So richtig freut sich
kaum jemand darüber, dass Griechenland jetzt turnusgemäß die EU-Ratspräsidentschaft
übernommen hat – auch in Athen selbst nicht. Die Probleme des Landes sind einfach
zu groß, das sagt auch der katholische Erzbischof der Hauptstadt, Nikolaos Foscolos,
im Gespräch mit Radio Vatikan.
„Aus meiner Sicht gibt es vier Faktoren,
die den Griechen derzeit Probleme bereiten. Das ist erstens die allgemeine Korruption,
ein sehr verbreitetes Phänomen. Zweitens die Wirtschaftskrise, die sicher auch mit
dieser Korruption zusammenhängt. Drittens die Frage der Flüchtlinge, die täglich nach
Griechenland strömen: über die türkische Grenze, über die Ägäis mit ihren Hunderten
von Inseln. Und das vierte Problem sind die Drogen: Griechenland ist die Südost-Tür
des vereinten Europas und Europas überhaupt, darum haben wir hier Drogenhandel und
außerdem Menschenhandel.“
Das ist der Hintergrund, auf dem Griechenland
nun den Hut des EU-Ratspräsidenten aufsetzt – für ein halbes Jahr, so wie die europäischen
Verträge das vorsehen. Auf Griechenland folgt im Sommer dann Italien. Erzbischof Foscolos
sagt zur Europarolle seines Landes in diesem Halbjahr:
„Hoffentlich wird
es da auch eine Hilfestellung von den anderen Ländern her geben! Wir haben übrigens
ungefähr dieselben Probleme wie Italien, zum Beispiel. Das Phänomen von Lampedusa
ist hier bei uns ein tägliches Phänomen, an verschiedenen Inseln. Hoffentlich wird
es Solidarität von anderen europäischen Staaten mit uns geben, vor allem von den Staaten
aus dem Süden Europas!“
„Die Leute fühlen sich wie in der Nachkriegszeit“ Die
katholische Kirche ist in Griechenland mit 0,5 Prozent nur eine ausgesprochen kleine
Minderheit. „Aber trotzdem rennen alle zur katholischen Kirche“, so der Erzbischof
– etwa wenn es um Hilfe für die Flüchtlinge geht.
„Wir haben drei Zentren
für Flüchtlinge hier in Athen, zwei davon sind Häuser der Gemeinschaft von Mutter
Teresa. In einem dieser Häuser wird jeden Tag Essen an etwa 250 Personen ausgegeben,
im kleineren bringen wir etwa dreißig Mütter mit ihren Kindern unter. Auch die Caritas
von Athen gibt jeden Tag Essen an etwa 250 Menschen aus. Ich muß aber sagen, dass
auch die orthodoxe Kirche ausgesprochen viel für die Flüchtlinge tut, und nicht nur
für sie! Viele Griechen wenden sich an sie, weil die Armut mittlerweile weit verbreitet
ist, vor allem in den großen Städten. Die Leute fühlen sich wie in der Nachkriegszeit:
Keine Arbeit, nichts zu essen, kein Geld…”
Erzbischof Foscolos kann sich
aber nicht vorstellen, dass Griechenland aus der Euro-Zone herausfällt, ob auf eigene
Initiative oder auf Druck aus dem Ausland hin.
„Das glaube ich nicht. Ein
Austritt Griechenlands aus der Europäischen Union und aus dem Euro würde eine Art
Domino-Effekt haben, dadurch würden sich andere Länder in Gefahr fühlen. Es stimmt
schon: Man weiß nie... Es gibt ja hier auch internationale Interessen, den Krieg zwischen
Dollar und Euro, und verschiedene andere Faktoren, die eine solche Entscheidung beeinflussen
können. Aber ich denke nicht, dass die EU Griechenland außerhalb der Eurozone sehen
will.“
Dass das Land jetzt die EU-Ratspräsidentschaft innehat, „interessiert
einen Großteil der Griechen nicht“, sagt der katholische Erzbischof von Athen. Die
Menschen hätten in der Regel „andere, wichtigere Probleme“.
„Die Leute
versuchen hier jeden Tag, etwas zum Essen aufzutreiben und ein bisschen Geld, um irgendetwas
einzukaufen. Außerdem sind die Steuern sehr hoch, und für 2014 ist sogar ein weiterer
Anstieg vorgesehen. Das hat auch Auswirkungen auf unsere Kirche, denn als katholische
Kirche bekommen wir nichts vom Staat, und die Steuern fressen im Moment mehr als die
Hälfte unserer Ressourcen auf.“