2013-10-16 10:41:48

Österreich: Ordensfrauen im Einsatz gegen Zwangsprostitution


RealAudioMP3 Seit ziemlich genau einem Jahr bieten Ordensfrauen in Wien Frauen, die der Zwangsprostitution entkommen sind, Unterkunft und Hilfe in einer Schutzwohnung. Dort können die Frauen mit ihren Kindern leben und einen Neuanfang wagen. Die Ordensschwestern engagieren sich insgesamt schon seit drei Jahren, für Frauen, die Opfer von Menschenhandel wurden. Vor rund einem halben Jahr gründeten sie die Hilfsorganisation „Solwodi“- Österreich , was für „Solidarity with women in distress - Solidarität mit Frauen in Not“ steht. Im Gespräch mit „Kathpress“ erläutert Schwester Anna Mayrhofer:

„Wir stehen für die Prostituierten, aber gegen die Prostitution. Da steht ein christliches Menschenbild dahinter. Wir sagen: Keine Frau darf so in Not geraten bzw. leben, dass sie ihren Körper verkaufen muss, um ihren Lebensunterhalt für sich und ihre Familie zu verdienen. “

90 Prozent werden gezwungen
„Solwodi“ wird von verschiedenen Schwesterngemeinschaften und Kongregationen in Österreich gemeinsam getragen. Was die „Solwodi“-Schwestern bei ihrer Arbeit erfahren, sind oft Berichte von schier unglaublichen Schicksalen und Verbrechen: Schwester Mayrhofer weiß zum Beispiel von einer jungen Frau, die von ihrem eigenen Vater in die Prostitution verkauft wurde. Kein Einzelfall: Viele Frauen würden von ihren Familien, die unter erbärmlichen Zuständen leben, in die Prostitution gezwungen, erklärt die Schwester, Schätzungen zufolge 90 Prozent gewaltsam.

„Das eigentliche Problem in unserer Gesellschaft sind nicht die Frauen, die das Angebot darstellen – das ist ein Problem für Rumänien, Bulgarien, Ungarn, Slowakei, Polen, Russland. Unser Problem sind die Freier: Die Nachfrage wird von unseren Männern gestellt: Das sind unsere Väter, unsere Brüder, unsere Söhne, unsere Freunde, unsere Arbeitskollegen…“

Sie habe natürlich kein allgemein negatives Bild von Männern, betont Mayrhofer. Dann kommt sie wieder auf die Situation der Frauen zurück: 85 bis 90 Prozent aller in Österreich arbeitenden Prostituierten sind Migrantinnen. Oft kommen die Frauen aus der Ukraine und Moldawien und generell stammen viele aus Roma-Familien in ganz Osteuropa. Den Opfern werde meist nach der Ankunft in Österreich erst einmal der Pass abgenommen, der Kontakt zur Familie in der Heimat werde unterbunden und die Frauen abhängig von anderen gemacht.

„Dann kommt nochmal dazu, dass die Frauen wirklich unter Druck gesetzt werden: Wenn du etwas sagst. Wir wissen, wo deine Familie, wo dein Kind ist. Wenn du etwas sagst, bist du tot.“

Anfangs seien die Schwestern von „Solwodi“ auch sehr überrascht gewesen, dass viele der Frauen Kinder haben, berichtet die Schwester. Sie führt dies darauf zurück, dass sich viele Frauen in die Beziehung mit einem Freier flüchten, woraus dann auch Kinder resultierten. Auf der einen Seite wollten die Frauen sich dann nicht mehr prostituieren, hätten aber auf der anderen Seite nun zusätzlich ein Kind zu ernähren. Meist sei dies eine ausweglose Situation, die sie in der Prostitution gefangen halte. Die Frauen, die aus dieser Situation ausbrechen wollen, werden anonym in der Schutz-Wohnung der Schwestern untergebracht. Sie dürfen niemandem ihren Aufenthaltsort verraten, betont Mayrhofer. Die Schwestern versuchen dann die Frauen mit Hilfe einer Psychologin zu stabilisieren. Außerdem werden die Frauen bei der Arbeitssuche, bei Amtswegen, bei der Kinderbetreuung und mit Deutschkursen unterstützt.

Hohe Hürden beim Rückweg ins Leben
Die „Solwodi“-Ordensfrauen betreiben selbst kein Streetwork, arbeiten aber mit verschiedenen Organisationen zusammen, welche Frauen an sie vermitteln. So könne es zum Beispiel sein, dass die Schwangerschaftsberatung sich bei ihnen melde, wenn dort gerade eine Frau um Hilfe ansucht.
Durch das gemeinsame Wohnen in der Schutzwohnung lernten die Frauen die gesellschaftlichen Normen neu, so Mayrhofer. In der Prostitution seien sie schließlich nur Konkurrentinnen gewesen und "immer wieder traumatisiert und entwürdigt" worden. Durch das Zusammenleben würden die Frauen auch neues Selbstwertgefühl erhalten.
Die Hürden, die die Ex-Prostituierten auf dem Weg zurück in ein normales Leben überwinden müssen, sind aber hoch, räumt Sr. Mayrhofer ein. Viele Klientinnen hätten bereits zuvor in schwierigen Familienverhältnissen gelebt. Die meisten Frauen hätten keinen Schulabschluss, manche seien gar Analphabetinnen. Zur materiellen Armut kämen dann noch Alkoholprobleme, psychische Krankheiten und Gewalt in der Familie bis hin zum sexuellen Missbrauch. Diese Frauen würden, so Mayrhofer, von den Menschenhändlern gezielt ausgesucht, da sie leicht manipulierbar seien und sich selbst kaum schützen könnten. Die Menschenhändler würden nicht nur die Frauen selbst sondern auch deren Familien unter Druck setzen. Dabei gebe es Einzeltäter wie auch große Mafia-Organisationen.

Justiz und Exekutive zahnlos
Die Ordensfrau kritisiert, dass die österreichische Justiz immer weniger Opfer identifizieren könne, auch wenn regelmäßig Kontrollen durchgeführt werden. Eine Frau müsste auf Anhieb sagen, dass sie ein Opfer sei und wer ihr was angetan habe. Mayrhofer: „Das tun sie aber aus Angst nicht, sie reden nicht einmal mit den Sozialarbeitern“. Viele Prostituierte würden ein Empfangsgerät im Ohr tragen; sobald sie sich zu lange mit den Streetworkern unterhalten, bemerke das der in der Nähe wartende Zuhälter. Die Frauen seien unter ständiger Kontrolle. Nur wenn sie sich völlig unbeobachtet fühlen, würden sie etwas freier reden.
Die Opfer würden auch kaum Prozesse durchstehen, erklärte Mayrhofer. Die Verteidigung arbeite darauf hin, die Frauen unglaubwürdig zu machen. Zudem gebe es nie Zeugen für das, was den Frauen angetan wurde. Es stehe somit stets Aussage gegen Aussage.

Wut auf Männer?
Wie gehen die Ordensfrauen selbst mit diesen Zuständen und Schicksalen um? Manchmal packe einen da schon die Wut auf die Männer, räumt Mayrhofer ein, „wenn Frauen wirklich erniedrigt und vergewaltigt werden“. Die Schwester erzählt von einem ihrer ersten Fälle, einer minderjährigen Litauerin, die in deren ersten Nacht in einem Keller an den Heizkörper gekettet und von sieben Männern vergewaltigt worden sei.
Probleme habe sie vor allem mit den Freiern, so Mayrhofer: „Warum müssen sie das käuflich erwerben, was sie sich mit ihren Frauen nicht zu machen trauen?“ Die Frage sei, ob dies etwas mit dem Sexualtrieb oder der Unfähigkeit, Beziehungen zu leben, zu tun habe. Es gehe dabei nicht nur um Beziehungsfragen, sondern auch um Macht, Kontrolle und Selbstwert. Mayrhofer: „Es ist natürlich auch so: Wenn ich jemanden kleiner mache und trete, bin ich größer.“

Info-Aktionen in Wien
Mit zwei Info-Aktionen in Wien am 17. Oktober am Michaelerplatz und am 21. Oktober vor der Donaucitykirche wollen die Ordensfrauen auf das dramatische Problem von Menschenhandel und Zwangsprostitution und das Schicksal der Frauen aufmerksam machen. Die Initiativen finden anlässlich des „Europäischen Tages gegen Menschenhandel“ am 18. Oktober statt.

(kap 16.10.2013 sta)








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