Seit Beginn der Woche
- und dem Ende der Papstreise - tagt in Rio de Janeiro der Koordinierungsrat der CELAM,
des Zusammenschlusses der Bischofskonferenzen Lateinamerikas und der Karibik, an diesem
Freitag endet das Treffen. Papst Franziskus hatte den Bischöfen einiges zur Besprechung
vorgelegt: In seiner Ansprache vor den Bischöfen Brasiliens und dann zwei Tage danach
vor der CELAM hatte er seine Vorstellungen einer Entwicklung der Kirche in Lateinamerika
skizziert. Dabei hatte er eine Region Brasiliens auf die Tagesordnung gesetzt: Amazonien.
Amazonien sei der Testfall für Kirche und Gesellschaft, der Papst gesagt. Erwin
Kräutler lebt seit den 60er Jahren als Missionar im Amazonasgebiet, am Fluss Xingu.
Seit 1980 ist der geborene Österreicher dort auch Bischof. Bekannt wurde er unter
anderem durch seinen Einsatz für gleichermaßen die Umwelt und die Rechte der dort
lebenden Bevölkerung im Kampf gegen einen Megastaudamm. Es habe ihn gefreut, wie sehr
der Papst betont habe, dass man Amazonien nicht ausbeuten und die Menschen dort nicht
rechtlos lassen dürfe, so Dom Erwin – wie er in Brasilien schlicht genannt wird –
im Gespräch mit Radio Vatikan.
„Wir sollen Amazonien wie einen Garten pflegen
und behandeln. Er spricht vom ‚amazonischen Gesicht der Kirche’, das ist für mich
ein Novum.“
Was bedeutet das, das ‚amazonische Gesicht der Kirche’? Was
ist damit gemeint?
„Es gibt einen großen Unterschied zwischen den südlichen
Diözesen und denen in Zentralbrasilien einerseits und denen in Amazonien andererseits.
Wir haben und oft als Stiefkinder verstanden. Amazonien ist für die anderen weit,
weit weg und man überlässt Amazonien eigentlich sich selbst. Dadurch, dass das ‚amazonische
Gesicht’ herausgestrichen wird, meint man auch die ganzen Sorgen und Nöte, die Hoffnungen
dieser Menschen. Die haben ein Recht, gehört zu werden und ein Recht, sich einbringen
zu können. Auch unsere pastorale Art und Weise, wie wir hier mit den kleinen
kirchlichen Basisgemeinden leben, das meine ich ebenfalls mit dem ‚amazonischen Gesicht’.
Wir könnten hier als Kirche überhaupt nicht überleben, wenn diese kleinen Basisgemeinden
nicht das kirchliche Leben übernommen hätten. Der Xingu hat beinahe 900 Gemeinden
und 27 Priester, da kann man sich das vorstellen, was das bedeutet: Die Basisgemeinde
in ihrer samaritanischen Dimension, in ihrer prophetischen Dimension, in ihrer familiären
Dimension, aber auch in ihrer kontemplativen, in ihrer betenden Dimension. Das meine
ich gehört auch zum ‚amazonischen Gesicht der Kirche’.“
Wenn Amazonien
tatsächlich der Lackmustest ist für die Ernsthaftigkeit der Anstrengungen, was sagt
das im Augenblick über die Kirche in Ihrem Land aus?
„Auf der einen Seite
ist das positiv zu werten, dass tatsächlich sich uns anschließt und mit dem Finger
auf Amazonien zeigt. Ich möchte sogar das Wort von Papst Paul VI. wiederholen, „Christus
zeigt auf Amazonien“. Das zweite ist, dass er die Kirche aufmerksam macht und sie
anspornt, aus ihrem Kreis heraus zu gehen. Der Papst sagt ja immer ‚heraus an die
Peripherie, an die geographische und existenzielle Peripherie’. Da meine ich, dass
der Papst die Kirche in Brasilien aufgerüttelt hat.“