Die Weitergabe des
Evangeliums ist und bleibt die zentrale Aufgabe bei allen Reformbestrebungen in der
Kirche. Dieses Resümee zog Kardinal Christoph Schönborn bei der abschließenden Eucharistiefeier
im Rahmen der 4. Wiener Diözesanversammlung am Samstag im Stephansdom. Damit dies
methodisch gelingen könne, brauche es den Blick auf die Schriften des Neuen Testaments.
„Wir können nur evangelisieren, wenn wir bereit sind zu empfangen" - dies sei die
Grunderfahrung der Apostel gewesen, die dauerhaft gültig bleibe, so Schönborn. Ziel
sei, dass durch das Evangelium das persönliche Leben verändert wird. Das stecke auch
hinter dem in der Erzdiözese laufenden Projekt „Jüngerschaftsschulung". Es gehe darum,
sich in die Schule Jesu zu begeben, „wo es keine Noten gibt" - und diese Schule sei
eine lebenslange Einladung.
Die Messe war Höhepunkt und Abschluss der bislang
vierten Diözesanversammlung im Rahmen des Entwicklungsprozesses der Erzdiözese Wien.
Ziel dieser bis zum Jahr 2022 angelegten Reform ist es, die missionarische Dynamik
der Kirche in Wien zu stärken und dafür zeitgemäße und schlankere kirchliche Strukturen
zu schaffen. Rund 1.500 Delegierte hatten an der Versammlung teilgenommen, „wo der
Friede Christi oft spürbar war", so Kardinal Schönborn am Beginn der Messe. Die Versammlung
sollte „Pause und Orientierungsphase" sein. So hatte sie Kardinal Christoph Schönborn
zu beginn bezeichnet.
Seit der Erstellung der Leitlinien 2012 und den ersten
Pilotprojekten sei der Blick auf die möglichen Veränderungen in der Kirche nun schon
viel konkreter. Es gelte, so der Wiener Erzbischof, bisher gewonnene Erfahrungen -
Positives wie Negatives - zu bedenken und darüber zu reden. Nachsatz: „Immer im Blick
auf Christus." Schönborn äußerte sich am Donnerstagvormittag unmittelbar vor der Diözesanversammlung
bei einer Pressekonferenz in Wien.
Die Erzdiözese Wien möchte sich im Rahmen
des Entwicklungsprozesses „Apostelgeschichte 2.1" inhaltlich neu positionieren und
davon ausgehend auch die Strukturen reformieren. Die Delegierten erwartete, wie schon
bei den drei ersten Diözesanversammlungen, eine Mischung aus Gebetszeiten, Liturgie,
kurzen Impulsen, Erfahrungsberichten und Diskussionen.
Die bisherigen Erfahrungen
hätten gezeigt, so der Kardinal, dass man manchmal das Tempo herausnehmen muss, manchmal
aber auch beschleunigen kann. Mit Papst Franziskus habe ein neuer Aufbruch in der
Kirche begonnen. Das sei einfach so nicht vorhersehbar gewesen. Schönborn: „Bei allem
Planen müssen wir uns immer auch das Unvorhersehbare mitbedenken." Freilich gebe es
auch unvorhersehbare problematische Herausforderungen, räumte der Kardinal ein. So
hätte er nicht gedacht, dass der Prozess der Säkularisierung oder der demografische
Wandel so rasch vonstatten gehen würden.
Mehr Laienverantwortung
Schönborn
unterstrich einmal mehr, dass den Laien in der Kirche künftig wesentlich mehr Verantwortung
zukommen werde. „Es braucht den priesterlichen Dienst, aber der Priester kann und
muss in den Gemeinden nicht mehr alles machen", so Schönborn wörtlich. Generalvikar
Nikolaus Krasa sah die Reform auf einem guten Weg. Inzwischen sei das Vorhaben in
allen Pfarren und Gremien angekommen. Krasa sprach zu Beginn der Versammlung von einem
schrittweisen Lernprozess. Von der Versammlung erhoffe er sich, „dass der Weg deutlich
wird, den wir weitergehen sollen".
Bedenken, dass durch die Reform künftig
die Zahl der Eucharistiefeiern zurückgehen wird, sah der Wiener Generalvikar nicht.
Von den 660 Pfarren der Erzdiözese Wien gebe es derzeit nur in 16 am Sonntag keine
Eucharistiefeier sondern „nur" einen Wortgottesdienst. Diese Dichte sei außerordentlich
hoch. Und auf absehbare Zeit werde es auch kaum Veränderungen geben. Die Wiener Pastoralamtsleiterin
Veronika Prüller-Jagenteufel wies darauf hin, dass bei allen Strukturfragen die geistig-geistliche
Erneuerung nicht zu kurz kommen dürfe. Deshalb seien auch alle Pfarren angehalten,
künftig einen Schwerpunkt auf geistliche Aspekte zu legen. Bis Anfang 2015 sollen
zudem in allen Dekanaten Überlegungen durchgeführt werden, wie künftig größere pastorale
Einheiten aussehen können.
Leitlinien 2012
Die im September
2012 erlassenen Leitlinien der diözesanen Erneuerung sehen vor, dass in den kommenden
zehn Jahren anstelle der bisherigen 660 Pfarren weniger, aber größere Pfarren treten,
die aus einzelnen Filialgemeinden bestehen. Kolportiert wird derzeit, dass es zwischen
200 und 250 solcher Großpfarren geben werde. Priester und Laien sollen hier gemeinsam
Leitungsaufgaben wahrnehmen.
Viele örtliche, von Laien geleitete Filialgemeinden
bilden gemeinsam eine neue Pfarre, die von Priestern und Laien gemeinschaftlich unter
der Letztverantwortung eines Pfarrers geleitet wird. Eine Pfarre solle so groß sein,
dass in ihr drei bis fünf Priester aktiv ihren Dienst versehen.
Die Filialgemeinden
sollen von Laien ehrenamtlich geleitet werden, die wiederum von hauptamtlichen Mitarbeitern
der Pfarre unterstützt werden. Zu den hauptamtlichen Mitarbeitern gehören Priester,
Diakone, Pastoralassistenten oder auch Verwaltungspersonal. In zehn Jahren sollten
mindestens 80 Prozent der neuen Pfarren gebildet sein.
Wie Pastoralamtsleiterin
Prüller-Jagenteufel bei der Pressekonferenz erläuterte, werde derzeit an einer Rahmenordnung
gearbeitet, wie der innere Aufbau der „Pfarren Neu" aussehen soll. Derzeit sei beispielsweise
daran gedacht, dass jede Filialgemeinde auch weiterhin über ein eigenes Gemeindebudget
verfügt. Alles, was innerhalb der kleinen Gemeinden geleistet werden kann, soll auch
dort geschehen, so die Pastoralamtsleiterin. Was die eigenen Kräfte aber übersteigt,
solle übergreifend auf Pfarrebene wahrgenommen werden.
Lange Diskussion
Dem
Beschluss der Leitlinien 2012 ging ein langer Diskussionsprozess in der Erzdiözese
Wien mit drei Diözesanversammlungen und Beratungen in verschiedenen Gremien voraus.
Im Juni 2012 fand ein „Tag der Räte" statt, bei dem rund 250 Personen aus diversen
Beratungsgremien der Erzdiözese Wien die Grundlinien der geplanten Diözesanreform
diskutierten. Die Ergebnisse dieser Diskussion wurden über den Sommer 2012 nochmals
überarbeitet. Die Letztfassung der vorgestellten Maßnahmen wurden dann von der Steuerungsgruppe
des diözesanen Reformprozesses, bestehend aus Kardinal Schönborn, den Mitgliedern
des Bischofsrates und dem Team des Prozesses "Apostelgeschichte 2010", erstellt und
als Leitlinien beschlossen und veröffentlicht. Erste Pilotprojekte sind in Wien-Favoriten
bereits im Laufen. Die gesamte Reform soll bis 2022 im Wesentlichen umgesetzt sein.