2014-01-10 10:57:39

Griechenland: „Lampedusa haben wir auch bei uns“


RealAudioMP3 So richtig freut sich kaum jemand darüber, dass Griechenland jetzt turnusgemäß die EU-Ratspräsidentschaft übernommen hat – auch in Athen selbst nicht. Die Probleme des Landes sind einfach zu groß, das sagt auch der katholische Erzbischof der Hauptstadt, Nikolaos Foscolos, im Gespräch mit Radio Vatikan.

„Aus meiner Sicht gibt es vier Faktoren, die den Griechen derzeit Probleme bereiten. Das ist erstens die allgemeine Korruption, ein sehr verbreitetes Phänomen. Zweitens die Wirtschaftskrise, die sicher auch mit dieser Korruption zusammenhängt. Drittens die Frage der Flüchtlinge, die täglich nach Griechenland strömen: über die türkische Grenze, über die Ägäis mit ihren Hunderten von Inseln. Und das vierte Problem sind die Drogen: Griechenland ist die Südost-Tür des vereinten Europas und Europas überhaupt, darum haben wir hier Drogenhandel und außerdem Menschenhandel.“

Das ist der Hintergrund, auf dem Griechenland nun den Hut des EU-Ratspräsidenten aufsetzt – für ein halbes Jahr, so wie die europäischen Verträge das vorsehen. Auf Griechenland folgt im Sommer dann Italien. Erzbischof Foscolos sagt zur Europarolle seines Landes in diesem Halbjahr:

„Hoffentlich wird es da auch eine Hilfestellung von den anderen Ländern her geben! Wir haben übrigens ungefähr dieselben Probleme wie Italien, zum Beispiel. Das Phänomen von Lampedusa ist hier bei uns ein tägliches Phänomen, an verschiedenen Inseln. Hoffentlich wird es Solidarität von anderen europäischen Staaten mit uns geben, vor allem von den Staaten aus dem Süden Europas!“

„Die Leute fühlen sich wie in der Nachkriegszeit“
Die katholische Kirche ist in Griechenland mit 0,5 Prozent nur eine ausgesprochen kleine Minderheit. „Aber trotzdem rennen alle zur katholischen Kirche“, so der Erzbischof – etwa wenn es um Hilfe für die Flüchtlinge geht.

„Wir haben drei Zentren für Flüchtlinge hier in Athen, zwei davon sind Häuser der Gemeinschaft von Mutter Teresa. In einem dieser Häuser wird jeden Tag Essen an etwa 250 Personen ausgegeben, im kleineren bringen wir etwa dreißig Mütter mit ihren Kindern unter. Auch die Caritas von Athen gibt jeden Tag Essen an etwa 250 Menschen aus. Ich muß aber sagen, dass auch die orthodoxe Kirche ausgesprochen viel für die Flüchtlinge tut, und nicht nur für sie! Viele Griechen wenden sich an sie, weil die Armut mittlerweile weit verbreitet ist, vor allem in den großen Städten. Die Leute fühlen sich wie in der Nachkriegszeit: Keine Arbeit, nichts zu essen, kein Geld…”

Erzbischof Foscolos kann sich aber nicht vorstellen, dass Griechenland aus der Euro-Zone herausfällt, ob auf eigene Initiative oder auf Druck aus dem Ausland hin.

„Das glaube ich nicht. Ein Austritt Griechenlands aus der Europäischen Union und aus dem Euro würde eine Art Domino-Effekt haben, dadurch würden sich andere Länder in Gefahr fühlen. Es stimmt schon: Man weiß nie... Es gibt ja hier auch internationale Interessen, den Krieg zwischen Dollar und Euro, und verschiedene andere Faktoren, die eine solche Entscheidung beeinflussen können. Aber ich denke nicht, dass die EU Griechenland außerhalb der Eurozone sehen will.“

Dass das Land jetzt die EU-Ratspräsidentschaft innehat, „interessiert einen Großteil der Griechen nicht“, sagt der katholische Erzbischof von Athen. Die Menschen hätten in der Regel „andere, wichtigere Probleme“.

„Die Leute versuchen hier jeden Tag, etwas zum Essen aufzutreiben und ein bisschen Geld, um irgendetwas einzukaufen. Außerdem sind die Steuern sehr hoch, und für 2014 ist sogar ein weiterer Anstieg vorgesehen. Das hat auch Auswirkungen auf unsere Kirche, denn als katholische Kirche bekommen wir nichts vom Staat, und die Steuern fressen im Moment mehr als die Hälfte unserer Ressourcen auf.“

(rv 10.10.2014 sk)







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