Italiens Präsident will neue europäische Asylpolitik
Nach der neuerlichen
Tragödie vor der Küste von Lampedusa fordert Italiens Staatspräsident Giorgio Napolitano
Änderungen in der Flüchtlingspolitik Italiens und Europas. Im Gespräch mit Radio Vatikan
sagte das Staatsoberhaupt, viele Dinge könnten nur gemeinsam bewältigt werden, jeder
müsse aber gemäß seiner Verantwortungsbereiche handeln. Napolitano brachte nicht nur
seine persönliche Betroffenheit zum Ausdruck, sondern machte auch deutlich, dass die
Frage der Asylpolitik keinen weiteren Verzug duldet.
„Wir müssen jetzt
ganz schnell überprüfen, welche gesetzlichen Bestimmungen eine Politik der Aufnahme
verhindern, die unserem Land würdig ist und den grundlegenden Prinzipien der Menschlichkeit
und der Gesellschaft entspricht. Wenn über die Jahre Entscheidungen fielen und Normen
entstanden, die ein klares und deutliches Handeln zur Rettung und im Sinn der menschlichen
Solidarität verhindern, dann müssen diese Normen geändert werden.“
Andererseits,
so Napolitano, gehe es in der Frage der Asylpolitik nicht bloß um Normen:
„Es
ist auch eine Frage der Mittel, des Eingreifens, der Verantwortung. Das kann keine
rein italienische Angelegenheit sein, da muss mindestens noch Europa beteiligt sein.“
Die
Bewohner von Lampedusa hätten bei der jüngsten Katastrophe ein Maß an Aufnahmebereitschaft
und Hilfsbereitschaft gezeigt, das ihn sehr beeindruckt habe, so Napolitano. Einige
Schwimmer hätten sich noch ins Meer gestürzt, um die vor der Insel Ertrinkenden zu
retten und dabei ihr eigenes Leben riskiert. Auch die Küstenwache, das Militär und
weitere Einheiten hätten sich mit allen ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln für
die Rettung der Flüchtlinge eingesetzt, betonte der italienische Staatspräsident.
Als direkte Folge werde man die Mittel verstärken, also mehr Rettungshubschrauber
und mehr Schiffe zur Verfügung stellen. Auf einer politischen Ebene aber müsse das
Drama der afrikanischen Flüchtlinge Thema für die gesamte Staatengemeinschaft sein,
betonte Napolitano:
„Die Migrantenströme, die Asylsuchenden, die Flüchtlinge,
die nach Italien und in andere europäische Länder kommen, sind Ausdruck der Konflikte
in vielen verschiedenen Gebieten. Wir hier sind besonders nahe an Nordafrika, an Syrien
und seinen Nachbarländern. Aber wir brauchen eine weltweite Vision, die ihr Zentrum
bei den Vereinten Nationen haben muss. Wir brauchen eine europäische Einwanderer-
und Asylpolitik.“
Einwanderer und Asylsuchender – diese Begriffe werden
nach Napolitanos Ansicht übrigens viel zu oft durcheinandergebracht: Es sei eine
Sache, nach Italien und Europa zu kommen, weil man ein besseres Leben und Arbeit suche
und vor schwierigen Lebensbedingungen fliehe. Eine ganz andere Sache sei es jedoch
aus Ländern zu fliehen, in denen Krieg und Unterdrückung herrschen, machte der italienische
Staatspräsident noch einmal deutlich. Auch auf Papst Franziskus ging Napolitano noch
ein: Der Papst habe bereits in den ersten sechs Monaten seines Pontifikats die menschlichen
Werte und die Solidarität betont. Ganz sicher zähle nicht nur Italien auch weiterhin
auf die moralische Autorität von Papst Franziskus.