Europa: Intoleranz gegenüber Christen – mehr Sensibilität gefragt
Christen sind in Europa
einer wachsenden Intoleranz und Diskriminierung ausgesetzt. Die freie Religionsausübung
scheint immer stärker eingeschränkt. Eine Tagung der OSZE, der Organisation für Sicherheit
und Zusammenarbeit in Europa, hat sich an diesem Freitag in Rom dem Thema gewidmet.
Mit Vertreten bei der Konferenz war auch das Staatssekretariat des Heiligen Stuhls.
Dessen Mitarbeiter Florian Kolfhaus erklärte, der Heilige Stuhl kümmere sich seit
Jahren intensiv um das Thema der Diskriminierung von Christen in Europa.
„Es
gibt ja nicht nur das traurige Phänomen der Christenverfolgung, einer blutigen Christenverfolgung
in Afrika, im Mittleren Orient, es gibt auch eine immer größer werdende Intoleranz
in Europa. Wir können da zum Beispiel an den jüngsten Fall denken, als einer norwegischen
Fernsehreporterin ein Schmuckkreuz verboten worden ist.“
In Deutschland
äußere sich die ablehnende Haltung gegenüber Christen in erster Linie in Form von
Vandalismus, also Verwüstungen an Friedhöfen und Kirchen. Doch aufgrund fehlender
Berichterstattung werde das Thema in der Öffentlichkeit kaum wahrgenommen, so Kolfhaus.
Der Heilige Stuhl möchte sich dafür einsetzen, dass das Thema in ganz Europa mehr
Gehör findet.
„Was wir versuchen, ist, über die Nuntien, also die Botschafter
des Heiligen Stuhls in allen Ländern, Statistiken zu sammeln, die Fälle zu registrieren.
Die geben wir an die OSZE weiter, die jährlich einen sogenannten ‚Hate Crime Report’
veröffentlicht. Also einen offiziellen Bericht, in dem Straftaten gegen verschiedene
gesellschaftliche Gruppen aufgelistet werden. Und so versuchen wir auf der politischen
Ebene, Bewusstsein dafür zu schaffen.“
Was der Heilige Stuhl nicht für
nötig hält, sind neue Gesetze. „Wir brauchen eine größere Sensibilität“, sagte Kolfhaus.
„Natürlich hoffen wir, dass Priester, Bischöfe, engagierte Laien in ihrem
Umfeld deutlich machen, dass wir hier ein echtes gesellschaftliches Problem haben,
dass in manchen Bereichen die Religionsfreiheit auf dem Spiel steht.“
Bei
der Konferenz in Rom war auch Martin Kugler anwesend, Sprecher der Nichtregierungsorganisation
‚Observatory on Intolerance and Discrimination against Christians in Europe’ mit Sitz
in Wien. Diese Stelle hat sich zur Aufgabe gemacht, Intoleranz und Diskriminierung
gegenüber Christen zu dokumentieren. In den vergangenen Jahren habe die Organisation
41 Gesetze in Europa dokumentiert, die die christliche Religionsfreiheit einschränkten.
Besonders der Bereich der Medizin, der Bioethik und Biotechnologie sei davon betroffen.
„Zum Beispiel die Gewissensfreiheit ist besonders im medizinischen Bereich
sehr heikel, wenn die Gesetzgebung entweder von Krankenhäusern oder zumindest von
einzelnen Ärzten verlangt, an Handlungen mitzuwirken, Handlungen anzubieten, die naturrechtlich
nicht in Ordnung sind. Sprich für Christen sowieso nicht denkbar. Aber für jeden gläubigen
Menschen eigentlich nicht, wo kein Kompromiss möglich ist. Abtreibung, Euthanasie,
künstliche Befruchtung, Dinge, die in der Bioethik ständig oder in der Biotechnologie
ständig auch als Problem wachsen.“
Dieses Problem, so Kugler, werde die
katholische Kirche und die europäische Gesellschaft in den nächsten Jahren noch intensiv
beschäftigen. Die politische Auseinandersetzung werde da sehr aggressiv geführt. Für
Kugler gibt es dafür zwei Ursachen: Christliche Politiker hätten sich in den vergangenen
Jahrzehnten zu wenig um Medizin und Bioethik gekümmert, sich stattdessen von kleinen
Interessengruppen überrrollen lassen. Und:
„Es gibt in Europa eine Art
radikalen Säkularismus, der ganz anders ist als zum Beispiel der in den USA, wo man
sehr wohl Trennung von Kirche und Staat seit Jahrhunderten lebt, aber eben trotzdem
die persönliche Überzeugung und das Folgen dem eigenen Gewissen respektiert. Und in
Europa wollen manche Gruppen, auch leider radikale feministische Gruppen, zum Beispiel
verbieten, dass Christen sich weigern, eine Abtreibung durchzuführen.“
Für
Martin Kugler ist das eine Beschneidung der Freiheit, nämlich die eines jeden Christen,
seine Religion frei auszuüben. Bei der Sensibilisierung für die Intoleranz gegenüber
Christen sieht auch der Sprecher der Nichtregierungsorganisation den Heiligen Stuhl
als sehr wichtig an:
„Weil er erstens natürlich von vielen als sehr kompetent
angesehen wird, was Religionsfreiheit betrifft. Weil der Heilige Stuhl weiß, dass
es auch nicht nur um die eigene Sache geht, also um die Katholiken, sondern um alle
Religionen eigentlich. Christen werden immer mehr zu Verteidigern der Freiheit in
unserer westlichen Gesellschaft, weil man eben unter dem falschen Neutralitätsbegriff
oder Antidiskriminierungsbegriff Dinge macht, die wieder zurückgehen und weniger Freiheit
gewähren.“
Der Vatikan hätte da als Institution, die in internationalen
Organisationen wie der OSZE vertreten ist, wesentlich mehr Möglichkeiten, Einfluss
zu nehmen als Nichtregierungsorganisationen, unterstrich Kugler.