2014-01-11 14:14:29

Buchtipp: Pius II., der Papst, mit dem die Renaissance begann


RealAudioMP3 Er war ein Superstar der Intellektuellenszene, schrieb erotische Literatur, wechselte die Arbeitgeber wie die spitzengewirkten Hemden. Dann wurde er Priester - und eines Tages Papst. Die Rede ist von „Pius II., der Papst, mit dem die Renaissance begann“. So heißt eine neue Biografie über diesen Pontifex, der 1458 bis 1464 amtierte. Gudrun Sailer sprach mit dem Biografen Volker Reinhardt über Enea Silvio Piccolomini, Pius II.

„Er war zunächst ein angesagter moderner Literat. Ein hochaktueller Schriftsteller, der im besten Latein, also in der Modesprache der Gelehrten dieser Zeit, Texte verfasste, die auch für ein breiteres Publikum bestimmt waren, eine recht erotische Liebesgeschichte unter anderem, die aber auch psychologisch sehr tiefgründig ist, ein Theaterstück, auch sehr freizügiger Art, in dem verschiedene Lebenseinstellungen auch sehr unchristliche, sehr offen diskutiert wurden.“

Als intellektuelles Großkaliber, das er war, schrieb er daneben Werke über Geographie, Geschichte und Gebräuche ganzer Kontinente, eines über Asien, das andere über Europa; eine „Summa“, in der er das Wissen seiner Zeit über diese geographischen Räume aufbereitete. Ein Tausendsassa, dieser Piccolomini, geboren in einem toskanischen Dorf namens Corsignano, heute Pienza. Er stammte aus zwar nicht wohlhabenden Verhältnissen, aber aus der richtigen Familie.

Die Piccolomini sind alter Sienesischer Adel, sie sind eine der Gründerfamilien der Comune, der Republik, allerdings in den letzten Generationen politisch entmachtet und wirtschaftlich verarmt. Aber das bedeutet etwas anderes als heute. Das Kapital des Familiennamens und der Ruhm waren lebendig. Draus konnte man noch etwas machen. Allerdings über eine Ochsentour.“

Enea Silvio Piccolomini, der späteres Pius II., musste sich empordienen, wobei er sich als wendig erwies. Seinen Dienstherren war er loyal, einem nach dem anderen. 1440 wurde Piccolomini Sekretär eines Gegenpapstes, dann wechselte er die Fronten und trat in die Dienste des Habsburgers Friedrich III., der den Papst unterstützte. Drei Jahre verbrachte er in deutschen Landen, war in Wiener Neustadt und Graz, aus seiner Sicht etwas wie intellektuelle Wüste.

„Er hat loyal zu seinem Dienstherrn Friedrich III. gehalten, aber als italienischer Großintellektueller und moderner Literat betrachtet er Deutschland als rückständig. Für die italienischen Humanisten dieser Zeit waren alle Nichtitaliener letztlich Barbaren, kulturlose Trunkenbolde, triebgesteuerte Hinterwäldler.“

Zur Überraschung vieler ging dieser Mann mit Vorleben aus dem Konklave 1458 als Papst hervor. Er war der typische Kompromisskandidat.

„Am Anfang schien seine Wahl auch aussichtslos. Aber nach seinem eigenen Bericht hat er dann durch die Kunst der Rede, durch die Überzeugungsmächtigkeit seiner Rhetorik die Wähler überzeugt.“

Der moralische Aspekt seines Vorlebens spielte im Konklave eine geringe Rolle gegenüber der politischen. Es war nicht vergessen, dass er weltliche Literatur verfasst und ein weltliches Leben geführt hatte. Allerdings hatten die Kardinalskollegen auch seine Lebenswende 15 Jahre früher in Erinnerung, die sich in seiner Priesterweihe manifestierte. Volker Reinhardt:

„Andere Kardinäle hatten ein ähnliches Vorleben, er war keine Ausnahme. Viele der damaligen Kardinäle lebten im Konkubinat oder hatten uneheliche Kinder gezeugt, wie Piccolomini auch. Das galt damals zwar letztlich als nicht vereinbar, aber doch nicht als eine sehr schwere Sünde.“

Vergeben und vergessen, denn die politische Bedrohung der Zeit wog weitaus schwerer: die Türkengefahr. Die Kardinäle sahen in Piccolomini den rechten Mann zur Verteidigung des christlichen Abendlandes. Denn ab den 1450er Jahren hatte der Kirchenmann sich ganz dem politischen Aufruf zum Türkenkrieg und zur Rückeroberung des 1453 verlorenen Konstantinopel verschrieben.

„Das war sein Profil, seine Mission, sein Markenzeichen. Dadurch gewann er sehr viel moralischen Kredit, weil er das glaubwürdig vertrat. Er war ein großer Historiker, hatte Landeskunden über verschiedene europäische Nationen geschrieben, hatte große historische Werke verfasst, er war glaubwürdig als Vertreter des Abendlandes und seiner Werte, und das bringt ihm viel Kredit.“

Unter diesem Vorzeichen steht später auch der ziemlich pittoreske Tod des Papstes, man könnte fast sagen, ein inszenierter Tod.

„Pius II. war nach damaligen Begriffen mit 58 Jahren 1463 ein alter Mann, er war vor allem ein kranker Mann, der an vielfachen Gebrechen litt. Es war absehbar, dass er bald sterben würde, und es ist ebenfalls absehbar, dass der eigentliche Kreuzzug militärisch-politisch gesehen nicht zustande kommt. Deshalb wird ein symbolischer Kreuzzug, der militärisch-politisch aussichtslos sein musste, organisiert, also der Papst kann nur auf geringe Unterstützung der europäischen Mächte zählen, eine kleine venezianische Flotte ist versprochen, aber ansonsten muss er diesen symbolischen Kreuzzug allein ausrichten. Er lässt sich bereits todkrank im Juni 1464 nach Ancona bringen, von wo aus er diese eigentlich selbstmörderische Mission nach Osten beginnen will, aber er stirbt dann in Ancona, bevor dieser Kreuzzug aufbricht. Es ist inszeniert und heiliger Ernst zugleich.“

Pius II. war so etwas wie der erste Medienpapst der Geschichte. Er hat seine eigene Biografie gestaltet, präsentiert, überarbeitet, und das Bild, das er von sich selbst abgeben wollte, wirkte nachhaltig. Er bediente sich vor allem zweier Medien: Stein und Wort.

„In Stein dadurch, dass er sein Geburtsdörfchen Corsignano zum Bischofssitz und zur Stadt erhebt mit einem völlig neuen, weißen Marmorzentrum ausstattet, er lässt einen grandiosen Familienpalast, eine Kathedrale bauen als Museum seiner eigenen Vita, seines eigenen Aufstiegs.“

Aus dem bescheidenen Corsignano wird so die Renaissance-Modellstadt Pienza, heute UNESCO-Weltkulturerbe. Zweites Mittel der Selbstdarstellung ist für Piccolomini seine Autobiografie, die so genannten Commentarii, die er ab 1462 schreibt.

„Ein monumentaler Text, ja nach Druck zwischen eineinhalb und dreitausend Seiten. Er ist kurz, was die Vorgeschichte vor dem Pontifikat betriff, aber sehr ausführlich, was die Regierungszeit angeht. Scheinbar chaotisch, also Lebensimpressionen, Anekdoten, lange historische Traktate, theologische Abhandlungen, und doch ist das alles letztlich unter einer Denkfigur, einem Motiv angeordnet, nämlich der Erwählung Enea Silvio Piccolominis zum Papstamt und seiner beständigen Prüfung und Bewährung, das heißt die Vorsehung, Gott, stellt ihm Aufgaben, die er bewältigen muss, und von Aufgabe zu Aufgabe wird er dann würdiger und schließlich ein exemplarischer Papst. Diese Idee der Vorherbestimmung, die aber immer wieder neu erworben werden muss, dadurch dass Prüfungen bestanden werden.“

Mit Pius II. begann die Renaissance – das ist Reinhardts These. Piccolomini war insofern ein Renaissancepapst, als er die Renaissance miterfand, gleichzeitig war er der richtige Mann für die Renaissance.

„Er wächst in Siena und der Toskana in einem Klima auf, wo bereits sehr viel Neues fermentiert. Er wechselt dann in traditionellere Milieus über, der Habsburgerhof in den 1440er Jahren ist ganz sicher noch kein Renaissancehof, auch Rom ist eigentlich bis zum Ende der 1450er Jahre noch keine Renaissancestadt. Er bringt dann das Neue von seinen Lebensstationen und von seiner eigenen schriftstellerischen Tätigkeit und auch die Virtuosität, mit der er die Medien der Zeit benutzt und instrumentalisiert werden, mit nach Rom. Das ist das Renaissance-Element schlechthin. Ein Papst, der das Medium Text und Kunst und letztlich auch die Ästhetik des Alltags in einem Gesamtkunstwerk einschmilzt. Dieser Papst hält Beratungen mit den Kardinälen auf der grünen Wiese ab, in idyllischen Landschaften. Er hat einen völlig eigenen Regierungsstil, der eigenwillig ist, auch viele Leute vor den Kopf stößt. Er hat ein Sensorium für Landschaften, beschreibt sie angelehnt an literarische Vorbilder der Antike, dann doch aber wieder sehr eigenständig, er hat ein scharfes Auge für die Natur und das alles bringt er in eine Amtsinszenierung mit ein, die ihm ein besonderes Image verschafft. Er ist der Papst, der die Antike wiederentdeckt hat, der sie sprachlich beherrscht durch sein elegantes Latein, und einen ganz eigenen Regierungsstil praktiziert. Das ist Renaissance.“

Buchtipp: Volker Reinhardt: Pius II. Piccolomini. Der Papst, mit dem die Renaissance begann. Eine Biographie. Verlag C.H. Beck, München 2013. Rund 25 Euro.

(rv 09.01.2014 gs)








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