Abschied von Mandela: „Seine Werte sind heute selbstverständlich“
An diesem Dienstag
hat die Welt Abschied von Nelson Mandela genommen: Trotz des Regens strömten Zehntausende
von Menschen singend und tanzend in das Stadion von Johannesburg. Sie ehrten den
ersten Präsidenten des freien Südafrika, den Überwinder der Apartheid und Friedensnobelpreisträger,
der am Wochenende im Alter von 95 Jahren gestorben ist. Um sechs Uhr in der Frühe
hatte das Stadion schon seine Tore geöffnet; die Zeremonie, die live in alle Welt
übertragen wurde, startete mit einem interreligiösen Gebet. Unter den internationalen
Gästen – etwa hundert Staats- und Regierungschefs – waren US-Präsident Barack Obama
und Kubas Präsident Raúl Castro, die sich zu einem historischen Händedruck bereitfanden;
Papst Franziskus hat als seinen Vertreter Kurienkardinal Peter Appiah Turkson geschickt.
„Überall in den Städten, aber auch in den Dörfern gibt es in diesen Tagen
Kundgebungen“, berichtet Raymond Perrier vom Jesuiteninstitut von Johannesburg im
Gespräch mit Radio Vatikan.
„Die Menschen reden darüber, welchen Einfluss
Mandela auf ihr Leben hatte, denn er hat ja das Leben fast eines jeden Südafrikaners
verändert. Auch die, die ihm nie begegnet sind, hatten das Gefühl, er sei ihr Vater.
Auch die Weißen denken im Prinzip so. Als Mandela noch in Haft war, hatte er viele
Gegner, und auch noch, als er zum Präsidenten gewählt wurde, gab es da eine gewisse
Angst bei den Weißen – aber mit seinem Leben und seiner Großzügigkeit ist Mandela
doch auch für die Weißen, nicht nur für die Schwarzen, zu einem Helden geworden. Seine
Sekretärin war eine Weiße; sie war die Sekretärin des früheren Präsidenten gewesen,
und er bat sie, doch einfach im Amt zu bleiben.“
Auch die Katholiken in
Südafrika hätten viele Kontakte zu Mandela gehabt und zu ihm aufgeblickt, so Perrier
– schließlich habe Mandela ihre Werte verkörpert. Was Mandela an Werten in die Gesellschaft
hineingebracht habe, das werde bleiben.
„Ich habe den Tag mit einer Gruppe
von 17- und 18-Jährigen verbracht, und alle haben nur von Mandelas Leben und von seinem
Tod gesprochen. Es ist doch interessant, dass er für sie schon eine Gestalt der Geschichte
ist; sie sind alle nach dem Ende der Apartheid geboren, und die Apartheid ist etwas,
worüber sie in der Schule hören wie über den Zweiten Weltkrieg – etwas Vergangenes.
Aber diese Werte, für die Mandela stand, die sind ihnen heute selbstverständlich.
Zum Beispiel die Menschenwürde: das ist für sie etwas ganz Natürliches.“
Das
Stadion, in dem die Trauerfeier für Mandela stattfand, liegt in Soweto, dem früheren
Schwarzen-Ghetto, in dem auch Mandela einige Jahre gelebt hat. 1990 war es der Schauplatz
einer seiner ersten großen Reden nach der Freilassung aus der Haft. Beigesetzt wird
Mandela am kommenden Sonntag in seinem Heimatdorf.
Der Sprecher von Papst
Franziskus, Jesuitenpater Federico Lombardi, steuerte an diesem Dienstag noch eine
besondere Erinnerung an Mandela bei. Der verstorbene Mailänder Kardinal Carlo Maria
Martini – ebenfalls ein Jesuit – sei einmal gefragt worden: Wer war der beeindruckendste
Mensch, dem Sie je begegnet sind? Martinis Antwort sei gewesen: „Mandela. Er war der
einzige, der auch nicht den Schatten eines Ressentiments zu haben schien. Ein Mann,
der vollkommen im Frieden war.“