2014-01-06 10:34:46

Papstpredigt zum Fest Epiphanie: „Geistliche Schläue“


Wir dokumentieren hier die Predigt des Papstes zum Gottesdienst am Epiphaniefesttag im Petersdom

Lumen requirunt lumine“, „Durch dein Licht streben sie zum Licht“ - Diese ausdrucksstarke Wendung eines liturgischen Hymnus zum Fest der Erscheinung des Herrn bezieht sich auf die Erfahrung der Sterndeuter: Indem sie einem Licht folgen, suchen sie das Licht. Der Stern, der am Himmel erschienen ist, entzündet in ihrem Verstand und in ihrem Herzen ein Licht, das sie zur Suche des großen Lichtes Christi bewegt. Die Sterndeuter folgen treu jenem Licht, das sie innerlich erfüllt, und sie begegnen dem Herrn.

In diesem Weg der Sterndeuter aus dem Osten ist die Bestimmung eines jeden Menschen angedeutet: Unser Leben ist ein Gehen, erleuchtet von den Lichtern, die die Straße hell machen, um die Fülle der Wahrheit und der Liebe zu finden, die wir Christen in Jesus, dem Licht der Welt, erkennen. Und jeder Mensch hat wie die Sterndeuter zwei große „Bücher“ zur Verfügung, aus denen er die Hinweise entnimmt, um sich auf der Pilgerschaft zu orientieren: das Buch der Schöpfung und das Buch der Heiligen Schrift. Es ist wichtig, aufmerksam zu sein, wachsam, Gott zu hören, der zu uns spricht. So wie der Psalm in Bezug auf das Gesetz des Herrn sagt: „Dein Wort ist meinem Fuß eine Leuchte, ein Licht für meine Pfade“ (Ps 119,105). Insbesondere das Evangelium hören, es lesen, es betrachten, es zu unserer geistlichen Nahrung machen, das erlaubt uns, dem lebendigen Jesus zu begegnen, ihn und seine Liebe zu erfahren.

Die erste Lesung lässt durch den Mund des Propheten Jesaja den Aufruf Gottes an Jerusalem wieder erklingen: „Auf, werde Licht!“ (60,1). Jerusalem ist berufen, die Stadt des Lichts zu sein, die das Licht Gottes auf die Welt zurückstrahlt und den Menschen hilft, auf seinen Wegen zu gehen. Dies ist die Berufung und Sendung des Volkes Gottes in der Welt. Aber Jerusalem kann diesen Ruf des Herrn auch nicht erfüllen. Das Evangelium berichtet uns, dass die Sterndeuter, als sie nach Jerusalem kamen, den Anblick des Sterns kurz verloren, sie sahen ihn nicht mehr. Insbesondere im Palast des Königs Herodes ist sein Licht nicht da: dieser Ort ist dunkel, hier regieren Finsternis, Misstrauen, Angst, Neid. Herodes zeigt sich in der Tat argwöhnisch und beunruhigt ob der Geburt eines schwachen Kindes, in dem er einen Rivalen sieht. In Wirklichkeit ist Jesus nicht gekommen, um ihn, eine erbärmliche Marionette, sondern den Fürsten dieser Welt zu stürzen! Trotzdem fühlen der König und seine Berater, dass ihre Machtstrukturen ins Wanken geraten, sie fürchten, dass die Spielregeln auf den Kopf gestellt werden, dass der Schein aufgedeckt wird. Eine ganze Welt, die auf Herrschaft, auf Erfolg, auf Besitz, auf Korruption gegründet ist, wird durch ein Kind in eine Krise gestürzt! Und Herodes geht soweit, die Kinder zu töten. Ein Kirchenvater schrieb: „Du mordest den Leib der Kleinen, aber die Furcht mordet dein Herz“ (Quodvultdeus: Sermo de symbolo 2, 4: PL 40, 655). Er hatte Angst und die Angst hat ihn verrückt gemacht.

Die Sterndeuter waren in der Lage, jenen gefährlichen Augenblick der Dunkelheit bei Herodes zu überwinden, weil sie der Schrift glaubten, dem Wort der Propheten, das Bethlehem als den Geburtsort des Messias benannte. So entflohen sie der Abgestumpftheit der Nacht der Welt, nahmen den Weg nach Bethlehem wieder auf, und dort sahen sie erneut den Stern und si wurden wie das Evangelium sagt „von sehr großer Freude“ (Mt 2,10) erfüllt.

Ein Aspekt des Lichtes, das uns auf dem Weg des Glaubens leitet, ist auch die heilige „Schläue“. Das ist auch eine Tugend, nicht wahr? Die „heilige Schläue“. Es handelt sich um jene geistliche Gerissenheit, die uns Gefahren erkennen und vermeiden lässt. Die Sterndeuter wussten dieses Licht der „Schläue“ zu nutzen, als sie auf ihrem Rückweg entschieden, nicht über den dunklen Palast des Herodes zu gehen, sondern auf einem anderen Weg heimzukehren. Diese Weisen aus dem Osten lehren uns, wie wir nicht in den Hinterhalt der Finsternis fallen und wie wir uns gegen die Dunkelheit verteidigen können, die unser Leben zu umfangen sucht.

Mit dieser „Schläue“ haben sie den Glauben bewahrt. Und auch wir müssen den Glauben bewahren, ihn vor dem Dunkel bewahren. Aber dieses Dunkel verkleidet sich manchmal als Licht. Manchmal kleidet sich der Dämon, wie Paulus sagt, als Engel des Lichts. Und hier braucht es diese heilige „Schläue“, um den Glauben zu bewahren, ihn vor den Sirenengesängen zu bewahren, die dir sagen: „Schau, heute müssen wir dieses machen und jenes …“. Aber der Glaube ist eine Gnade, ein Geschenk. Es ist an uns, ihm mit der heiligen Schläue zu bewahren, mit Gebet, mit Liebe, mit Nächstenliebe.

Wir müssen in unserem Herzen das Licht Gottes aufnehmen und zugleich jene geistliche Schläue üben, die Einfachheit und Schlauheit zu verbinden weiß, wie Jesus von seinen Jüngern verlangt: „Seid klug wie die Schlangen und arglos wie die Tauben“ (Mt 10,16).
Am Fest der Erscheinung des Herrn, an dem wir gedenken, dass Jesus uns Menschen im Antlitz eines Kindes geoffenbart wurde, erfahren wir die Sterndeuter an unserer Seite wie weise Weggefährten. Ihr Beispiel helfe uns, den Blick zum Stern zu erheben und den großen Sehnsüchten unseres Herzens zu folgen. Sie lehren uns, uns nicht mit einem mittelmäßigen Leben, mit dem Kleinem zufrieden zu geben, sondern uns immer faszinieren zu lassen vom Guten, Wahren und Schönen …, von Gott, der all das in immer größerer Weise ist! Und sie lehren uns, uns nicht vom Schein betrügen zu lassen, von dem, was für die Welt groß, weise und mächtig ist. Man darf hier nicht stehen bleiben. Wir müssen den Glauben bewahren, das ist heute ganz wichtig: Den Glauben bewahren. Man muss weiter gehen, über das Dunkel hinaus, über das Faszinierende der Sirenen, über die Weltlichkeit hinaus, über so viele Modernitäten hinaus, nach Bethlehem, dorthin, wo in der Einfachheit eines Hauses der Peripherie, bei einer Mutter und einem Vater voller Liebe und Glaube, die Sonne aus der Höhe erstrahlt, der König des Universums. Nach dem Beispiel der Sterndeuter wollen wir mit unseren kleinen Lichtern das Licht suchen, wir wollen den Glauben bewahren. So sei es.



Zusatzinformation:

Der Hymnus, welchen der Papst zitiert, ist der Hymnus „A solis ortus cardine“ aus dem 5. Jahrhundert. Einige Strophen sind als eigenständiger Hymnus zum Fest Epifanie in die Liturgie eingegangen. Die vom Papst zitierte Strophe:

Ibant magi, qua venerant
stellam sequentes praeviam,
lumen requirunt lumine,
deum fatentur munere.

In der Übertragung Martin Luthers:

Dem Stern die Weisen folgen nach,solch Licht zum rechten Licht sie bracht. Sie zeigen mit den Gaben drei, dies Kind Gott, Mensch und König sei.

Oder wörtlich übersetzt:

Die Weisen gingen, wie sie gekommen waren, dem Stern, der ihnen vorausging, folgend. Durch ein Licht streben sie zum Licht, bekennen Gott mit ihrem Geschenk.

(rv 06.01.2014 ord)







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