Der emeritierte Papst
Benedikt XVI. hat am Sonntag im Vatikan eine Messe mit seinem Schülerkreis gefeiert.
In der Kapelle des vatikanischen Governatorats zelebrierte Benedikt mit seinen ehemaligen
Mitarbeitern, Doktoranden und Studenten. Der Ratzinger-Schülerkreis war in den letzten
Tagen zu seiner jährlichen Fachtagung in Castel Gandolfo zusammengetreten. Erstmals
nahm der ehemalige Professor Ratzinger – jetzt emeritierter Papst – diesmal nicht
an den Beratungen selbst teil. Die Predigt Benedikts kreiste vor allem um die Mahnungen
Jesu zu Demut und Bescheidenheit im Lukasevangelium.
„Alle suchen nach
dem guten Platz in der Geschichte; jeder will am Platz des Lebens seinen guten Platz
gefunden haben. Die Frage ist nur: Welcher Platz ist gut, und welcher ist richtig?
Es kommt uns das Wort des Herrn aus dem Evangelium vom letzten Sonntag in den Sinn:
Die Ersten werden die Letzten und die Letzten werden die Ersten sein. Ein scheinbar
guter Platz kann sich als sehr schlechter Platz erweisen, und wir wissen: Dies geschieht
nicht erst beim Letzten Gericht, sondern oft schon mitten in dieser Welt. Wir haben
selbst in den letzten Jahrzehnten sehen können, wie Erste gestürzt sind und plötzlich
Letzte waren und der scheinbar gute Platz sich als ein verfehlter Platz erwies.“
An
Jesus Maß nehmen
Der wahrhaft gute Platz sei an der Seite Jesu und
nehme an ihm Maß, so der emeritierte Papst weiter. „Wer in dieser Welt und dieser
Geschichte vielleicht nach vorn gedrängt wird, auf die ersten Plätze kommt, muss wissen,
dass er in Gefahr ist. Er muss umso mehr auf den Herrn hinschauen, an ihm sich messen,
messen an der Verantwortung für den anderen, muss der werden, der dient, der in Wirklichkeit
anderen zu Füßen sitzt – und so segnet und selbst ein Gesegneter wird. Ich denke,
dies alles muss uns durch das Herz gehen, wenn wir auf den hinschauen, der eigentlich
der Erstgeborene der Schöpfung ist und der im Stallgeboren wurde und am Kreuz
starb. Der Platz bei ihm, der Platz nach seinem Maß ist der richtige Platz, welchen
Platz auch immer uns die Geschichte zuweisen mag. Entscheidend ist die Verantwortung
vor Ihm und die Verantwortung für die Liebe, die Gerechtigkeit und für die Wahrheit.“
In
der Geschichte habe sich das Kreuz Jesu als „der letzte Platz“ erwiesen, sinnierte
Benedikt XVI. Doch der Evangelist Johannes zeichne gerade die Demütigung des Kreuzes
als die wahre Erhöhung. „Und wir wollen den Herrn bitten, dass er uns schenke,
dies immer mehr zu verstehen und jeder auf seine Weise in Demut dieses Mysterium der
Erhöhung und der Erniedrigung anzunehmen.“ Die Menschheit komme nicht aus ohne
einen christlichen Geist des „Umsonst“ (gratuità), führte Benedikt weiter aus. „Die
größten Dinge des Lebens – die Liebe, die Freundschaft, die Güte, die Vergebung –
die können wir nicht bezahlen, die sind umsonst, wie Gott uns umsonst beschenkt. So
dürfen wir mitten in allem Ringen um die Gerechtigkeit in der Welt nie das Umsonst
Gottes vergessen, das immer wieder Geben und Empfangen.“
„Wo Liturgie
gefeiert wird, ist Zion“
Der emeritierte Papst kam auch auf das Thema
Liturgie zu sprechen, das ihm während seines Pontifikats von 2005 bis zum Rücktritt
Ende Februar 2013 besonders am Herzen lag. Christliche Liturgie sei, so Benedikt mit
Verweis auf die Zweite Lesung dieses Sonntags aus dem Hebräerbrief, demütig und dennoch
„unermesslich groß“: „Denn sie bedeutet, dass wir hinzutreten zu den Scharen der
Engel und Heiligen, in die festliche Versammlung, in die festliche Freude Gottes.
Ja, wo Liturgie gefeiert wird, ist Zion, ist der Gottesberg, den die Menschheit irgendwie
immer sucht, die Höhe, auf der man endlich ins Licht und zu Gott hinaufkommt!“
Bei
der Messe mit dem emeritierten Papst konzelebrierten unter anderem der Wiener Kardinal
Christoph Schönborn und der Präsident des Päpstlichen Einheitsrates, Kardinal Kurt
Koch, dazu der Hamburger Weihbischof Hans-Jochen Jaschke und Benedikts früherer Privatsekretär,
Vatikan-Erzbischof Georg Gänswein. Die rund 50 Mitglieder waren seit 1978 jährlich
mit ihrem Lehrer zusammengetreten, auch als dieser Münchener Erzbischof, vatikanischer
Kurienkardinal und dann Papst geworden war. Benedikts Predigt von diesem Sonntag ist
sein erster Text, der seit seinem Rücktritt vom Petrusdienst zumindest auszugsweise
bekannt wird.