In Syrien herrscht
mittlerweile eine „Totalität des Bösen“: Das berichtet der italienische Journalist
Domenico Quirico, der nach 152 Tagen Gefangenschaft in der Hand syrischer Rebellen
nun wieder nach Italien zurückkehren konnte. Trotzdem habe er immer gespürt: „Gott
hat mich nicht verlassen“. Im Gespräch mit Radio Vatikan berichtet der Journalist
von der Tageszeitung La Stampa:
„Was mich am meisten getroffen hat – und
ich bin auch schon in anderen Teilen der Welt entführt worden – ist die Absolutheit
des Bösen. Es ist, als hätte Gott dieses Land dem Teufel überlassen und gesagt: ,Hier,
mach damit, was du willst. Alle, die hierherkommen, denen helfe ich nicht mehr.‘ Wirklich,
an einem gewissen Punkt habe ich gedacht: Das ist die Totalität des Bösen. Noch nie
vorher und nirgendwo sonst habe ich so ein absolutes Fehlen von Barmherzigkeit, Mitleid
und Respekt gegenüber dem anderen, der leidet, gesehen.“
In einem ausführlichen
Bericht, der in der italienischen Zeitung „la Stampa“ veröffentlicht wurde, schreibt
Quirico, dass in seinen Erfahrungen in Syrien auch sehr viel Gott sei. Er erklärt
dazu:
„Ich meine damit, dass ich zum Glück gläubig bin und so immer etwas
bei mir hatte, das mich nie verlassen hat. Auch dann nicht, als ich in einigen Momenten
die Abwesenheit Gottes fühlte. Doch er war immer da, zum Beispiel, wenn ich einfach
nur gebetet habe. In all den 152 Tagen meiner Gefangenschaft war Gott da, der Glaube
war da, auf viele verschiedene Arten, aber er hat mich nie verlassen.“
Nach
fünf Monaten in syrischer Gefangenschaft, könnte man meinen, Quirico sei nun von Hass
oder Rachegefühlen erfüllt, doch im Gegenteil: Er versucht zu verzeihen. Er sei kein
Heiliger und es falle ihm nicht leicht, aber er wolle es wenigstens versuchen. Denn
wenn er sich vom Hass ergreifen lasse, dann bedeute das in gewisser Weise, immer noch
ein Gefangener in Syrien zu sein, erklärt er. Diese Leute hätten dann noch Macht über
ihn. Für den Journalist ist nicht nur klar, dass er verzeihen will, sondern auch,
dass er weiter in Krisengebiete reisen wird, um von dort aus zu berichten:
„Meine
Vorstellung vom Journalismus ist so klar und einfach wie mein Glaube. Schreiben, was
man sieht, da sein, wo die Menschen leiden. Vom Leid der Menschen zu berichten ist
sehr kompliziert, dafür muss man sehr ehrlich sein. Die erste Sache dabei ist, das
Leid nicht nur zu sehen, sondern mitzuleiden: Du kannst nicht über Schmerzen schreiben,
ohne sie auch selbst zu spüren. Also mache ich entweder weiter so, oder ich suche
mir einen anderen Beruf.“
Quirico ist wieder frei, doch andere, wie etwa
der Jesuit Paolo dall’Oglio, zwei Bischöfe aus Aleppo, zwei Priester und 24 Journalisten
sind in Syrien immer noch in der Hand bewaffneter Entführer. An all diese Gefangenen
möchte der Journalist erinnern – denn das Schlimmste sei der Gedanke, alleine und
vergessen zu sein.