Der Jesuiten-Flüchtlingsdienst
(JRS) ist optimistisch, dass in Deutschland Abschiebungshaft in normalen Gefängnissen
bald Geschichte ist. Nachdem nun auch der Bundesgerichtshof gravierende Zweifel an
der Rechtmäßigkeit der Abschiebungshaft in Deutschland geäußert hat, liegt die Frage
nun dem Europäischen Gerichtshof vor. Im Gespräch mit Radio Vatikan erklärt Heiko
Habbe vom Jesuiten-Flüchtlingdienst:
„In Abschiebungshaft fühlen die Menschen
sich oft kriminalisiert, weil sie in vielen Bundesländern tatsächlich auch in ganz
normalen Gefängnissen inhaftiert werden, neben oder sogar zusammen mit Strafgefangenen.
Demnach fühlen sie sich wie Kriminelle behandelt. Sie werden auch den gleichen strengen
Regeln unterworfen: Das betrifft die Kontaktmöglichkeiten zur Außenwelt, Besuchszeiten
sind oft sehr begrenzt – das alles empfinden die Flüchtlinge als psychisch und teilweise
auch physisch ungemein belastend.“
Hinzukommt, dass es oft auch keine qualifizierte
rechtliche Beratung gibt, da auch der Kontakt zu Anwälten häufig eingeschränkt ist,
erklärt Habbe weiter. Isoliert und alleingelassen, so fühlen sich dann wohl viele,
die eigentlich auf Hilfe in Deutschland hofften. Es gibt zwar keine offiziellen Statistiken
dazu, wie viele Asylsuchende betroffen sind, aber nach 15 Jahren Erfahrung auf dem
Gebiet schätzt der Jesuitenflüchtlingsdienst, dass etwa 60-80 Prozent derjenigen,
die in Abschiebungshaft sitzen, Schutzsuchende sind und in Deutschland oder einem
anderen EU-Staat einen Asylantrag gestellt haben. Dass für Asylsuchende häufig die
gleichen Gefängnisse genutzt würden wie für Strafgefangene, kritisiert der Jesuitenflüchtlingsdienst
schon lange:
„Wir halten das für rechtswidrig, weil es seit einigen Jahren
eine europäische Richtlinie gibt, die festlegt, wie mit Menschen umgegangen werden
soll, die abgeschoben werden müssen. Dort ist zum Beispiel die Frage der Haft geklärt,
und da heißt es: Es ist nicht erlaubt, dass ein Staat Abschiebungsgefangene in einem
normalen Gefängnis unterbringt, wenn er die Möglichkeit hat, sie auch in einer speziellen
Hafteinrichtung unterzubringen.“
Aktuell entscheide jedes Bundesland für
sich selbst, ob es ein normales Gefängnis für die Abschiebehaft verwende oder eine
spezielle Hafteinrichtung, so Habbe. Ob dieses Verhalten gegen Europarecht verstößt,
darüber soll jetzt der Europäische Gerichtshof (EuGH) entscheiden. Habbe ist zuversichtlich,
dass die Lage zu Gunsten der Flüchtlinge geklärt wird, denn das habe der Bundesgerichtshof,
der die Frage dem EuGH vorgelegt hat, schon sehr deutlich zu erkennen gegeben.
„Wir
gehen davon aus, dass alle, die jetzt in normalen Gefängnissen sitzen, dort freigelassen
werden müssen, was nicht unbedingt heißt, dass es keine Abschiebungshaft mehr geben
wird in Deutschland, nur wird sie hoffentlich sehr viel seltener angewendet werden
– wir halten sie bei Flüchtlingen auch nicht für notwendig – und sie wird hoffentlich
dann in Zukunft auch zu sehr viel menschlicheren Bedingungen erfolgen.“
Hintergrund:
Der Bundesgerichtshof hat dem Europäischen Gerichtshof zwei Fragen zur Vorabentscheidung
vorgelegt. Die Luxemburger Richter werden nun darüber urteilen, ob die in vielen Bundesländern
übliche Unterbringung von Abschiebungsgefangenen in normalen Gefängnissen mit europäischem
Recht vereinbar ist. Das zweite Verfahren betrifft die Frage, ob Gefangene in eine
gemeinsame Unterbringung mit Strafgefangenen einwilligen können. Dabei hat der Europäische
Gerichtshof Bestimmungen der Rückführungsrichtlinie (Richtlinie 2008/115/EG vom 16.12.2008)
auszulegen, die eine Unterbringung von Abschiebehäftlingen grundsätzlich in besonderen
Hafteinrichtungen vorsehen.