Papst Franziskus wird Ende Mai im Heiligen Land auch die besetzten Palästinensergebiete
besuchen. Dort spielt die Geschichte, die das Buch „Während die Welt schlief“ von
Susan Abulhawa erzählt. Eine Besprechung von Anne Preckel.
Als 1948 die Zionisten
den Staat Israel ausrufen, bricht für Familie Abulhija die Welt zusammen. Sie wird
aus dem Dorf Ein Hod vertrieben und muss alles zurücklassen. Der kleine Ismael wird
von einem israelischen Soldaten entführt und bleibt für Jahre verschollen. Seine Schwester
Amal wird im Flüchtlingslager Jenin im Westjordanland geboren und wird die Heimat
ihrer Eltern und Großeltern niemals wiedersehen. Gewalt, Krieg, schreckliche Verluste
und Entbehrungen werden ihr zu ständigen Begleitern.
Susan Abulhawa erzählt
in ihrem autobiographisch inspirierten Roman die Geschichte einer palästinensischen
Familie über vier Generationen. Sie erzählt vom entbehrungsreichen Alltag im Flüchtlingslager,
von einer geraubten Kindheit und der kruden Gewalt des Krieges, aber auch von Liebe,
Freundschaft und Momenten des Glücks: Etwa wenn „Jiddu“ Großvater Yahya heimlich Obst
aus seinem ehemaligen Garten klaut und das Flüchtlingslager in Euphorie versetzt.
Oder wenn „Baba“ Hasan, Amals Vater, seiner Tochter auf der staubigen Türschwelle
arabische Gedichte vorliest. Hasan hat als Kind eine jüdische Familie vor der Wut
der Araber in Ostjerusalem gerettet. Und es ist derselbe Hasan, der aus dem Krieg
irgendwann nicht mehr zurückkommt. Wie eng aber das Schicksal ihrer Familie mit Israel
tatsächlich verwoben ist, wird Amal erst verstehen, als ihr verloren geglaubter Bruder
wieder vor ihr steht: Ismael, der jetzt den jüdischen Namen David trägt, wird ihr
helfen, die Scherben der eigenen Familiengeschichte wieder zusammenzusetzen.
„Während
die Welt schlief“ ist ein Buch über die Abgründe des Krieges, doch auch über die Hoffnung
auf Versöhnung. Glaubwürdig und sehr menschlich schildert die Autorin, wie Krieg,
Verlust und Entwurzelung Menschen prägen und verändern. Die Folgen der Besetzung werden
schonungslos beschrieben. Doch auch die Schrecken der Shoah und die Opfer des palästinensischen
Widerstandes haben im Roman ihren Platz. Ohne Anklage und Rechtfertigung gibt Abulhawa
auf diese Weise Einblick in das Schicksal zweier Völker, die bis heute keinen Frieden
gefunden haben.
Ein lesenswerter Roman, der die Hintergründe des Konfliktes
ein wenig besser verstehen lässt.
Zur Autorin Susan Abulhawa wuchs
als Kind palästinensischer Flüchtlinge in Kuwait, Jordanien und Jerusalem auf und
engagiert sich heute vor allem für die Rechte der palästinensischen Flüchtlingskinder.
So gründete sie die Initiative „Playgrounds for Palestine“, die Spielplätze in den
besetzten palästinensischen Gebieten und im Libanon baut. „Während die Welt schlief“
erschien unter dem Originaltitel „The Scar of David“ und wurde bis heute in 20 Sprachen
übersetzt.
Zum Mitschreiben: Während die Welt schlief von Susan Abulhawa,
Diana Verlag, ca. 9,00 Euro.