An diesem Sonntag ist in Rom Sigrid Spath verstorben. Die österreichische Lutheranerin
wirkte mehrere Jahrzehnte als Übersetzerin für alle Päpste seit Paul VI. Sie übertrug
mindestens 70.000 Seiten Texte italienischer, lateinischer, französischer, englischer,
spanischer oder polnischer Sprache ins Deutsche. Außerdem arbeitete Sigrid Spath bis
zu ihrer Pensionierung als Halbtagsangestellte für das Generalat der Jesuiten in Rom.
Ihre letzte größere Arbeit war ein Teil der Übersetzung des langen Interviews mit
Papst Franziskus für die Jesuitenzeitschriften.
Sigrid Spath wurde am 1. August
1939 in Villach geboren. Ihr Mutter war eine lutherische Pfarrerstochter aus Lettland,
der Vater stammte aus Mähren. Sigrid Spath hatte zwei Brüder und später eine Tochter.
Sie studierte Latein und Byzantinistik in München und Graz, wo der heutige Diözesanbischof
Egon Kapellari einer ihrer Studienkollegen war, und promovierte bei Endre Ivanka.
1963, während des Zweiten Vatikanischen Konzils, kam sie für einige Monate nach Rom
und übernahm dabei Schreibarbeiten bei dem Konzilstheologen und Jesuiten Karl Rahner.
Aufgrund
ihrer Körperbehinderung blieb der Kärntnerin in ihrem Heimatland der Eintritt in den
Schuldienst verwehrt. Am Vatikanischen Geheimarchiv absolvierte sie den zweijährigen
Diplomkurs für Archivistik, Handschriftenkunde und päpstliche Dokumente. Die Aufnahmeprüfung
bestanden in jenem Jahr acht katholische Priester und eine Lutheranerin. Dass sie
nicht katholisch war, habe „im nachkonziliaren Aufbruch keine Rolle gespielt“, sagte
Sigrid Spath in einem Interview gegenüber Radio Vatikan. Das mündliche Schlussexamen
legte sie bei Kardinal Eugène Tisserant in lateinischer Sprache ab.
1970 erhielt
sie die Halbtagsstelle im Generalat der Jesuiten in Vatikan-Nähe. Daneben übersetzte
Sigrid Spath eine beachtliche Zahl der 30.000 Briefe von Papst Pius XII., die beim
Verfahren zur Seligsprechung entscheidend waren. Auch die deutschsprachige Ausgabe
der Vatikan-Zeitung „L´Osservatore Romano“ griff bald auf die Übersetzertätigkeit
der sprach- und sachkundigen Lutheranerin zurück. Ihr erstes großes Papst-Dokument
war 1975 „Evangelii Nuntiandi“ von Paul VI. Im Lauf der Jahrzehnte übertrug sie abertausende
päpstliche Ansprachen, Enzykliken, Botschaften, Erklärungen und Briefe sowie Kuriendokumente
ins Deutsche.
Die Übersetzungen der Meditationen für den Karfreitags-Kreuzweg
des Papstes am Kolosseum besorgte 40 Jahre lang Sigrid Spath. Von Johannes Paul II.
übertrug sie von „Mulieris dignitatem“ (1988) an nahezu alle Dokumente mit Ausnahme
zweier Enzykliken in ihre Muttersprache. Um den polnischen Papst besser zu verstehen,
lernte Sigrid Spath Polnisch. Ein Gutteil aller deutschen Texte auf der heutigen Vatikan-Webseite
ging durch ihre Hände, darunter zahlreiche von Benedikt XVI., der vieles auf Italienisch
schrieb. Sigrid Spath übersetzte in diesen Fällen den deutschen Papst ins Deutsche.
Eines ihrer Lieblingsbücher war Ratzingers „Einführung ins Christentum“, das sie in
dutzenden Kopien an evangelische Studierende auf Rom-Besuch verschenkte.
Kardinal
Joseph Ratzinger beauftragte sie als Präfekt der Glaubenskongregation persönlich mit
der deutschen Fassung besonders heikler Dokumente, so etwa seiner Entgegnung auf Proteste
evangelischer Theologen gegen die Gemeinsame Erklärung der Rechtfertigungslehre 1999.
Kardinal Ratzinger war es auch, der Sigrid Spath ihrer eigenen Aussage zufolge riet,
evangelisch zu bleiben und nicht zur katholischen Kirche überzutreten, wie sie es
in einem Moment der Krise erwogen hatte. Sie könne mehr für beide Kirchen tun, wenn
sie evangelisch bliebe, so der Kardinal. Der evangelischen Christuskirche in Rom blieb
die Kärntnerin zeitlebens verbunden.
1987 erhielt sie für ihre Vermittlungsarbeit
das Goldene Verdienstzeichen der Republik Österreich. Sigrid Spath besaß nie einen
Fernseher, war aber begeisterte Radiohörerin, auch via Kurzwelle, und zunehmend via
Internet. Die letzten vier Jahren ihres Lebens verbrachte sie im Rollstuhl in ihrer
kleinen Wohnung im Zentrum Roms, arbeitete aber immer noch mit großem, teils nächtlichem
Einsatz. „Der Kopf spielt ja noch mit“, pflegte sie zu sagen, wenn man sie besuchte.
Sie wollte ihren Dienst bis zum Ende leisten.
Sigrid Spath war in doppelter
Hinsicht eine Brücke. Als Lutheranerin arbeitete sie im Herzen der katholischen Kirche
und genoss das Vertrauen der Päpste wie des Staatssekretariates. Als Übersetzerin
war sie die deutsche Stimme des Vatikans.