Religionsfreiheit: „Vielschichtiger Kampf um ein Menschenrecht“
Kirche muss klar und
selbstbewusst für den Schutz der Religionsfreiheit eintreten. Das betont Bischof Stephan
Ackermann mit Blick auf Einschränkungen der Religionsfreiheit in den säkularen Ländern
des Westens. Ob bei Debatten um religiöse Symbole oder bei Urteilen wie dem zur religiösen
Beschneidung jüngst in Deutschland – die katholische Kirche und ihre Mitglieder müssten
sich engagiert in die öffentliche Diskussion einbringen, plädierte der Trierer Bischof
am Donnerstagabend in Rom. Dabei seien Bestimmtheit und zugleich eine Haltung der
Bescheidenheit wichtig, so Ackermann: Die Kirche dürfe sich weder als Opfer darstellen
noch auftrumpfend die Wahrheit predigen. Ackermann trug am Donnerstagabend in der
Deutschen Botschaft beim Heiligen Stuhl Überlegungen zur Frage der Religionsfreiheit
vor. Radio Vatikan hat mit ihm am Rande der Veranstaltung gesprochen.
„Auf
der einen Seite leben wir in einer viel pluraleren Gesellschaft, es gibt eine Fülle
von Weltanschauungen aber auch Religionen, dann gibt es aber auch eine stärker werdende
Strömung eines aggressiveren Säkularismus, deren Vertreter ja versuchen, Religion
aus dem öffentlichen Raum zu verbannen. Sie drängen vor allem auch auf die Trennung
von Religion und Staat und meinen dabei besonders die Kirchen – in dem Sinne, dass
man vermeintliche Privilegien, die die Kirchen haben, aufgibt bzw. aufkündigt.“
Als
solche „Privilegien“ werten Verfechter einer strikten Trennung von Staat und Kirche
in Deutschland zum Beispiel staatliche Förderungen für die Kirchen, den kirchlich
ausgerichteten Religionsunterricht und das Selbstbestimmungsrecht der Kirchen. In
Deutschland gibt es – anders als etwa in Frankreich – keine radikale Trennung von
Staat und Kirche im Sinne eines strikten Laizismus. Trotz der Versuche, Religion auch
in Deutschland aus dem öffentlichen Leben zu verbannen, sieht Ackermann so ein Modell
für sein Land nicht kommen:
„Ich glaube, dass die Situation insgesamt eben
vielschichtig ist. Es ist natürlich so, gerade in Deutschland auch, durch die große
Zahl der Muslime und ihre Weise, sich zu artikulieren, dass das Thema Religion noch
einmal anders in der Öffentlichkeit präsent ist. Es gibt auf der einen Seite eine
hohe Aufmerksamkeit für die Religion, zugleich einen aggressiven Säkularismus und
dann Menschen, die eine neue religiöse Empfindsamkeit haben und die sich in unserer
modernen Gesellschaft aber deshalb nicht einfach mehr an Kirche binden.“
Anders
sieht es aus in Ländern, wo Christen eine Minderheit bilden. In Nordkorea, der Volksrepublik
China, Vietnam, Pakistan und Indien sind die Minderheitenrechte kaum wirklich geschützt.
Im Bereich der Religion zeigt sich dies in Benachteiligung und Diskriminierung von
Minderheiten, darunter Christen, bis hin zu ihrer offenen Verfolgung. Die aktuelle
Situation bedrängter Christen in der Welt hat die Deutsche Bischofskonferenz (DBK)
jüngst in einem ökumenischen Bericht dargelegt, der zusammen mit der Evangelischen
Kirche in Deutschland (EKD) erstellt wurde. Die christlichen Minderheiten im Nahen
Osten und in Nordafrika hätten es derzeit doppelt schwer, so der Vorsitzender der
deutschen Kommission „Justitia et Pax“:
„Immer wieder sagen ja auch Amtsträger,
Bischöfe (aus diesen Regionen, Anm. d. Red.): Wir werden nicht in dem Sinne verfolgt,
aber wir sind die Leidtragenden insgesamt. Und wir wissen nicht, wie sich die Situation
entwickeln wird. Das gilt ja für die ganze Zone der Länder des so genannten Arabischen
Frühlings: Wenn sich stärker solche islamistische Regime etablieren, dann wird es
auch für die Christen doppelt schwierig.“
In Syrien berichten Kirchenvertreter
etwa von einem zunehmenden Einfluss radikaler Islamisten in den Reihen der Opposition,
der die Christen im Land mehr und mehr bedrängt. Jüngstes Beispiel: der Überfall al
Qaida-naher Kämpfer auf das Christendorf Maaloula bei Damaskus, wo es auch Versuche
der Zwangskonvertierung gegeben haben soll. Mit Blick auf die Lage der Christen in
Syrien rät Ackermann davon ab, von „Christenverfolgung“ zu sprechen. Im Land selbst
könnten solche Aussagen zusätzlichen Unmut gegenüber der religiösen Minderheit säen,
gibt der Bischof die Sorge syrischer Kirchenvertreter wider. Und er betont, dass Religionsfreiheit
als ein grundlegendes Menschenrecht schließlich alle religiösen Gruppen betreffe,
nicht nur die Christen.
Christen treten in muslimischen Gesellschaften nicht
selten als kulturelle Vermittler in Erscheinung, etwa im Bereich des Schulwesens,
von dem auch die anderen Religionen profitieren. So sind in Indien und Ägypten etwa
christliche Schulen sehr geschätzt. Warum gerät die moderate christliche Minderheit
bei Konflikten wie etwa im Irak und aktuell Syrien zwischen die Fronten? Dazu Ackermann:
„Wir
wissen ja aus den Sozialwissenschaften: Da, wo es schwierige Situationen gibt, wo
Menschen in Konflikten sind, wo Bürgerkriegssituationen sind, wo auch Menschen im
großen Stil unter Gewalt leiden, entladen sich Aggressionen auf Minderheiten. Also
der Minderheitenstatus ist ein Punkt, den man bedenken muss. Dann ist es natürlich
so, dass die Christen in diesen Ländern oft auch gut gebildet sind, d.h. auch zur
Mittel- oder Oberschicht gehören, das natürlich auch nochmal in schwierigen Situationen
Neid weckt. Und dann kann es natürlich zu der Situation kommen, dass gerade Christen
im Ausland Zuflucht suchen, vielleicht auch Kontakte ins Ausland haben. Das ist ja
das, was die Bischöfe vor Ort dann beklagen und sagen: Unser Land, zum Beispiel Irak,
blutet sozusagen aus, wenn die Christen fliehen.“
Dieser Aspekt müsse
auch in der aktuellen Debatte um die Aufnahme von Syrienflüchtlingen in Europa berücksichtigt
werden, so Bischof Ackermann. Grundsätzlich plädiert er für mehr Großzügigkeit der
Bundesregierung bei der Aufnahme dieser Kriegsflüchtlinge, das heißt für eine Aufnahme
von mehr als 5.000 Syrienflüchtligen in Deutschland. Zugleich müsse man sich aber
auch die Frage stellen:
„Tragen wir damit nicht zu einem Ausbluten dieser
Länder bei? Man muss ja deutlich sagen, das müssen ja die Menschen selber entscheiden:
Wie viel nehmen sie auf sich? Wo ist die Grenze der Zumutung erreicht auch für Familien?
Man muss ihnen die Möglichkeit geben zu wählen, ob sie jetzt vor Ort bleiben unter
diesen schwierigen Bedingungen und sozusagen aus dem Grenzgebiet wieder zurückkehren
oder ob sie bei uns Zuflucht suchen.“
Papst Franziskus‘ Einsatz für Dialog
und Frieden in Syrien sei auch in Deutschland auf fruchtbaren Boden gefallen, berichtet
Bischof Ackermann weiter. Er lobt das Engagement des argentinischen Papstes für die
Religionsfreiheit in Ländern, wo religiöse Minderheiten Diskriminierung ausgesetzt
sind.
„Ich glaube, dass Papst Franziskus den Weg seiner Vorgänger im Bereich
Religionsfreiheit konsequent weitergeht – wenn es um die Armen geht, wenn es um die
Flüchtlinge geht, wenn es um besonders verletzliche Personen geht. Denken wir auch
an seinen Besuch auf Lampedusa, der ja jetzt noch einmal durch die jüngsten Ereignisse
eine unglaubliche Aktualität bekommen hat, und an seine Gebets- und Fasteninitiative
für Syrien. Das sind sehr starke Zeichen, die auch wahrgenommen werden weit über den
kirchlichen Raum hinaus. Ich konnte das in Deutschland erleben, dass Menschen sich
wirklich spontan diesen Gebeten angeschlossen haben, auch Nicht-Katholiken, die gesagt
haben: Das ist ein Zeichen der Solidarität, dem schließen wir uns an. Und ich glaube,
dass das sehr stark wahrgenommen wird und dass gerade auch Verantwortliche in der
Politik dem Papst dafür dankbar sind.“