Der Vorsitzende der
Deutschen Bischofskonferenz, Erzbischof Robert Zollitsch, hat zur Wahlbeteiligung
bei der Bundestagswahl am 22. September 2013 aufgerufen. Beim St. Michael-Jahresempfang
des Katholischen Büros in Berlin sagte Zollitsch, es sei Aufgabe der Kirche, die Menschen
an ihre Verantwortung zu erinnern, sich in die politischen Meinungsbildungsprozesse
aktiv einzubringen und von ihren demokratischen Rechten Gebrauch zu machen.
In
Zeiten der öffentlichen politischen Auseinandersetzung stehe auch die Kirche vor der
Frage, welche Rolle sie bei der Gestaltung der Gesellschaft einnehmen wolle, so Zollitsch.
Oft sei ein religiöses Bekenntnis mit einem christlichen Wertekanon immer mehr nur
eine Option unter vielen. Dennoch dürfe die Kirche weder der Versuchung erliegen,
sich auf sich selbst zu beziehen, noch eine Politisierung der Religion zuzulassen.
„Entscheidend für die Qualität in unserer Gesellschaft weit über jeden
Wahltag hinaus ist es jedoch, wie wir mit denen umgehen, die nicht in der Sicherheit
und Geborgenheit der Mitte der Gesellschaft sind. Und damit meine ich bei weitem nicht
alleine die materielle Sicherheit. Bei aller Unterschiedlichkeit der Aufgabenstellung
und Funktionsweise von Politik und Kirche sehe ich hier gemeinsame Herausforderungen.“
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Einsatz für angemessene Löhne und Arbeitsbedingungen
Der Auftrag und
die Kompetenz der Kirche sei es daher vor allem, „für eine Werteorientierung in der
Politik einzutreten, in deren Zentrum die Würde jedes Menschen, die Achtung der Menschenrechte
und die Ausrichtung am Gemeinwohl stehen“, so Erzbischof Zollitsch. Daran erinnere
auch Papst Franziskus, wenn er die Kirche auffordere, an die „Peripherien des Lebens“
zu gehen.
„Wenn uns Papst Franziskus dazu ermutigt, für eine gerechtere
und solidarischere Welt zu arbeiten, dann gilt das insbesondere mit Blick auf angemessene
Löhne und Arbeitsbedingungen. Es kann uns nicht unberührt lassen, dass es bezogen
auf die Beschäftigtenzahl in Deutschland im Vergleich zu anderen westlichen EU-Ländern
noch immer mehr Geringverdiener gibt.“
Solidarität mit Flüchtlingen
Zu
den Menschen, die an den Rändern der Gesellschaft leben, gehören nach Auffassung von
Erzbischof Zollitsch auch die Flüchtlinge. In diesem Zusammenhang dankte Zollitsch
der Bundesregierung für die Aufnahme von 5.000 Flüchtlingen aus Syrien. Dies seien
wichtige erste Schritte, für die er dankbar sei, an die man aber nun anknüpfen müsse,
so Zollitsch – vor allem mit Blick auf die aktuellen Ereignisse in Syrien. Zur Situation
im Nahen Osten sagte Zollitsch:
„Die Situation dort erfüllt uns alle mit
Sorge und auch mit beträchtlicher Ratlosigkeit. Nirgendwo in der arabischen Welt ist
bis jetzt eine überzeugende Synthese zwischen dem religiösen Erbe und den Herausforderungen
der Moderne gefunden worden. Und so stürzt der Kampf um das gesellschaftliche und
kulturelle Leitbild und die damit verbundenen Macht- und Einflusssphären immer mehr
Gesellschaften ins Chaos.“
Auch viele Christen drohten vom Mahlwerk dieses
Konfliktes zerrieben zu werden, so Zollitsch, der die Politiker eindringlich zum Eingreifen
aufforderte:
„Ein Ende des christlichen Orients ist eine finstere Möglichkeit
unserer geschichtlichen Epoche. An die Vertreter der Politik richte ich deshalb die
ernste Bitte: Tun Sie alles Ihnen Mögliche, um eine friedliche Entwicklung in dieser
Region zu fördern! Und unternehmen Sie, was immer Sie können, um die Überlebensmöglichkeit
der christlichen Minderheiten zu sichern!“
Familie ins
Zentrum stellen
Ausdrücklich hob Erzbischof Zollitsch in seiner Ansprache
außerdem die Familien hervor. Immer wieder werde versäumt, sie und ihre Anliegen in
das Zentrum der Aufmerksamkeit zu rücken und ihnen die gesellschaftliche Anerkennung
und Unterstützung zu geben, die sie brauchen. Zudem betonte Zollitsch, dass die Kirche
auch den Auftrag habe, die ethischen Grenzen aufzuzeigen, die sich aus dem christlichen
Menschenbild ergeben. „Dies mag bisweilen für die Politik unbequem sein, kann Ihnen
aber vielleicht auch helfen, schwierige Entscheidungen zu treffen und zu verteidigen.“
Mit Blick auf die Finanzkrise betonte Erzbischof Zollitsch, dass diese erneut gezeigt
habe, wie wichtig es sei, „politische, wirtschaftliche und gesellschaftliche Entscheidungen
nicht einseitig an kurzfristigen Zielen auszurichten.
Der Vorsitzende der
Deutschen Bischofskonferenz schloss seine Rede mit einem Aufruf zur Wahlbeteiligung:
„Unsere
Aufgabe als Kirche ist es, in dieser Zeit insbesondere die Gläubigen an ihre Verantwortung
zu erinnern, sich in die politischen Meinungsprozesse aktiv einzubringen und von ihren
demokratischen Rechten Gebrauch zu machen. Unsere Aufforderung gilt allen: ‚Gehen
Sie zur Wahl! Nehmen Sie Ihre Verantwortung wahr!’“