Angesichts einer drohenden
Zuspitzung des Konflikts zwischen Regierung und Opposition in der Ukraine ermuntern
die Kirchen des Landes beide Seiten zu Gesprächen. „Wir rufen die ukrainische Gesellschaft,
Regierung und Opposition zum Dialog und zur gemeinsamen Suche nach einem Ausweg aus
der Krise auf“, heißt es in dem am Dienstag veröffentlichten Appell der Vereinigung
der Glaubensgemeinschaften. Alle Beteiligten werden ermahnt, sich gegenseitig zu respektieren
und keine Gewalt anzuwenden. Die Glaubensgemeinschaften verurteilen zudem „Akte der
Gewalt und Brutalität“ gegen friedliche Demonstranten, Journalisten und Polizisten.
Die Regierung müsse für eine unabhängige Untersuchung der Vorfälle und die Bestrafung
der Täter sorgen. Auch sonst dürften den Bürgern ihre in der Verfassung garantierten
Rechte und Freiheiten nicht genommen werden.
Unterschrieben ist der Aufruf
vom Kiewer Metropoliten Volodymyr, dem Oberhaupt der zum Moskauer Patriarchat gehörenden
ukrainisch-orthodoxen Kirche und derzeitigen Vorsitzenden des „All-Ukrainischen Rates
der Kirchen und religiösen Organisationen“. Es ist die erste gemeinsame Stellungnahme
der Glaubensgemeinschaften seit Beginn der Straßenproteste in der Ukraine vor knapp
drei Wochen. Auslöser der Demonstrationen war die überraschende Absage der Regierung
an ein Assoziierungsabkommen mit der EU. Für den Vertrag hatten sich auch die Kirchen
ausgesprochen.
Griechisch-katholische Kirche verurteilt Polizeieinsatz
gegen Demonstranten Die griechisch-katholische Kirche der Ukraine kritisierte
derweil das Vorgehen der Polizei gegen die Demonstranten auf dem Kiewer Unabhängigkeitsplatz.
„Wir verurteilen die Handlungen, die auf eine Einschränkung der Bürgerrechte abzielen,
insbesondere der Freiheit des Wortes und der friedlichen Willensäußerung der Bürger
der Ukraine“, heißt in einer Erklärung der sechs leitenden Bischöfe von Mittwochmorgen.
Zugleich versichern sie den Demonstranten ihre Unterstützung; diese bezeugten die
„Würde“ der ganzen Nation.
Sicherheitskräfte hatten in der Nacht zum Mittwoch
versucht, die gegen die Regierung protestierenden Menschen vom Unabhängigkeitsplatz
zu verdrängen. Sie rissen von Demonstranten errichtete Barrikaden nieder. Tausende
Regierungsgegner verharrten jedoch am Mittwochvormittag weiter auf dem Platz. Priester
traten auf der Bühne auf. Sie verlasen den gemeinsamen Aufruf der Glaubensgemeinschaften
für eine friedliche Lösung der politischen Krise.
Maidan-Platz „noch
nicht geräumt“ Ersten Berichten, wonach der Maidan-Platz in Kiew von der
Polizei geräumt worden sei, hat indes der Präsident der Caritas in der Ukraine, Andrij
Waskowycz, am Mittwochmorgen widersprochen. Der zur Opposition gehörige Waskowycz
sagte gegenüber dem Sender „hr-info“: „Es ist noch keine Räumung. Die Polizei hat
um ein Uhr begonnen, die Zufahrtsstraßen und die Barrikaden auf den Zufahrtsstraßen
zum Maidan zu räumen. Das ist der Polizei nicht gelungen.“
Weiter sagte der
Chef des katholischen Hilfswerks, die Fernsehbilder von der versuchten Räumung hätten
sogar dazu geführt, dass sich die Zahl der Demonstranten auf dem Platz vervielfacht
habe: „Auf dem Unabhängigkeitsplatz waren um ein Uhr nachts etwa 3.000 bis 5.000 Leute.
Jetzt, als ich den Platz verließ, waren ungefähr 30.000 Menschen auf dem Platz, und
sie halten die Position gegen die vorgerückten Sonderkommandos der Polizei.“
Keine
Erklärung hatte Waskowycz in „hr-info“ für den Zeitpunkt der versuchten Räumung: „Kein
Mensch versteht, was der Sinn dieser ganzen Aktion ist. Man wundert sich, denn zum
einen sind die Demonstranten fest entschlossen weiterzumachen, zum anderen hat der
Präsident beim gestrigen runden Tisch durchblicken lassen, dass möglicherweise auf
Bedingungen der Demonstranten eingegangen wird.“