2014-01-17 11:54:33

Missbrauch: „Heiliger Stuhl hat Lektion gelernt“


RealAudioMP3 Behindert der Vatikan bei kirchlichen Missbrauchsfällen die Justiz anderer Länder, vertuscht er Fälle, ist er gar nicht wirklich an Transparenz und an Missbrauchs-Prävention interessiert? Diesen Eindruck kann man haben, wenn man die Zeitungsberichte über eine Anhörung des Vatikans vor dem Genfer UNO-Kinderschutzkomitee liest. Aus freien Stücken hatten dort am Donnerstag – zum ersten Mal überhaupt – Vatikanvertreter über ihre Politik zur Missbrauchsbekämpfung ausgesagt, genauso wie Vertreter anderer Staaten. Doch einige Nachrichtenagenturen und Medien stellen die Anhörung als eine Art Offenbarungseid des Heiligen Stuhles dar.

Weihbischof Charles Scicluna hatte einen anderen Eindruck. Der langjährige Verantwortliche der Glaubenskongregation für den Umgang mit Missbrauchsfällen war Teil der Vatikan-Delegation, die in Genf aussagte.

„Es war schon anstrengend, weil die Sitzung sehr lange dauerte und sehr engagiert verlief; wichtige Anliegen kamen da zur Sprache, und wir hatten einen sehr wichtigen und fruchtbaren, aktiven Dialog. Ich glaube, wir sind uns einig über die Prinzipien der UNO-Konvention über Kinderrechte, und aus meiner Sicht haben wir der internationalen Gemeinschaft sehr klar und kohärent mitgeteilt, dass der Heilige Stuhl seine Lektion gelernt hat; dass er die Konvention als souveräner Staat umsetzt, und dass er die Werte der Konvention als Zentralorgan der katholischen Kirche fördert. Auch das Kirchenrecht als Ausdruck der Jurisdiktion des Heiligen Stuhls wird kontinuierlich revidiert, wie das etwa 2010 der Fall war, um Vorgehensweisen und wichtige Themen adäquat anzupassen.“

„Verantwortung beginnt auf der lokalen Ebene“

Und wie sieht das aus mit dem Verdacht, der Heilige Stuhl halte Informationen über Missbrauchsfälle, und wie sie angegangen werden, zurück?

„Es lag nicht in der Kompetenz des Komitees, nach Einzelfällen zu fragen – auch wenn es einen Einzelfall gibt, der unter die Kriterien der Konvention fällt. Das ist der Fall eines Diplomaten, der ein Bürger des Vatikanstaats ist [Erzbischof Jozef Wesolowski, früherer Nuntius in Santo Domingo, Anm.]. Zu den entsprechenden Vorwürfen werden derzeit Ermittlungen durchgeführt, und das wurde vom Leiter unserer Delegation, Nuntius-Erzbischof Tomasi, offen angesprochen. Bei anderen Fällen lautete die Antwort des Heiligen Stuhls, dass diese auf lokaler Ebene behandelt werden und dass man da auf lokaler Ebene nachfragen sollte.“

Verbände von Missbrauchsopfern äußern sich enttäuscht: Nach ihrem Eindruck wird im Vatikan gemauert, dabei fordern sie Transparenz auch an der Kirchenspitze. Und sehen in Papst Franziskus einen Verbündeten, der am Donnerstag in einer Predigt „Scham“ über die Skandale der Kirche forderte. Scicluna sagte Radio Vatikan zum Thema Transparenz im Vatikan:

„Ich finde, es gibt zwei wichtige Elemente dabei, nämlich Transparenz und Verantwortung. Und ich meine, Transparenz und Verantwortung müssen auf der lokalen Ebene beginnen. Was die Prozeduren auf der Ebene des Heiligen Stuhles betrifft, finde ich, dass die betroffenen Parteien jedes einzelnen Falles vollkommen das Recht haben, Zugang zu aller nötigen Information zu haben – zu ihrer Verteidigung, zur Ausübung ihrer Rechte im Rahmen des Systems, in dem wir operieren.“

„Kindeswohl als Leitgedanke“

Das UNO-Komitee für Kinderschutz mit Sitz in Genf ist verantwortlich für die Umsetzung der Kinderrechte-Konvention von 1989. Der Heilige Stuhl ist dieser Konvention 1990 (mit drei Vorbehalten) beigetreten. Die Anhörung vom Donnerstag hat nun das Thema Missbrauchsskandale wieder ganz nach oben in der internationalen Aufmerksamkeit geschoben. War die Anhörung ein Wendepunkt, Bischof Scicluna?

„Sie verschafft Kritikpunkten und Themen auf internationaler Ebene große Sichtbarkeit – aber sie war und ist vor allem eine Gelegenheit für den Heiligen Stuhl, nicht nur hinzuhören auf Kritikpunkte, sondern auch selbst öffentlich seine Verpflichtung auf die Werte der Kinderrechte-Konvention auszudrücken, einschließlich dem Kindeswohl als Leitgedanke in jedem Entscheidungsprozess.“

Scicluna und Tomasin hatte in Genf die Vatikan-Politik bei Missbrauch verteidigt. Der Heilige Stuhl habe kirchliche Richtlinien verschärft, die Zusammenarbeit mit staatlichen Strafverfolgungen ausgebaut und neue Wege in der Prävention beschritten, sagte Tomasi vor der UN-Einrichtung. Für pädophile Übergriffe gebe es „keine Entschuldigung". Der Kinderschutz bleibe ein „Hauptanliegen" der katholischen Kirche. Neben entsprechenden Leitlinien nannte er ein von der Päpstlichen Universität Gregoriana und der Universität München gemeinsam entwickeltes Präventionsprogramm als Beispiel. Weiter verwies Tomasi auf eine von Papst Franziskus angekündigte Kinderschutzkommission, die weitere Vorschläge erarbeiten soll. Die katholische Kirche wolle ein „Vorbild“ auf diesem Feld werden, so der Vatikandiplomat. Zugleich betonte er die rechtliche Eigenständigkeit der katholischen Ortskirchen.

(rv 17.01.2014 sk)








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