Am Dienstag endet
in Castel Gandolfo das Treffen der Ratzinger-Schülerkreise. Papst emeritus Benedikt
hat am Sonntag mit den Teilnehmern die heilige Messe gefeiert, ansonsten aber zum
ersten Mal seit 34 Jahren nicht an der Tagung selber teilgenommen. Der Schülerkreis
– also diejenigen, die selber bei Joseph Ratzinger studiert haben – und der neue Schülerkreis
– eine Gruppe von Theologen und anderen Wissenschaftlern, die über Joseph Ratzingers
Theologie arbeiten – tagen deswegen das erste Mal gemeinsam. Das Thema des Treffens:
„Gottesfrage angesichts der Säkularisierung“, Referent in diesem Jahr war Remí Braque,
emeritierter Professor für arabische und religiöse Philosophie an der Sorbonne in
Paris.
Dass der Lehrer nicht mehr dabei ist, bedeutet nicht, dass der Schülerkreis
seinem Ende entgegen geht, im Gegenteil: Die Mitglieder haben beschlossen, sich im
kommenden Jahr wieder in Castel Gandolfo zu treffen, und wollen – darüber hinaus –
die Idee des Schülerkreises ausweiten, das Denken Ratzingers und seine Theologie verbreiten,
und zwar beginnend in Afrika. Dazu Ludwig Weimer, ehemaliger Professor in Rom und
Mitglied des Schülerkreises:
„Wir haben uns bei der Besprechung der Zukunft
auch darüber unterhalten, dass unser neues Projekt nicht nur einfach bedeutet, dass
wir hier als Schülerkreis für die Theologie unseres Lehrers werben, sondern dass wir
direkt in die Peripherie gehen, also in andere Länder, und dort für jeweils einige
hundert Leute Seminare anbieten. Wir hoffen, dass dadurch die Theologie international
bekannt wird, denn der Boden hier in Europa oder speziell in Deutschland ist viel
zu schmal.“
Achim Buckenmaier, Mitglied im neuen Schülerkreis, präzisiert:
Um für Verbreitung zu sorgen, muss man selber aktiv werden.
„Es sind oft
kulturelle und auch ökonomische Hindernisse, die die Verbreitung dieser Theologie
erschweren. Deswegen machen wir im September ein Seminar in Cotonou in Benin und im
März 2014 eines in Tansania in Ostafrika, wo wir den Zugang zu den drei Jesusbüchern
von Ratzinger schaffen wollen und damit auch zu seiner Theologie und zum Kern der
Theologie überhaupt. Das Ganze ist für Priester, Seminaristen, Ordensleute, Theologinnen
und Theologen.“
Eine Absicht, die sich auch am Gesicht des neuen Schülerkreises
ablesen lässt: Anders als noch bei den Studenten Ratzingers sei diese Gruppe viel
internationaler. Theologinnen und Theologen aus der ganzen Welt, einschließlich zwei
orthodoxe Mitglieder, kommen hier zusammen. Deswegen liegt die Idee einer internationalen
Ausweitung auch vielleicht nahe, wie der wohl bekannteste der Schüler sagt, der Wiener
Erzbischof Christoph Schönborn:
„Ich bin sehr froh über diese Initiative,
mit gleich zwei Symposien nach Afrika zu gehen. Das ist ein Hoffnungskontinent der
Kirche und auch der Theologie. Es gibt viele gute junge Theologinnen und Theologen
in Afrika, die viel versprechen.“
Ein Kreis - zwei Kreise
Der
Schülerkreis – die Schülerkreise: Wachsen mit der gemeinsamen Tagung und mit dem gemeinsamen
Projekt der Symposien die beiden Gruppen zu einer zusammen? Eher nein, sagt Achim
Buckenmaier:
„Die Identität des Schülerkreises ist einfach eine spezifische,
die kommt daher, dass die Mitglieder bei Joseph Ratzinger studiert haben und ihn persönlich
kennen. Unsere Aufgabe ist, diese Theologie in eine neue Generation zu bringen, Theologie
zu betreiben im Geist von Joseph Ratzinger, aber auch in der Offenheit seiner Theologie.
Das ist eine eigene Aufgabe.“
Deswegen blieben die beiden Kreise auch getrennt,
auch wenn sie gemeinsam tagen, fügt Ludwig Weimer an.
„Wir haben ja nicht
Arbeiten über ihn geschrieben, sondern haben bei ihm Arbeiten über irgend einen großen
Theologen oder Philosophen oder sonst etwas geschrieben, haben ihn sehr persönlich
kennen gelernt, fast als Vater, als Lehrer. Der neue Schülerkreis besteht aus Leuten,
die über ihn promoviert haben, mit einem Thema, dass er selber behandelt hat, wie
er es behandelt hat. Sie kennen ihn theologisch, wir kennen ihn als Lehrer, er ist
uns natürlich vertrauter. Darum bleiben auch die Kreise nominell getrennt. Aber für
die Tagung arbeiten sie jetzt ganz zusammen.“
Ganz so streng getrennt sieht
das Kardinal Schönborn dagegen nicht. Es wachse schon viel zusammen, so der Kardinal,
oder besser: Im neuen Schülerkreis wachse etwas nach:
„Wir sind ja doch
schon eher ,alte Hasen‘, wir seine Schüler, die jetzt alle ins Pensionsalter kommen
oder schon längst drinnen sind. Es ist sehr schön zu sehen, dass eine junge Generation
nachwächst, die sehr wach, sehr interessiert und auch sehr kompetent ist. Ich glaube,
dass es auch für Papst Benedikt eine Freude ist, zu sehen, dass dieser Kreis, den
er vor 34 Jahren damals noch als Erzbischof von München begonnen hat, weiterlebt und
dass damit auch das viele, was wir ihm, seiner Theologie und seinem Nachdenken und
seiner Persönlichkeit verdanken, in die nächste Generation – fast möchte ich sagen
in die nächsten Generationen – weiterwirkt.“
Die Kreise tagen zusammen,
und sie entwickeln mit dem Projekt eine Eigendynamik. Doch der Initiator, Joseph Ratzinger,
war zum ersten Mal selbst bei den Besprechungen nicht dabei: Ein wirklicher Einschnitt,
wie auch Schönborn findet.
„Es ist das erste Mal ohne unseren verehrten
Meister: Was uns sehr abgeht ist sein ,tour d’horizon‘, den er jedes Jahr gemacht
hat, dieser Rundblick über das vergangene Jahr, das war immer ein Highlight. Wie er
die Dinge sieht, wie er sie darstellt, wie er sie erlebt hat und wie er sie durchdenkt
und auch geistlich durchdringt, das fehlt uns natürlich sehr. Aber er ist sehr gegenwärtig.
Und ich denke, er denkt – in diesem Sinne – auch sehr herauf nach Castel Gandolfo.“