2013-09-10 12:46:57

D: Militärschlag in Syrien aus Sicht des Völkerrechtes


RealAudioMP3 Ein militärischer Eingriff in Syrien wäre ein Vergeltungsschlag und keine Schutzmaßnahme im Sinne des Völkerrechtes. Dies präzisiert im Interview mit Radio Vatikan Gerhard Beestermöller vom Institut für Theologie und Frieden in Hamburg. Das Völkerrecht rechtfertigt ein militärisches Eingreifen nur unter bestimmten Bedingungen, führt der Experte aus – so etwa, wenn es um den Schutz eines Volkes geht, dem massenhaft Vernichtung oder Vertreibung droht. Diese Bedingungen für eine internationale Intervention mit UN-Mandat sieht Beestermöller im Fall von Syrien nicht gegeben:


„Also ich persönlich habe erhebliche Zweifel daran, dass das, was in Syrien vor sich geht, die Voraussetzungsbedingungen einer Schutzverantwortung erfüllen würde. Denn es wäre zunächst einmal zu klären, ob es sich hier wirklich um einen Konflikt handelt, der im Kern eine Bekämpfung der Bevölkerung durch die Regierung darstellt oder eines Teils der Bevölkerung. Oder ob hier nicht ganz andere Konfliktüberlagerungen im Hintergrund stehen – nämlich zum Beispiel der Machtkonflikt zwischen Syrien und Iran und Irak auf der einen und Saudi-Arabien und den anderen Golfstaaten auf der anderen Seite, die eben um die Vormachtstellung in der Region kämpfen. Da würde die große Gefahr bestehen, dass man im Namen der Schutzverantwortung in Wirklichkeit nur in einen Machtkonflikt eingreift.“
US-Präsident Barack Obama will ohne Mandat der Vereinten Nationen in Syrien militärisch eingreifen, er benutzt zwar nicht den völkerrechtlichen Begriff „Schutzverantwortung“, spricht aber von „Gerechtigkeit“. Ein US-Militärschlag in Syrien zu diesem Zeitpunkt wäre eine „Repressalie“, hält Beestermöller dagegen:

„Was die Amerikaner jetzt dort erwägen, ist eine Art Vergeltungs- und Abschreckungsmaßnahme gegen den Einsatz von chemischen Waffen, von denen die Amerikaner eben behaupten, dass sie vom Assad-Regime eingesetzt worden sind. Zu Recht gehen sie davon aus, dass der Einsatz von Chemiewaffen ein schwerer Verstoß gegen das Völkerrecht ist. Die entscheidende Frage ist aber: Ob eine derartige Bestrafung und Repressalie im Sinne des Völkerrechtes ohne UN-Mandat überhaupt legitim sein kann. Und da ist die Überzeugung der meisten Völkerrechtler, dass eine derartige Bestrafungs-, Vergeltungsaktion nicht ohne UN-Mandat gerechtfertigt sein kann.“

Franziskus hatte beim Angelus-Gebet am 1. September betont, dass der Einsatz von Gewalt niemals zum Frieden führe: „Krieg bringt Krieg hervor, Gewalt bringt Gewalt hervor“, so der Papst wörtlich. Beestermöller erinnert daran, dass gewaltsames Eingreifen zur Abwendung schlimmster Tragödien aus Sicht der Päpste der jüngeren Geschichte immer ein Übel bleibt - wenn auch in extremen Fällen das geringere:

„Benedikt XVI. hat sich vor den Vereinten Nationen expressis verbis zum Prinzip der Schutzverantwortung bekannt. Und wenn man sich die päpstlichen Lehrschreiben ,Gaudium et spes’, ,Pacem in terris’ oder auch ,Popolorum progressio’ anschaut, kann gar kein Zweifel daran bestehen, dass die Kirche unter extremsten Bedingungen den Einsatz von Gewalt auch legitimiert. Das muss aber nicht im Widerspruch zu dem stehen, was Papst Franziskus gesagt hat. Indem man nämlich das, was er nennt, so interpretiert: Dass Krieg immer eine Katastrophe, ein Versagen von Menschlichkeit ist. Das heißt aber nicht, dass unter extremsten Bedingungen die Anwendung von Gewalt doch das geringere Übel sein kann - welches aber immer ein äußerst gravierendes Übel bleibt.“


Völkerrecht sieht klare Bedingungen für militärisches Eingreifen vor

Seit Ende des Zweiten Weltkrieges gilt in der Staatengemeinschaft gemäß UN-Charta ein allgemeines Gewaltverbot. Es wurde seitdem – unter anderem unter Eindruck des Völkermordes im afrikanischen Ruanda – um eine internationale Schutzverantwortung ergänzt. Demnach kann das Gewaltverbot der UN-Charta unter bestimmten Bedingungen ausgesetzt werden, etwa wenn die Selbstverteidigung eines Volkes notwendig wird, um zu überleben oder wenn angesichts massenhafter und gravierender Menschenrechtsverstöße ein internationales militärisches Eingreifen weiteres Übel verhindern soll.


Blatt könnte sich noch wenden

Ein Militärschlag gegen das syrische Regime könnte auch abgewendet werden. Dazu müsste die Regierung in Damaskus ihre Chemiewaffen unter internationale Kontrolle stellen und sie zerstören lassen. Russland hatte am Montag einen Vorstoß in diese Richtung gemacht und will nach Gesprächen mit der syrischen Regierung bald einen konkreten Plan zur Übergabe vorstellen. Die Arabische Liga hat Unterstützung für die Intiative signalisiert. Obama bezeichnete die Bereitschaft Syriens zur Auslieferung der Chemiewaffen laut US-Medien als „Durchbruch“, allerdings sei er weiterhin skeptisch: „Das ist nicht die Art, wie wir sie in den vergangenen Jahren haben agieren sehen“, sagte er dem Sender NBC. Das Vorhaben könne aber Erfolg haben, wenn die Absicht „echt“ sei.



(rv/diverse 10.09.2013 pr)








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