Ukraine: „Wenn überhaupt, können Kirchen nur gemeinsam vermitteln“
In der Ukraine dauern
die Proteste gegen Präsident Janukowitsch unvermindert an. In der Hauptstadt Kiew
haben Regierungsgegner das Justizministerium besetzt. Die mit Rom unierte griechisch-katholische
Kirche hatte sich nach einer Weile in eindeutiger Weise auf die Seite der demonstrierenden
Regierungsgegner gestellt. Wir sprachen darüber mit dem deutschen Politologen Andreas
Umland von der Katholischen Universität Eichstätt, der sich zur Zeit in Kiew aufhält.
„Es gibt oft bei den Kundgebungen auf dem Unabhängigkeitsplatz einen Teil
des Programms, in dem Kirchenvertreter auftreten, und da war nicht nur die griechisch-katholische
Kirche präsent, obwohl sich die am eindeutigsten für die Demonstrationen ausgesprochen
hat. Das ist eben die Kirche, die wahrscheinlich die meisten Verbindungen zum Westen
hat, abgesehen von der römisch-katholischen Kirche, die aber relativ klein ist. Deswegen
hat sie auch diese besondere Stellung und wird jetzt auch bedroht von der Regierung
wegen dieser Stellungnahme.“
Gestern hat auch Papst Franziskus öffentlich
über die Lage in der Ukraine gesprochen. Er sagte, er hoffe auf einen „konstruktiven
Dialog“ zwischen den Institutionen und der Zivilgesellschaft. Wird so etwas in der
aufgeheizten Lage im Land zur Kenntnis genommen?
„Es war prominent in den
Medien, allerdings war es eher so, dass der Fakt, dass der Papst sich überhaupt zur
Ukraine geäußert hat, das wichtige war. Die Aufrufe zum friedlichen Dialog kommen
hier ständig von allen Seien, aus dem Land selbst und aus dem Ausland. Man ist jetzt
inzwischen auf einer Stufe, wo im Grund die meisten Demonstrierenden keinen Dialog
mehr mit Janukowitsch wollen, sondern sie wollen einfach, dass er abtritt.“
Der
Kiewer Großerzbischof Swjatoslaw Schewtschuk hat angeboten, zwischen Regierung und
Opposition zu vermitteln. Welche Chancen wären einer solche Mediation einzuräumen,
wenn es überhaupt dazu kommt?
„Es hat bereits zwei Treffen gegeben, eines
der Vertreter der Kirchen mit Janukowitsch, und dann der Vertreter der Kirchen mit
der Opposition. Es hat schon Vermittlung gegeben. Mein Eindruck ist, dass wenn überhaupt,
dann nur die großen Kirchen gemeinsam vermitteln können. Einzelne Kirchen, ob die
griechisch-katholische oder die ukrainische orthodoxe Kirche des Moskauer Patriarchats,
werden wenig für sich als einzelne etwas lösen können. Bisher war die Taktik, dass
sich die Vertreter der großen Kirchen gemeinsam mit den Politikern an einen Tisch
setzen, und das ist wahrscheinlich ein guter Weg, um Gewalt zu verhindern.“
Am
Samstag hat Janukowitsch den Oppositionsführern angeboten, sie in die Regierung einzubinden,
was diese abgelehnt haben. Wo steht die Ukraine heute eigentlich?
„Meine
Hoffnung ist, dass das Regime sich selbst auflöst. Dafür gibt es auch schon einige
Zeichen. Das Regime beruht auf der Dominanz in den Institutionen und der Unterstützung
der Wirtschaftsmagnaten, und sowohl das eine als auch das andere scheint immer schwächer
zu werden. Dann ist die Hoffnung, dass Janukowitsch an irgendeinem Moment versteht,
dass er gehen muss und dass er nur noch die Bedingungen seines Rückzugs verhandeln
kann.“