2013-08-10 14:18:17

D: Volksfrömmigkeit und Politik: Die „teología indígena"


RealAudioMP3 Auf der Welt leben etwa 370 Millionen Menschen, die von den Vereinten Nationen zu so genannten indigenen Völkern gezählt werden. In 90 Ländern der Welt sind sie zu Hause, sie bilden meist nur eine Minderheit in der jeweiligen Gesellschaft. Historisch sind es die Völker, die vor einer Unterwerfung durch eine andere Kultur ein Land bewohnten und ihre Kultur und Tradition – oft unter Schwierigkeiten – beibehalten konnten. Die Situation der Indigenen ist durchaus brisant: Oft werden ihre natürliche Lebensgrundlagen durch die Ausbeutung von Bodenschätzen, vor allem aber durch das Abholzen von Wäldern gefährdet. Um auf die Situation der Indigenen aufmerksam zu machen, wird jedes Jahr am 9. August – einem Aufruf der Vereinten Nationen folgend – der Internationale Tag der indigenen Völker begangen.

Das Thema erfährt auch eine theologische Aufarbeitung, als „teología indígena“ wird die besondere der Art des Glaubens und seines Ausdrucks im Alltag der Indigenen in Lateinamerika bezeichnet. Michael Huhn ist beim katholischen Südamerika-Hilfswerk Adveniat für Brasilien zuständig. Im Gespräch mit dem Domradio erläutert er, was das Besondere an der „teología indígena“ und das Besondere am Glauben in Lateinamerika grundsätzlich ist:

„Was Lateinamerika insgesamt auszeichnet und den Glauben in Lateinamerika ist die Selbstverständlichkeit, mit der gebetet wird. Das ist das, was mich immer wieder bewegt hat. So wie jemand sagte: „Wenn ich meinen Tag nicht mit einem Morgengebet beginne, hat der Tag überhaupt keine Ausrichtung. Dann kann ich direkt liegen bleiben!" Und das ist lateinamerikanische, durchaus auch vorchristliche Tradition, dass das ganze Leben, die ganze Umwelt heilig ist und dass sich das darin äußert, dass man das Heilige bei sich in der Wohnung hat. Den Santo, die heilige Figur in der Ecke oder die Mutter Gottes über dem Herd oder die kleinen Gedenk- und Gebetblättchen, die in den Büchern überall stecken, um in allem, was man gerade verrichtet, an Gott und das Gott ausgerichtete Leben zu denken.“

Die „teología indígena“ ist das Ergebnis der uralten Traditionen der Indigenen einerseits und der christlichen Missionsarbeit andererseits, so Huhn:

„Lange Zeit haben die Missionare sehr gezögert, die Volksfrömmigkeit aufzunehmen. Einfach deswegen, weil sie ihnen fremd war. Sie kamen von Europa von einer ganz anderen religiösen Tradition, die von der Bibel und natürlich auch vom griechischen Denken, vom lateinischen Denken geprägt ist. Und andere Begriffe schienen da nicht hineinzupassen. Und deswegen war der Anspruch, dass das. was man Aberglaube nannte, beseitigen müsste, um einen „reinen“ Katholizismus zu produzieren. Und es hat lange gedauert, eigentlich bis vor etwa 50, 60 Jahren, bis die Priester, die Bischöfe die Missionare verstanden haben: „Gott ist schon da“. Wir haben ihn nicht gebracht als christliche Missionare, sondern es geht darum, in dem was das Volk tut, in der Volksfrömmigkeit, in seiner Kultur die Spuren Gottes zu entdecken und zu stärken, weil es die Menschen stärkt.“

Die Beziehungen zum Politischem, zum Kampf um Freiheit und Rechte, sind mit der „teología indígena“ und dem Wirken christlicher Missionare also untrennbar verbunden. Dies sei wesentlich für die „pastoral india“.

„Denn was die Missionare auch geleistet haben ist, dass sie die Gemeindeleiter ausgebildet haben und ihnen damit Selbstbewusstsein gegeben haben. Das was ihr Herkommen ist, ihre Kultur, ist sozusagen nicht minderwertig gegenüber dem europäischen Import, sondern genauso gut und richtig. Und mit diesem Selbstbewusstsein sind die indigenen Führer, die Leiter der Basisgemeinden, die Leiter der Dorfgemeinschaften dann auch in die Politik und in die Wirtschaft gegangen und haben gesagt: Es geht nicht, dass unsere Viertel und abgelegenen Dörfer benachteiligt werden, es geht nicht, dass der Wald abgeholzt wird, denn das ist unsere Lebensgrundlage. Von daher ist so die Unterstützung der „pastoral india“, der Anerkennung der alten Volksfrömmigkeit nicht in der Frömmigkeit stehen geblieben, sondern politisch wirksam geworden.“

(rv/domradio 10.08.13 mch)








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