.Die Güte dieses Geheimnisses, das Mysterium des Treffens, erleuchte
und ermutige uns auf all unseren Wegen. Amen.