„Ich möchte heute
an Coco Campolongo erinnern, der mit drei Jahren in einem Auto in Cassano allo Ionio
verbrannt ist“: Viele Jugendliche waren am Sonntag auf dem Petersplatz, als der Papst
an das Verbrechen an einem Kind erinnerte. „Diese Wut auf ein so kleines Kind scheint
ohne Vorläufer in der Geschichte der Kriminalität“, so Franziskus in seiner Ansprache
beim Angelus-Gebet. Vor einer Woche waren in einem ausgebrannten Autowrack in der
kalabrischen Ortschaft die Leichen von Nicola Campolongo, sowie die seines Großvaters
und dessen Freundin gefunden worden. Die süditalienischen Ermittler vermuten als Motiv
einen Racheakt eines rivalisierenden Mafia-Clans.
Die süditalienische Region
Kalabrien gilt als Hochburg der 'Ndrangheta, einer der mächtigsten Verbrecherorganisationen
in Italien. „Beten wir für Coco, der jetzt sicher im Himmel bei Jesus ist“, sagte
der Papst. Er rief auch zum Gebet für die Täter auf, damit diese bereuten und sich
zu Jesus bekehrten. Das Verbrechen hatte in ganz Italien großes Entsetzen hervor gerufen.
Der Bischof der Stadt, Nunzio Galantino, hatte während der Traueransprache vor dem
Wagen gesagt, dass man nicht von einer bestialischen Tat sprechen könne – denn „damit
würde man die Tiere beleidigen“, so Galantino wörtlich. Wie großen Schaden die Verbrecherorganisationen
in Italien anrichten, weiß Pater Luciano Larivera von der italienischen Jesuitenzeitschrift
„La Civiltà Cattolica“:
„Sie ziehen junge Menschen an und schaffen eine
Arbeitsweise, bei der es keine Gewerkschaftsrechte gibt, keine Mitsprache, wo ganz
allgemein eine niedrige Kultur herrscht. Jeder muss sich einer Gruppe anschließen,
sonst zählt dein Leben nichts. Erziehung und Bildung sind deswegen die beste Prävention,
weil sie eine Zugehörigkeit zur echten und lebendigen Gemeinschaften schaffen. Einen
Sinn zu haben für die eigene Würde lässt die Verführung weniger attraktiv sein.“
Die
Kirche muss hier eine klare Position beziehen, findet Pater Larivera. Sie nehme sich
vor allem der Menschen an, die die Anfälligsten sind für Erpressung und Wucher. Man
versuche besonders der Jugend zu helfen, andere, legale Beschäftigungen zu finden.
„Viele
Seelsorger und kirchliche Mitarbeiter werden bedroht, aber trotzdem werden sie gebraucht.
Da ist zum Beispiel die Arbeit mit den Menschen, die durch Menschenhandel ausgebeutet
werden – da gibt es viele konkrete Initiativen.“
Die Mafia sei aber nicht
nur ein italienisches, sondern ein länderübergreifendes, internationales Problem,
das man nur gemeinsam angehen könne, erinnert Larivera. Bereits in seiner Botschaft
zum Weltfriedenstag hatte der Papst das organisierte Verbrechen als Gefahr für den
Frieden, die Menschenrechte und die Entwicklung der Gesellschaft bezeichnet. In Süditalien
geht es um ein Geschäft von geschätzt 870 Milliarden Dollar pro Jahr: Eine Gefahr
für die Schöpfung Gottes, wie der Papst für den 1. Januar formulierte.
„Hier
werden ganz grundlegende Dinge zerstört, das Vertrauen, der Respekt vor der menschlichen
Würde, die Mitmenschlichkeit. Der Tod eines Menschen wird als Spiel gesehen, als unwichtig.
Der Papst unterscheidet aber sehr richtig: Das Verbrechen, die kriminellen Sünder
und vor allem die Opfer. Das hilft uns, die Frage zu stellen, die am Ende die wichtigste
ist: Wie können wir den Menschen helfen, das Verbrechen zu verlassen? Das ist eine
große Herausforderung, aber es gibt gute Beispiele – zum Beispiel in Los Angeles in
den USA mit den Straßengangs oder auch in Lateinamerika.“
Noch ein weiterer
Gedanke des Papstes sei wichtig für die Behandlung des Problems, so Larivera: Die
„Globalisierung der Gleichgültigkeit“. Verbrechen wie der Drogen- oder Menschenhandel
seien globalisiert – auch deshalb sei eine Sensibilität für das Problem wichtig:
„Nicht
gleichgültig zu sein für die Hintergründe der Verbrechen bedeutet, nicht zuzulassen,
dass die Gesellschaft gespalten wird. Den eigenen Blick zu verschließen bedeutet,
Komplize zu werden.“