2013-11-04 15:28:29

D/Syrien/Jordanien: „Kinder und Frauen sind die Leidtragenden“


RealAudioMP3 „Fast 80 Prozent aller Flüchtlinge aus Syrien in den Auffanglagern in Jordanien sind Frauen und Kinder.“ Das berichtet der Hildesheimer Bischof Norbert Trelle im Interview mit Radio Vatikan. Am Samstag und Sonntag hatte er im Auftrag der Deutschen Bischofskonferenz (DBK) gemeinsam mit dem Vorsitzenden des Rates der Evangelischen Kirche Deutschlands (EKD), Nikolaus Schneider, Flüchtlingslager in Jordanien besucht. Im Lager al-Husn und bei Flüchtlingsfamilien in Amman informierten sich die Kirchenvertreter über die Situation der Menschen, die vor dem Krieg in ihrer syrischen Heimat geflohen sind. Auch nach seiner Rückkehr nach Deutschland hat Bischof Trelle noch einige Bilder aus den Flüchtlingslagern deutlich vor Augen. Er erinnert sich zum Beispiel an eine Begegnung mit Kindern:

„Wenn sie Bilder malen, malen sie fast nur Bilder ihrer zerstörten Häuser und Panzer und Granateinschläge und verwundete Menschen. Man muss mit ihnen wieder so reden, dass sie darüber auch nicht vergessen, dass sie Kinder sind, und dass sie auch miteinander spielen. Das tun sie auch, und es ist großartig, welches Hoffnungspotential in den Kindern vorhanden ist. Das spürt man. Sie schauen einen ja fast fröhlich an – und erzählen dann aber wieder gleich im nächsten Augenblick von dem Schrecklichen, was sie erlebt haben. Das war für uns beide, für den Ratsvorsitzenden wie für mich, eine sehr eindrucksvolle Ebene der Begegnung.“

Bischof Trelle und Präses Schneider sahen auch, wie viel die kirchlichen Hilfswerke vor Ort bereits schon leisten: Sie verteilen Nahrungsmittel, kümmern sich um die medizinische Versorgung der Flüchtlinge oder teilen warme Decken und kleine Ölöfen für die bereits kalten Nächte aus. Da nun der Winter vor der Tür steht und die Baracken im Flüchtlingslager keinen ausreichenden Schutz vor der Kälte bieten, sei aber noch viel mehr Hilfe nötig. Neben der materiellen Hilfe ist aber auch die psychologische Betreuung der Flüchtlinge elementar, betont Bischof Trelle:

„Vor allen Dingen ist es notwendig, dass es psychosoziale Hilfe gibt. Das hatte ich auch erwartet, aber sicher nicht in dem Maß, wie es dann wirklich geschieht: Die Menschen, die sich in unseren Hilfseinrichtungen – also bei Caritas Internationalis, oder Diakonie Katastrophenhilfe der Evangelischen Kirche – engagieren, leisten eine große, verdienstvolle Arbeit, indem sie Menschen mit ihren Traumatisierungen – seelische, körperliche – begleiten, und das täglich.“


Die Hilfe der Kirchen ist jedoch nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Trelle und Schneider wünschen sich, dass sich auch die Bundesrepublik Deutschland noch mehr in der Frage der syrischen Flüchtlinge engagiert, zum Beispiel indem Deutschland mehr Menschen als die bisherigen 5.000 syrischen Flüchtlinge aufnimmt. Es gehe dabei nicht um finanzielle Fragen, sondern „um die emotionale Bereitschaft, diese Menschen aufnehmen zu wollen“, so Trelle. Er weist darauf hin, dass es sich vorrangig um eine Aufgabe des Staates handele, sich aber auch die Kirchen hier noch mehr engagieren können und wollen. So prüfe man beispielsweise, wo es freie kirchliche Immobilien gebe, die für die Flüchtlinge zur Verfügung gestellt werden könnten.

„Wohnraum, Unterhalt, Lebensunterhalt, das ist das eine, aber menschliche Kontakte knüpfen, miteinander auch das Leben so zu gestalten, dass die Flüchtlinge nach und nach hier wirklich auch ein Stück neue Heimat finden – das ist ein mindestens ebenso wichtiger, vielleicht sogar noch wichtigerer Schritt.“

Gleichzeitig erinnert Bischof Trelle auch daran, dass immer mehr Christen Syrien verlassen:

„Das ist in der Tat ja ein noch nicht ganz gelöstes Problem: Wie soll man mit dieser Situation jetzt umgehen? Sollen wir versuchen, alle ausreisen zu lassen und dafür das Notwendige tun, oder sollen wir sie daran erinnern, dass ihre Präsenz als Christen im Heiligen Land auch von unschätzbarem Wert ist? Zwischen diesen beiden Positionen geht das immer hin und her. Aber die Menschen haben große Angst, auch die Christen, dass sie angesichts dessen, was sie erlebt haben, in Syrien nicht mehr in normalen und gesicherten Verhältnissen werden leben können.“
Auch der Vorsitzende des Rates der Evangelischen Kirche Deutschlands, Nikolaus Schneider, ist noch immer tief betroffen von dem, was er beim Besuch der jordanischen Flüchtlingslager sah: „Das legt sich wie Mehltau auf die Seele. Es bedrückt sehr.“ Gleichzeitig habe er aber auch miterlebt, was für eine wunderbare Arbeit vor Ort geleistet werde – von katholischen wie evangelischen Hilfswerken. Ihm sei es sehr wichtig gewesen, dass eine ökumenische Delegation aus Deutschland die Flüchtlingslager in Jordanien gemeinsam besucht habe, so Schneider:

„Wenn es um humanitäre Unterstützung von Menschen geht, dann können wir das als christliche Kirchen am besten gemeinsam. Es ist ein Zeugnis vor unserem Herrn. Das in ökumenischer Gemeinschaft zu tun, ist auch ein Ruf zum Glauben.“

(rv/pm 04.11.2013 sta)








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