2013-09-11 09:52:31

Papst besucht Flüchtlingszentrum in Rom


RealAudioMP3 Warum nicht leerstehende Klöster für die Unterbringung von Flüchtlingen nutzen? Diesen Vorschlag machte Papst Franziskus an diesem Dienstag Nachmittag in Rom. In der Nähe des Kapitols besuchte er privat eine Anlaufstelle für Flüchtlinge, das so genannte „Centro Astalli“. Es wird vom Jesuiten-Flüchtlingsdienst betrieben. In dem Hilfs- und Beratungszentrum traf er sich mit etwa 500 Flüchtlingen sowie mit den Mitarbeitern und freiwilligen Helfern.

Mit Beifall und viel Emotionen wurde Franziskus von den Flüchtlingen und Asylbewerbern empfangen. Soviel freundliche Aufmerksamkeit wie von diesem Papst sind die Menschen, die mehrheitlich aus Afrika stammen, in Italien sonst gar nicht gewöhnt. „Jeder von euch, liebe Freunde, trägt eine Lebensgeschichte mit sich herum, die von Kriegen und Konflikten berichtet“, so Franziskus. „Aber vor allem trägt jeder von euch einen menschlichen und religiösen Reichtum mit sich: einen Reichtum, den es anzunehmen, nicht zu fürchten gilt. Viele von euch sind Muslime oder von anderen Religionen; ihr kommt aus ganz unterschiedlichen Ländern und Lagen. Wir brauchen keine Angst vor den Unterschieden zu haben! Die Brüderlichkeit läßt uns erkennen, dass diese Unterschiede ein Reichtum, ein Geschenk für alle sind! Leben wir die Brüderlichkeit!“

„Leben wir die Brüderlichkeit!“

Die meisten der Flüchtlinge hätten eine schwierige Reise hinter sich: Franziskus nannte das Stichwort Lampedusa, also die Insel vor Sizilien, an der immer wieder Bootsflüchtlinge aus Afrika anlanden, er selbst hat Lampedusa im Juli auf seiner ersten Papstreise besucht. Er denke daran, dass auch Frauen, Mütter, die lebensgefährliche Überfahrt auf sich nähmen, um ihren Familien ein „anderes Leben“ zu ermöglichen. „Rom sollte eine Stadt sein, in der sich eine menschliche Dimension wiederfinden läßt: eine Stadt, wo man das Lächeln wieder lernen kann. Aber wie oft sind stattdessen Menschen hier gezwungen, in prekären, manchmal unerträglichen Verhältnissen zu leben, ohne ein würdiges Leben starten oder an eine Zukunft denken zu können!“

Darum danke er den Engagierten hier im „Centro Astalli“; die 1981 gegründete Einrichtung stützt sich unter anderem auf 400 Freiwillige. „Haltet immer die Hoffnung am Leben! Helft dabei, Vertrauen wiederzufinden! Zeigt, dass sich mit Aufnahmebereitschaft und Brüderlichkeit ein Fenster zur Zukunft aufstoßen läßt... mehr als ein Fenster: eine Tür! Und es ist schön, dass hier mit den Jesuiten christliche und nichtglaubende Männer und Frauen – oder solche, die anderen Religionen angehören – zusammenarbeiten.“

Solidarität „fast ein Schimpfwort“

Solidarität sei heute „fast zu einem Schimpfwort geworden“, beklagte der Papst, dabei sei es „unser Wort“. Die Armen seien „unsere besonderen Lehrer in der Gotteserkenntnis“, ihre Einfachheit reiße „unserem Egoismus und unseren falschen Sicherheiten die Maske herunter“. Sie führten uns „zur Erfahrung der Nähe und Zärtlichkeit Gottes“, so Franziskus.

„Andere aufzunehmen reicht nicht. Man kann jemandem nicht einfach nur ein Brötchen geben, wenn man ihm nicht auch die Möglichkeit gibt, mit den eigenen Beinen zu laufen. Eine Nächstenliebe, die den Armen so läßt, wie er ist, reicht nicht! Wahre Barmherzigkeit, wie Gott sie uns gibt und lehrt, verlangt nach Gerechtigkeit. Der Arme soll einen Weg finden, kein Armer mehr zu sein.“

„Mehr Mut und Großzügigkeit“

Integration von Ausländern sei „ein Recht“, so Franziskus weiter. Hilfe für die Armen dürfe nicht nur an „Spezialisten“ delegiert werden, die ganze Kirche müsse sich das zur Aufgabe machen. „Der Herr ruft uns, mehr Mut und Großzügigkeit bei der Aufnahme in Gemeinschaften, Häusern und auch leerstehenden Klostergebäuden zu haben. Liebe Ordensleute, leerstehende Klostergebäude sollten nicht dazu dienen, dass man sie zu Hotels macht, um Geld zu verdienen! Leere Klöster gehören nicht euch, sie sind für das Fleisch Christi bestimmt – für die Flüchtlinge! Natürlich ist das nichts Einfaches; da braucht man Unterscheidungsvermögen, Verantwortung, aber eben auch Mut. Wir tun schon viel – vielleicht sind wir dazu gerufen, noch mehr zu tun!“

Das gelte aber nicht nur für Klöster, sondern für jeden Einzelnen, mahnte Franziskus. „Jeden Tag stellen sich hier und in anderen Zentren viele Menschen, vor allem junge, hinten in der Schlange an, um etwas Warmes zu essen zu kriegen. Diese Menschen erinnern uns an die Leiden und Dramen der Menschheit. Diese Schlange sagt uns: Jeder kann heute etwas tun. Es reicht, an die Tür zu klopfen und zu sagen: Hier bin ich, kann ich mich irgendwie nützlich machen?“

Das „Centro Astalli“ gibt täglich 450 warme Mahlzeiten an Flüchtlinge aus. Die meisten von ihnen stammen derzeit aus Tunesien, Libyen, Afghanistan, dem Horn von Afrika, Guinea oder dem Senegal. Das Zentrum unterstützt Migranten bei der Asylbeantragung sowie bei der Wohnungs- und Arbeitssuche und bietet Italienischkurse an. Der Direktor der Einrichtung, Jesuitenpater Giovanni La Manna, hatte den Papst kurz nach dessen Wahl eingeladen. Auch Franziskus gehört dem Jesuitenorden an.

(rv 11.09.2013 sk)








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