Die Vatikanumfrage zu Ehe, Familie und Sexualität offenbart im Erzbistum Köln eine
tiefe Kluft zwischen kirchlicher Lehre und dem Leben der Katholiken. „Insgesamt wird
die Lehre der Kirche als welt- und beziehungsfremd angesehen“, hieß es bei der Vorstellung
der Ergebnisse am Freitag in Köln. Viele praktizierende Katholiken könnten die Ablehnung
künstlicher Mittel zur Empfängnisverhütung und homosexueller Partnerschaften sowie
den Ausschluss wiederverheirateter Geschiedener von der Kommunion nicht nachvollziehen.
Nach Worten des Leiters der Hauptabteilung Seelsorge, Martin Bosbach, handelt es sich
zwar nicht um eine repräsentative Umfrage. Das Ergebnis bilde dennoch die Mehrheitsmeinung
der aktiven Katholiken ab, so der Sprecher.
Die Umfrage wurde Anfang November
von Papst Franziskus initiiert, um Erkenntnisse für die außerordentliche Weltbischofssynode
zum Thema Familie im Oktober 2014 zu gewinnen. Die Bischofskonferenzen wurden aufgefordert,
die Meinung der Gläubigen zu diesen Themen einzuholen und eine Zusammenfassung der
Ergebnisse bis Ende Januar vorzulegen. Daraufhin startete das Erzbistum Köln wie einige
andere deutsche Diözesen eine Befragung unter Katholiken, die in die Gesamtschau der
Bischofskonferenz einfließen soll. Angefragt wurden innerhalb von dreieinhalb Wochen
die Voten des Diözesanrats und der Stadt- und Kreisdekanate, von denen sich rund zehn
beteiligten. Aber auch Rückmeldungen aus Online-Befragungen des Bundes der Deutschen
Katholischen Jugend (BDKJ), des Familienbundes oder der Bonner Stadtkirche mit rund
2.200 Antworten flossen ein. In Düsseldorf eruierte ein Konvent mit 70 Teilnehmern
die Meinung der Kirchenbasis.
„Wir wollten nichts glattbügeln“, so Bosbach.
Der hohe Anspruch der kirchlichen Lehre stimme offenbar nicht mit dem Leben der Menschen
überein. Die Morallehre der Kirche in Fragen der Geburtenregelung wird größtenteils
nicht akzeptiert, heißt es. Viele Jugendliche fänden besonders das Kondomverbot nicht
nachvollziehbar. Gefordert wird eine Revision der kirchlichen Sexualmoral und eine
positive Bewertung von Sexualität auch außerhalb der Ehe. Homosexuelle Paare mit und
ohne eingetragene Partnerschaft müssten in den Gemeinden anerkannt werden können.
Gefordert wird auch ein barmherziger Umgang mit wiederverheirateten Geschiedenen,
die sich von der Amtskirche diskriminiert und ausgegrenzt fühlten. Laut Untersuchung
leben fast alle Paare, die um eine kirchliche Trauung bitten, bereits zusammen, oft
schon über Jahre. Die Zahl der Feiern, bei der Trauung und Kindtaufe zusammenfallen,
nehme zu.
Nach den Worten von Bosbach hat der Kölner Kardinal Joachim Meisner
das Umfrageergebnis „zur Kenntnis genommen“. Die stellvertretende Seelsorgeamtsleiterin,
Elisabeth Neuhaus, bedauerte, dass die Kirche als Institution wahrgenommen werde,
„die urteilt, beurteilt, verurteilt“. Die stark nachgefragten Angebote der Kirche
in der Lebenshilfe oder von Familienzentren würden nicht mit ihr in Verbindung gebracht.