UNO: Fortschritte im Kampf gegen weibliche Genitalverstümmelung
Der Kampf gegen die
weibliche Genitalverstümmelung zeigt weltweit Erfolge. Das wurde jetzt auf einer UNO-Konferenz
in Rom deutlich, die über internationale Initiativen im Kampf gegen die Praktik informierte.
Vertreter von Regierungen, Menschenrechts- und Hilfsorganisationen aus über 25 Ländern
kommen dafür noch bis Freitag in der Ewigen Stadt zusammen. Die zumeist aus der Tradition
begründete Verstümmelung oder Entfernung der äußeren weiblichen Geschlechtsorgane
ist im westlichen und nordöstlichen Afrika, aber auch in Asien verbreitet, etwa in
Malaysia, Indonesien, Irak und im Jemen. Laut UN-Angaben sind weltweit 100 bis 140
Millionen Frauen und Mädchen betroffen.
„No more Female Genital Mutilation!
Nie wieder weibliche Genitalverstümmelung!“ Es sind junge Mädchen, ja fast noch Kinder,
die hier in Äthiopien auf Initiative des afrikanischen Netzwerkes IAC - des „Inter-African
Committee on Traditional Practices Affecting the Health of Women and Children“ - auf
die Straße gehen. Selbstbewusst schmettern sie ihre Parolen in die Kameras, die alles
aufzeichnen. Auch Jungen und Männer machen mit bei der Demo. Gemeinsam treten sie
für das Recht auf körperliche Unversehrtheit und Selbstbestimmung ein, das in vielen
Ländern Afrikas noch keinesfalls selbstverständlich ist.
„Wir nennen das Enttabuisierung
– denn vorher war die weibliche Genitalverstümmelung ein sehr großes Tabu, niemand
durfte offen drüber reden“, berichtet Morissanda Kouyate, der Direktor des IAC-Netzwerkes,
am Rande der UNO-Konferenz zum Thema in Rom. Die Demo, die wir gerade hörten, dokumentiert
das Netzwerk auf seiner Homepage. Die Vereinten Nationen haben Ende 2012 zum ersten
Mal eine Resolution verabschiedet, die die Internationale Gemeinschaft zur Durchführung
breiter Maßnahmen zur vollständigen Abschaffung der weiblichen Genitalverstümmelung
aufruft. Seitdem ist viel Positives geschehen, berichtet Morissanda Kouyate:
„Heute
haben wir ein Gesetz dazu in 19 afrikanischen Ländern, wir haben unser Netzwerk IAC
in 29 Ländern, und es gibt eine Erklärung der Staaten der Afrikanischen Union zur
weiblichen Genitalverstümmelung. Wir können heute offen über das Thema sprechen. Doch
für mich ist der größte Erfolg, dass diese Praktik aktuell überall in der Welt abnimmt
- das ist wirklich großartig!“
Die weibliche Genitalverstümmelung, die
oft in Ländern muslimischer Prägung existiert, hat mit der Religion des Islam nichts
zu tun, räumt Kouyate ein gängiges Vorurteil aus dem Weg: „Es gibt im Koran keinerlei
Erwähnung dieser Praxis. Die Genitalverstümmelung kommt aus der Zeit vor dem Islam,
ja reicht sogar vor das Christentum zurück, bis in die Zeit der Pharaonen: Es gibt
einige weibliche Mumien, die Genitalverstümmelung aufweisen. Dass das im Koran stehen
soll, ist also ein Irrtum. Gutes Beispiel dafür ist Saudi-Arabien, der Tempel des
Islam. Dort existiert diese Praxis nicht.“
Heute geht man davon aus, dass sich
die Praktik der Beschneidung von Genitalien vom antiken Ägypten aus über den afrikanischen
Kontinent verbreitet hat. Als Tradition sei das Ritual in vielen Gemeinschaften tief
verwurzelt, so Kouyate. Viele verstehen es als notwendige Voraussetzung für die Verheiratung
der Mädchen, andere befürchten negative gesundheitliche oder reproduktive Folgen,
wenn die Frauen nicht beschnitten sind. Das Gegenteil ist der Fall: Neben den bestialischen
Schmerzen führt die Genitalverstümmelung zu schweren psychischen und gesundheitlichen
Folgen. Auch ist die Empfindungsfähigkeit der Opfer stark eingeschränkt, viele erleiden
Traumata. In der Aufklärungsarbeit sei es sehr schwer, die Ansichten jener Volksgruppen
zu ändern, die Beschneidungen seit Jahrhunderten praktizieren. Kouyate:
„Als
wir mit unserer Arbeit begonnen haben, haben wir mit medizinischen Gründen argumentiert.
Wir sagten: ,Das ist nicht gut für die Gesundheit‘. Heute gehen wir da etwas weiter,
betonen, dass die Frauen und Mädchen ein Recht auf körperliche Unversehrtheit haben.
Es ist sehr wichtig für die Menschen zu begreifen, dass das eine abscheuliche Verletzung
von Frauenrechten ist. Das ist eine Herausforderung: Wir müssen erklären, dass es
nicht nur eine Verletzung der Unversehrtheit ist, sondern eine Verletzung der Menschenrechte
insgesamt. Daran arbeitet unser Inter-Afrikanisches Komitee.“
Und dafür
arbeite das IAC-Netzwerk inzwischen auch vielen Partnern zusammen, so sein Direktor:
„Um gegen die weibliche Genitalverstümmelung zu kämpfen, brauchen wir jeden,
wir brauchen afrikanische und internationale Organisationen, regionale und föderale
Organisationen, Nichtregierungsorganisationen, die Zivilgesellschaft, wir brauchen
alle. Es ist eine sehr große Herausforderung, niemand kann das alleine machen.“
Die
UN-Resolution von Dezember 2012 hält die Länder nicht nur zum gesetzlichen Verbot
der Genitalverstümmelung an, sondern auch zu Maßnahmen, um Frauen und Mädchen zu unterstützen,
die die traumatische Erfahrung bereits gemacht haben, einschließlich Migrantinnen
und Flüchtlinge.