Kinderschutz: Neue Kommission braucht „Durchgreifmöglichkeiten“
„Das ist
ein klares Zeichen dafür, dass Papst Franziskus und die Kardinäle, die ihn beraten,
das Thema Schutz von Kindern im kirchlichen Raum und drüber hinaus wirklich als eine
Priorität ansehen.“
So wertet der Jesuit Pater Hans Zollner Franziskus’
Entscheidung, eine Expertenkommission für Kinderschutz einzurichten. Den Plan hatte
Kardinal O’Malley am letzten Sitzungstag des Kardinalsrates am Donnerstag bekanntgegeben.
„Es ist schon erstaunlich, dass es das erste konkrete Ergebnis dieses Beratungsgremiums
des Papstes ist. Es ist erstaunlich, wie detailliert da auch Dinge eingefordert werden,
die dann die Aufgabe dieser neuen Kommission darstellen sollen. Kardinal O’Malley,
der das gestern vorgestellt hat, hat berichtet von einer sehr angeregten Diskussion
der Kardinäle und auch von der großen Aufmerksamkeit, die der Papst dem Thema geschenkt
hat.“
Der Vizerektor der Päpstlichen Uni Gregoriana erzählt im Gespräch
mit Radio Vatikan, dass neben O’Malley Kardinal Reinhard Marx von München „der größte
Unterstützer der Idee im Kreis der acht Kardinäle“ gewesen sei. Die Einrichtung der
Kommission sei ein weiterer Schritt in Richtung Professionalisierung des Heiligen
Stuhls im Kampf gegen sexuellen Missbrauch:
„Es wird darum gehen, so
lese ich das, dass mit dieser Kommission ein sog. ,Auditing-Prozess’ eingeführt wird.
Also das, was man im Qualitätsmanagement von Betrieben, oder auch von staatlichen
Prozeduren, eine Gruppe nennen könnte, die überwacht, dass das, was eigentlich vorgesehen
ist, auch eingeführt wird, und dass der Qualitätsstandard, den man anstrebt, auch
wirklich verfolgt wird.“
Zollner steht in regelmäßigem Kontakt mit
Kirchenvertretern und Laien weltweit, die den Kampf gegen Missbrauch aufgenommen haben.
Andererseits weiß er auch um den großen Nachholbedarf, den es in vielen Ländern der
Welt bei dem Thema gibt. Garantieren, dass bestehende Rechtsvorgaben auch tatsächlich
angewendet werden, sei wesentlich, betont der Jesuit:
„Denn wir wissen
aus den letzten 20 Jahren, dass Bischofskonferenzen nicht dem gefolgt sind, was schon
längst als kirchliche Rechtsvorlage eingesetzt war, woran sie sich hätten halten müssen
– Bischofskonferenzen und einige Bischöfe.“
Bis heute gibt es weltweit
Bischofskonferenzen, die die von der Glaubenskongregation geforderten Leitlinien zur
Missbrauchsprävention immer noch nicht erarbeitet hätten, klagt Zollner. Mit welchen
Kompetenzen die neue Kinderschutzkommission in Fällen ausgestattet sein wird, in denen
Vatikanvorschriften nicht eingehalten werden, ist derzeit noch offen. Für Zollner
muss das Gremium klar auch hier Handlungsmöglichkeiten erhalten:
„Also
es wird sicher zu reden sein über die Frage: Was kann die Kommission tun, wenn in
einer Bischofskonferenz oder in einer Diözese bestimmte Regeln nicht eingehalten werden?
Da kommen wir wieder zu einem der Standardthemen der letzten Jahre zurück: Welche
Art von Mitverantwortung tragen kirchliche Amtsträger dafür, wenn Priester, Ordensleute
oder kirchliche Mitarbeiter Missbrauch verüben?“
Dabei muss im Notfall
auch möglich sein, gegen innerkirchliche Widerstände vorzugehen, präzisiert der Jesuit.
Ortsbischöfe hätten auf lokaler Ebene bislang „praktisch keine Möglichkeiten“ zu reagieren,
wenn sie merkten, dass die Leitlinien der Bischofskonferenz nicht angewendet würden.
Zollner:
„Wir brauchen auch Durchgreifmöglichkeiten, auch rechtlich
greifende Instrumente, das auch durchzusetzen, was von der gesamten Rechtsordnung
der Kirche her vorgesehen ist – notfalls auch gegen den Widerstand eines Bischofs,
der sich sperrt.“
Ein Gremium ergänzend zur Glaubenskongregation
Papst
Franziskus will die Zusammensetzung und die Befugnisse der Kinderschutzkommission
in Kürze mit einem eigenen Schreiben bekannt geben. Was aber jetzt schon klar ist:
Das neue Gremium wird die Kompetenzen der Glaubenskongregation nicht beschneiden.
Dazu Zollner:
„Die Kommission soll als eine Überprüfung dessen funktionieren,
was in den einzelnen Ländern und Diözesen umgesetzt wird und kann so sicherlich mit
der Glaubenskongregation zusammenarbeiten. Aber sie kann ja nicht deren Arbeit machen,
weil die Glaubenskongregation seit zwölf, dreizehn Jahren auch die ganzen Strafprozesse
durchführt, die Missbrauchstäter im kirchlichen Raum betreffen. Das kann sicher nicht
die Aufgabe der neuen Kommission sein.“
Die Glaubenskongregation sei
mit vielen Fragen befasst, die auch in der Aufgabenbeschreibung der neuen Kommission
stehen, sie könne sie jedoch „aus Personalmangel überhaupt nicht leisten“, so Zollner.
Die Kinderschutzkommission könne hier als Ergänzung gesehen werden:
„Insofern
sehe ich diesen Schritt tatsächlich als eine Antwort auf die ganzen Fragen, die mit
den Missbrauchsfällen in der Kirche verbunden sind. Um nur einige Beispiele zu nennen,
die sicher sehr auf den Nägeln brennen: Wie kann man Opfern gerecht werden? Wie kann
man die Strafprozesse gegen die Täter beschleunigen? Was tun wir mit Priestern, die
als Täter verurteilt sind? Also hier sind viele Felder, die die Glaubenskongregation
nicht bearbeiten kann und die auch nicht in ihrer Kompetenz stehen (…) auch der ganze
Bereich der theologischen Auseinandersetzung kann nicht Aufgabe der Glaubenskongregation
sein, sondern da muss es um einen Mobilisierungseffekt gehen, der auch durch diese
Kommission weiter vertieft wird: Wie können wir weltweit als Kirche uns dem Thema
stellen?“
Die Aufgaben der zukünftigen Kinderschutzkommission werden
vielfältig sein; sie sollen offenbar von Seelsorge für Betroffene über Fortbildungsangebote
bis hin zu Fragen der Gesetzgebung reichen. Zollner sieht das Spektrum insgesamt als
„Mammutaufgabe“. Die zwölf Mitglieder könnten dies kaum alleine leisten.
„Es
kann nur subsidiär gehen. Das heißt, diese Kommission kann nur bestimmte Bereiche,
einen nach dem anderen, anschauen und für die lokalen Kirchen, die Diözesen, Bischofskonferenzen
Vorschläge machen dazu, wie diese Bereiche auch tatsächlich aktiviert werden können.
Im Sinne der Fragen: Welche guten Erfahrungen gibt es zum Beispiel im Umgang mit den
Medien, in den Aufnahmeverfahren für die Priesterkandidaten, in Bildungsprogrammen
für Kinder, Erwachsene und pastorale Mitarbeiter etc.“