Singt dem Herrn ein neues Lied; denn er hat wunderbare Taten vollbracht« (Ps
98,1).
Heute stehen wir vor einem dieser Wunder des Herrn: Maria! Ein bescheidenes,
schwaches Geschöpf wie wir, das erwählt wurde, die Mutter Gottes, die Mutter seines
Schöpfers zu sein. Gerade im Blick auf Maria möchte ich mit Euch im Licht der Lesungen,
die wir gehört haben, über drei Tatsachen nachdenken: Gott überrascht uns, Gott
fordert Treue von uns, Gott ist unsere Stärke.
1. Erstens: Gott überrascht
uns. Die Geschichte von Naaman, dem Feldherrn des Königs von Aram, ist einzigartig:
Um vom Aussatz geheilt zu werden, wendet er sich an Elischa, den Propheten Gottes,
und dieser vollzieht weder magische Riten, noch fordert er Außergewöhnliches von ihm,
sondern verlangt nur, dass er Gott vertraut und sich im Wasser des Flusses wäscht
– aber nicht in dem der großen Flüsse von Damaskus, sondern in dem des kleinen Jordan.
Das ist eine Forderung, die Naaman verblüfft und überrascht: Kann denn, wer so Einfaches
verlangt, ein Gott sein? Er will umkehren, doch dann tut er den Schritt, wäscht sich
im Jordan und wird unverzüglich geheilt. Wirklich: Gott überrascht uns. Gerade in
der Armut, in der Schwachheit, in der Niedrigkeit zeigt er sich und schenkt uns seine
Liebe, die uns rettet, uns heilt und uns Kraft verleiht. Er erwartet von uns nur,
dass wir seinem Wort folgen und ihm vertrauen. Das ist auch die Erfahrung der Jungfrau
Maria: Angesichts der Verkündigung des Engels verbirgt sie nicht ihre Verwunderung.
Es ist das Erstaunen zu sehen, dass Gott, um Mensch zu werden, ausgerechnet sie erwählt
hat, ein einfaches Mädchen aus Nazareth, das nicht in den Palästen der Macht und des
Reichtums wohnt, das keine außerordentlichen Heldentaten vollbracht hat, das aber
offen ist für Gott und fähig, ihm zu vertrauen, auch wenn sie nicht alles versteht:
»Ich bin die Magd des Herrn; mir geschehe, wie du es gesagt hast« (Lk 1,38).
Gott überrascht uns immer, bricht unsere festen Vorstellungen auf, versetzt uns in
Krise und sagt uns: Vertrau’ auf mich, hab’ keine Angst, lass dich überraschen, gehe
aus dir selbst heraus und folge mir! Heute wollen wir alle uns fragen, ob wir Angst
haben vor dem, was Gott von uns verlangen könnte, oder vor dem, was er von uns verlangt.
Lasse ich mich von Gott überraschen wie Maria, oder verschließe ich mich in meinen
Sicherheiten, in meinen Plänen? Lasse ich Gott wirklich in mein Leben eintreten? Wie
antworte ich ihm?
2. In dem Textabschnitt des heiligen Paulus, den wir gehört
haben, wendet sich der Apostel an seinen Schüler Timotheus und sagt ihm: Denk an Jesus
Christus; wenn wir mit ihm standhaft bleiben, werden wir auch mit ihm herrschen. Das
ist der zweite Punkt: immer an Christus denken und standhaft bleiben im Glauben: Gott
überrascht uns mit seiner Liebe, aber fordert Treue in seiner Nachfolge. Denken
wir daran, wie oft wir uns für etwas begeistert haben, für eine Initiative, für einen
Einsatz, aber dann, angesichts der ersten Probleme, haben wir das Handtuch geworfen.
Und das geschieht leider auch in den grundlegenden Entscheidungen, wie der der Ehe.
Die Schwierigkeit, beständig zu sein, treu gegenüber den gefassten Beschlüssen, gegenüber
den übernommenen Verpflichtungen. Oft ist es leicht, „Ja“ zu sagen, doch dann gelingt
es einem nicht, dieses „Ja“ täglich zu wiederholen. Maria hat ihr „Ja“ zu Gott
gesagt, ein „Ja“, das ihr bescheidenes Leben in Nazareth umgewälzt hat, aber es war
nicht das einzige, nein, es war nur das erste von vielen „Ja“, die sie in ihrem Herzen
gesprochen hat in den frohen wie auch in den schmerzlichen Momenten, viele „Ja“, die
in jenem unter dem Kreuz ihren Höhepunkt fanden. Heute sind hier viele Mütter zugegen.
Bedenkt einmal, bis zu welchem Punkt Marias Treue gegenüber Gott reichte: ihren einzigen
Sohn am Kreuz zu sehen. Bin ich ein Gelegenheitschrist, oder bin ich immer Christ?
Die Kultur des Provisorischen, des Relativen dringt auch in die Art, den Glauben zu
leben, ein. Gott erwartet von uns, dass wir ihm treu sind, jeden Tag, in den alltäglichen
Handlungen, und er fügt hinzu, dass er, sogar wenn wir ihm manchmal nicht treu sind,
immer treu ist und in seiner Barmherzigkeit nicht müde wird, uns die Hand zu reichen,
um uns wieder aufzurichten, uns zu ermutigen, den Weg wieder aufzunehmen, zu ihm zurückzukehren
und ihm unsere Schwachheit einzugestehen, damit er uns seine Kraft schenkt.
3.
Der letzte Punkt: Gott ist unsere Stärke. Ich denke an die zehn Aussätzigen
aus dem Evangelium, die von Jesus geheilt wurden: Sie gehen ihm entgegen, bleiben
in der Ferne stehen und rufen: »Jesus, Meister, hab Erbarmen mit uns!« (Lk
17,13). Sie sind krank, bedürfen der Liebe, brauchen Kraft und suchen jemanden, der
sie heilt. Und Jesus reagiert, indem er sie alle von ihrer Krankheit befreit. Bestürzend
ist es aber zu sehen, dass nur einer zurückkehrt, um mit lauter Stimme Gott zu loben
und ihm zu danken. Jesus selbst bemerkt es: Zehn haben gerufen, um Heilung zu erlangen,
und nur einer ist zurückgekehrt, um mit lauter Stimme Gott seinen Dank zu bekunden
und zu bekennen, dass er unsere Stärke ist. Lob und Dank zu sagen wissen für alles,
was der Herr für uns tut. Schauen wir auf Maria: Das Erste, was sie nach der Verkündigung
vollbringt, ist eine Tat der Nächstenliebe gegenüber ihrer alten Verwandten Elisabeth;
und die ersten Worte, die sie spricht, sind: »Meine Seele preist die Größe des Herrn«,
das Magnificat, ein Lob- und Dankgesang an Gott, nicht nur für das, was er
in ihr gewirkt hat, sondern für sein Handeln in der gesamten Heilsgeschichte. Alles
ist sein Geschenk; Er ist unsere Stärke! Dank sagen ist so einfach und doch so schwer!
Wie oft sagen wir einander Dank in der Familie? Wie oft sagen wir Dank dem, der uns
hilft, uns nahe ist, uns im Leben begleitet? Oft nehmen wir alles selbstverständlich!
Und das geschieht auch Gott gegenüber. Wenn wir nun in der Eucharistiefeier fortfahren,
wollen wir die Fürsprache Marias erbitten, damit sie uns helfe, uns vorbehaltlos von
Gott überraschen zu lassen, ihm jeden Tag treu zu sein und ihn zu loben und ihm zu
danken, weil er unsere Stärke ist. Amen.