Franziskus: „Haben wir ,Pacem in Terris‘ wirklich verstanden?“
Die päpstliche Friedensenzyklika
„Pacem in terris“, die Johannes XXIII. vor 50 Jahren veröffentlichte, ist beschämenderweise
immer noch aktuell. Papst Franziskus hat an diesem Donnerstag Teilnehmer einer vatikanischen
Gedenkveranstaltung zu „Pacem in terris“ in Audienz empfangen. In diesem halben Jahrhundert
nach 1963 seien zwar „Mauern und Hindernisse gefallen“, dennoch aber brauche die Welt
nach wie vor Frieden, so der Papst. Franziskus stellte klar, dass „Pacem in terris“
den Diskurs über Frieden nicht gewissermaßen katholisch monopolisieren wollte, im
Gegenteil.
„ ,Pacem in terris‘ wollte nicht die Aussage treffen, es sei
Aufgabe der Kirche, konkrete Anweisungen über Themen zu geben, die in ihrer Vielschichtigkeit
der freien Diskussion überlassen werden müssen. Bei politischen, wirtschaftlichen
und sozialen Themen ist es nicht das Dogma, das praktische Lösungen vorgibt, sondern
eher der Dialog, das Zuhören, die Geduld, der Respekt des Anderen, die Aufrichtigkeit
und auch die Bereitschaft, die eigene Meinung zu überdenken. Im Grund zielte der von
Johannes XXIII. lancierte Appell darauf, die internationale Debatte auf diese Tugenden
hin auszurichten.“
„Pacem in terris“ ist die bis heute berühmteste Friedensenzyklika
des päpstlichen Lehramtes. Johannes XXIII. schrieb sie, als die Welt am Rand des ersten
Atomkrieges stand. Er richtete sie nicht wie bis dahin üblich an Kirchenleute, sondern
erstmals an „alle Menschen guten Willens“. Denn alle Menschen gleichermaßen haben
am Frieden mitzubauen, indem sie sich für Gerechtigkeit und ganzheitliche menschliche
Entwicklung einsetzen, fasste Papst Franziskus zusammen und setzte kritisch nach:
„Mit Blick auf unsere aktuelle Wirklichkeit frage ich mich, ob wir die
Lektion von ,Pacem in terris‘ verstanden haben. Ich frage mich, ob die Worte Gerechtigkeit
und Solidarität nur in unserem Wörterbuch stehen oder ob wir alle daran arbeiten,
dass sie Wirklichkeit werden. Die Enzyklika von Johannes XXIII. erinnert uns klar
daran, dass es keinen echten Frieden und keine Harmonie geben kann, wenn wir nicht
... Egoismen, Individualismen, Gruppeninteressen überwinden, und das auf allen Ebenen.“
An
der Basis des Friedens stehe die Menschenwürde jeder einzelnen Person, die immer zu
respektieren sei, schärfte Franziskus ein. Das umfasse nicht bloß zivile und politische
Rechte, sondern auch ganz alltägliche:
„Man muss auch jedem den Zugang
zu grundlegenden Mitteln der Selbsterhaltung geben, Nahrung, Wasser, Unterkunft, medizinische
Versorgung, Bildung und die Möglichkeit, eine Familie zu gründen und zu unterhalten.
Diese Ziele haben unaufschiebbare Priorität im nationalen und internationalen Handeln
und messen dessen Qualität. Von ihnen hängt ein dauerhafter Frieden für alle ab.“
Für Johannes XXIII. empfindet Franziskus große Verehrung. Er entschied,
den „Friedenspapst“ heilig zu sprechen, ohne ein zweites nachweisbares Wunder abzuwarten,
das der Prozess eigentlich vorsieht. Johannes XXIII. wird gleichzeitig mit Johannes
Paul II. am 27. April kommenden Jahres in Rom zur Ehre der Altäre erhoben.